25 Mai

Europa – Verraten und verkauft ? Meditation (# 41)

ubi bene, ibi patria

wo es mir gut geht, da ist auch mein Zuhause

Und wo kann es mir gut gehen? Doch nur da, wo ich mich auskenne und wo mich die anderen im Alltag kennen und zu schätzen wissen. Und wo ich Arbeit finde und wo die Kinder angstfrei Kinder sein dürfen.

Das kann aber nur in einem vertrauten geographischen Rahmen sein, der durch Sprache, Glaube, Kultur und Gebräuche sich selbstverständlich weiter gibt – von Generation zu Generation. Zahlen sind da höchstens praktisch, nützlich und Spielwiese, nicht aber gesellschaftliches Programm, Leitlinien.

Heimat kann in einem solchen Selbstverständnis in der Vergangenheit liegen, auf einem anderen Kontinent oder in Träumen und Phantasien, manchmal aber eben auch im eigenen Zuhause. Die Vielfalt der jeweiligen Sinnfüllungen von Heimat schafft Abend für Abend überraschende Gespräche im Gasthaus oder bei Festen daheim. Man erkennt sich wieder oder auch nicht, man wundert sich oder auch nicht, man versteht es nicht oder auch doch. Immer aber bleibt das Andere, das Fremde einem entfernt vertraut. Angst, gar Schrecken kann da nicht wachsen.

Ein Gedanke zu dem Stichwort Zahlen: Gerade kommen – wie froheste Botschaften – Meldungen aus der EU, Griechenland bekomme neue Kredite, weil es „geliefert“ habe. Nun könne es ja in der Wirtschaft – langsam zwar, aber immerhin – wieder aufwärts gehen, soll der neugierige Zeitgenosse denken. Was verbirgt sich aber hinter den Zahlen? Doch nichts anderes als die weiter gestundete Zeit, Zinsen für Schulden bedienen zu können. Da bleiben kaum Zahlen übrig, hinter denen sich ein wirtschaftlicher Aufschwung vermuten lassen könnte. Augenwischerei. Nur die Gläubiger werden so bei Laune gehalten – das darbende Volk soll zumindest ein Gefühl haben dürfen, die Drehschrauben seien gelockert worden, es dürfe ein bisschen aufatmen. Augenwischerei. Mit Solidarität der Europäer hat das nichts zu tun, wohl aber mit Zahlenreihen der Banken und Staaten, die Geld geliehen haben, um damit Geld zu verdienen.

Wie sollte es da denen gut gehen können, die da nicht Zuhause sind, sondern die unter solchen Zahlen weiter zu leiden haben? Wenn sie nun mit ihresgleichen über die neuen Zahlen reden in diesen Tagen, werden sie nur abwinken können. Solidarisch sind sie in ihrer Not mit den anderen Notleidenden, das ist ein gutes Gefühl – an das allerdings gerne Gesundbeter der schlimmen Art anzudocken versuchen. Auch in dieser Erfahrung sind wir Europäer Verwandte, die bei der Suche nach den Verursachern der Misere oft den Vereinfachern einfach folgen – manchmal aus Wut, manchmal aus Unkenntnis, manchmal voller Lust, um sich wenigstens für einen Augenblick stark fühlen zu können.

Wissen und Bildung sind zwei brauchbare Geschwister, mit deren Hilfe Verführer keine Chance haben, jemanden einfach so über den Tisch zu ziehen. Da müssen allerdings Menschen vor jungen Leuten stehen, die Vorbild, Herausforderer zu sein vermögen, denn auch Wissen und Bildung können nur wachsen, wenn Lernen zwischen Menschen respektvoll verhandelt wird. In überschaubaren Gruppen.

Wer kennt nicht das Trojanische Pferd?

TTIP ist solch ein Pferd. Wie ein stolzes Geschenk auf eine blühende Zukunft steht es vor den Toren Europas. „Kommt, holen wir es zu uns herein!“

Lieber nicht. Denn wir geben dann endgültig den Überblick über wirtschaftliches Handeln an einen Zahlenapparat ab, der sich unserer Kontrolle und unseren europäischen Normen endgültig entzieht. Stattdessen sollten die europäischen Teilnehmer am Weltmarkt sehr wohl auf ihren eigenen Wertschätzungen beharren. Die Qualität ihrer Produkte und die Qualität ihrer Spielregeln sind nach wie vor vorbildlich, nachahmenswert und weiter zu verfeinern.

Daraus lässt sich Stolz auf Eigenes ableiten, Wiedererkennen von Vertrautem sichern und so etwas wie ein Gefühl von Zuhause empfinden, bei sich sein, sich gut fühlen.

Und es lassen sich dann auch Geschichten erzählen, die gemeinsame europäische Geschichte verdeutlichen, die Kinder gerne hören wollen, weil man darin die eigene Biographie wiedererkennt, die in Sprache, Glaube und Kultur eingebettet bleibt wie in ein gemeinsames Zuhause.

19 Mai

Leseprobe # 6 Zu den Fabeln der kleinen Fee

Die sieben Freunde auf dem Rückflug zur Erde – Ausrüstung

Gleich nach unserem erfolgreichen Probeflug mit gläsernem Anhänger bittet uns der Mann-im-Mond noch einmal in sein sublunares Reich, sein Exil. Er möchte mit uns den Rückflug zur Erde besprechen.

„Ihr Lieben, wenn ihr wüsstet, wie sehr meine Leute und ich uns danach sehnen, endlich wieder unser friedliches Leben in unserem Langhaus auf der Lichtung im tropischen Wald führen zu dürfen, bunte Vögel singen zu hören…“

Meine Freunde schauen ratlos zu mir hin. Mürnli vorneweg missmutig seine kleinen Maulwinkelchen nach unten ziehend. Hoffentlich sieht das niemand von den kleinen Leuten, denke ich besorgt. Und Blinker springt völlig nervös pausenlos auf Tebelchens Rücken, rauf, runter, rauf, runter. Das sieht aber gar nicht lustig aus. Ihre Blicke meinen sicher, ich solle mal ein klärendes Wort sagen. Aber was? Und Alitot verdreht die Augen, flüstert ganz leise mit Weichzottel. Gombral schwankt still vor sich hin, schaut mit seinen kleinen klugen Augen auf diese eigenartige Versammlung vor dem Eingang zur Höhlenhalle herab, als wollte er sagen:

„Mich müsst ihr gar nicht erst fragen. Ich habe keine Ahnung!“

Wir sind ganz verlegen, denn der Rückflug zur Erde ist uns ein einziges Rätsel: Wie soll Gombral das schaffen, wie können wir den freien Fall durch den Äther überstehen? Der Mann-im-Mond schaut uns lächelnd an, er scheint keine Zweifel zu haben. Sindalf, unser scharfsinniger Falke, hat gleich mehrere Fragen an den Mann-im-Mond:

„Von der Erde zum Mond, das war schon so eine beängstigende Sache. Wir wissen selber nicht, wie wir das schaffen konnten. Aber jetzt zurück! Und dann auch noch mit dir und all deinen Leute hinten dran? Wie sollen wir denn da bremsen unterwegs?“

Ich muss ihm Recht geben. Lieber gleich sagen, wir können es nicht, als später in eine Katastrophe zu schlittern. Als könne er unsere Gedanken lesen, gibt der Mann-im-Mond uns seine Antwort auf all die Fragen:

„Eure Sorgen kann ich gut verstehen; aber überlasst das einfach mir.“

Der hat gut reden, denkt Gombral; er ist mir dieser Antwort gar nicht zufrieden. Der Mann-im-Mond schmunzelt diebisch dazu und gibt seinen Leuten einen Wink. Sofort fangen deren Glaspropeller zu drehen an und weg sind sie in ihren Glashalbkugeln. Was haben die vor? Dann wendet sich der Mann-im-Mond wieder uns zu:

„Wir haben noch ein paar Ersatz-Weltraum-Anzüge mit allem, was dazu gehört, die bringen meine Leute euch gleich raus.“

Weltraum-Anzüge? Wir hatten doch auf dem Hinflug auch keine an. Warum denn jetzt auf einmal? Da kommen sie aber schon wieder aus der Höhle heraus geschwirrt. Diesmal sind es noch viel mehr als vorher und alle schleppen irgendetwas Weltraummäßiges mit sich. Bald ist jeder von uns von mehreren Glashalbkugeln eingekreist und wir schwuppdiwupp eingekleidet. Alles aus Glas. Und das Verrückteste dabei: Alle Teile scheinen speziell für uns angefertigt zu sein: Lange Glasröhren für Tebelchens lange Beine, für Alitots Ohren und seinen Schweif entsprechende Glasformen, genauso für Blinker und Weichzottel. Selbst für Mürnli haben sie etwas Passendes mitgebracht: Eine Glashalbkugel mit lauter kleinen spitz zulaufenden Ausbuchtungen innen für seine Stachelpracht. Unglaublich, einfach unglaublich. Und am meisten staunen wir über die Sprechanlage im Glaskopf: Wir sind alle miteinander verbunden, hören uns und können miteinander sprechen als wären wir auf der Erde und nicht auf dem Mond. Auch das Atmen macht überhaupt keine Probleme. Diese Glashüllen sind wahre Wunderwerke, Alleskönner. Dann sausen die kleinen Leute noch einmal in die Höhle davon, sind aber gleich wieder zurück. Und was bringen sie diesmal? Lauter Glasbausteine, die sie blitzschnell um Gombral herum zusammen setzen: Ein Dinofanten-Weltraum-Anzug aus Glas. Wow!

17 Mai

Leseprobe # 5 Zu den Fabeln der kleinen Fee

Der Glastanz und die Glasmusik der kleinen Leute

Wie soll ich euch das nur alles erzählen? Es waren und sind unvergessliche Bilder und Momente, die der Mann-im-Mond uns schenkte – einfach so. Es sollte ja noch viel toller kommen. Wo soll ich anfangen? Als wenn ich träumte!

Nach der Erlösungsgeschichte – unsere Herzen hatten ganz arg gebubbert, am liebsten wären wir gleich losgezogen, die Entführer zur Rede zu stellen, wie sie so etwas Schlimmes nur machen konnten – hätten wir am liebsten gleich mal versuchen wollen, ob auf Gombrals Rücken vielleicht doch genug Platz sein könnten für die kleinen Leute und den Mann-im-Mond und uns, um sie wieder zur Erde zurückzubringen. Und was das denn für eine Idee sein könnte, die bei Platznot Abhilfe hätte schaffen können. So viele Fragen waren uns durch den Kopf gegangen.

Wir denken, das Essen ist vorüber, der Empfang in der hohen Halle des Manns-im-Mond vorbei. Und als ich mich gerade erheben will, um eine kleine Dankesrede zu halten, geht es erst richtig los. Aus dem Inneren, da, wo auch die glänzenden Teller hergekommen waren, wehen leise Töne, kleine Lichter und spiegelnde Glaskugeln auf uns zu. Der Mann-im-Mond sitzt lächelnd auf seinem Pyramidenthron und leitet behutsam und gestenreich die ankommende Luftprozession zu uns hin. Auch alle meine Freunde sind sprachlos. Das Essen, lauter Leibgerichte (woher wusste der Mann-im-Mond denn überhaupt, was jeder von uns am liebsten mochte?), hatte uns völlig begeistert, wieviel Zeit dabei verstrichen war, könnten wir auch heute nicht sagen, und wie die silbernen Teller wieder davongeglitten waren, haben wir auch nicht bemerkt, denn jetzt war ja der lange Gang aus der hohen Halle hinaus überreich angefüllt mit diesen herrlichen Melodien und diesem Glitzern der Kugeln und dem Erscheinen der kleinen Leute. Tebelchen mit halboffenem Mäulchen, Blinker blinzelnd, Sindalf auf seinem Hochsitz eher beunruhigt hin und her tippelnd, Alitot kann es gar nicht glauben, was er sieht, Weichzottel leckt ununterbrochen seine feuchte Nase und Mürnli starrt irgendetwas lautlos stammelnd in Richtung des Spektakels. Im Näherkommen erkennen wir nun auch das Licht- und Tontheater: Es sind gläserne Halbkugeln, unter denen die kleinen Leute wie auf einem unsichtbaren Boden langsam näher treten. Und an den Glasrändern mit einer Hand vorbeistreifend diese eigenartigen Töne erzeugen. Ihre Wuschelhaare scheinen elektrisch geladen zu sein, denn deren fast goldener Schimmer erhellt das blanke Kugelglas so wunderbar, dass scheinbar bewegliche Lichtfiguren auf dem Glas hinauf und hinunter zu klettern, zu rutschen, zu gleiten scheinen und wie durch unsichtbare Wattebäuschchen gedämpft tönt ihr Singsang an unsere Ohren. Mal leiser, mal etwas lauter und in so vertrauten Melodien, dass wir glauben eigenen Kinderlieder zuzuhören. Wir rühren uns nicht. Vielleicht verschwände das traumhafte Schauspiel ja sonst. Nach und nach landet eine Halbkugel nach der anderen vor unseren Sitzplätzen auf dem langen Tisch. Jetzt können wir auch so etwas wie durchsichtige Propeller über den Halbkugeln erkennen. Aber wo ist der Motor? Wir kommen aus dem Staunen einfach nicht mehr heraus. Die kleinen Leute lächeln uns an, ja, jeder von uns wird da angelacht, dass wir selber auch anfangen zu grinsen ohne es zu merken. Und dann – wie auf ein unsichtbares Zeichen hin – hören sie mit Singen auf. Es wird wieder ganz still im Saal.

Das ist mein Moment, geht es mir blitzartig durch den Kopf. Schnell erhebe ich mich. Meine Freunde schauen besorgt zu mir hin – was soll das denn jetzt, kleine Fee, scheinen ihre Blicke sagen zu wollen – der Mann-im-Mond nickt aufmuntern und die kleinen Leute hören einfach nicht auf zu strahlen.

„Lieber Mann-im-Mond, liebe Leute, meine Freunde und ich, wissen gar nicht, was wir sagen sollen zu soviel wunderbarer Gastfreundschaft, zu soviel Musik, zu solch einem reichhaltigen und schmackhaften Gastmahl.“

Die kleinen Leutchen unter den Halbkugeln winken gönnerisch ab, genauso wie der Mann-im-Mond auf seinem Pyramidenthron,

„Aber ich möchte euch nun bitten, mit uns allen hinaus zu gehen, um Gombral, unserem Dinofanten, zu berichten und ihn euch vorzustellen, unsere Dino-Rakete!“