25 Jun

Europa – Agenor, ihr Vater, verunglückt in der Badewanne # 50

Wer möchte schon gerne in der eigenen Badewanne ertrinken?

 

Wie bei der Europa – Meditation (siehe dort!) ab # 65 – die damit beginnt, dass in Zukunft die Texte um einiges kürzer und anschaulicher zu lesen sein sollen, soll es auch mit dem Europa – Mythos ab # 50 weiter gehen: kürzer, sinnlicher und zupackender soll dort der Mythos gegen den Strich weiter erzählt werden. Denn der alte Mythos von Europa war ja nichts anderes als ein beschönigendes Geschichtchen vom geilen Göttervater Zeus, der um seinen Ruf besorgt war und deshalb alte Männer, die des Schreibens mächtig waren, zwang, s e i n e Sehweise der Geschichte aufzuschreiben und weiter zu geben. Jede Abweichung von  s e i n e r  Sehweise war zu unterbinden, zunichte zu machen.

Agenor ruft seinen Leibwächter noch einmal zurück.

„Hör gut zu, mein Lieber, meine Söhne sollen bei Sonnenaufgang aufbrechen, nach ihrer Schwester Europa zu suchen. Wiedersehen möchte ich sie nur, wenn sie mit ihr zurückkehren.“

„Aber, Herr“, stottert Gruechys, „die beiden wollen doch, äh, morgen, äh, auf die Jagd gehen, weil…äh…“

„Unsinn“, unterbricht der König unwirsch den sabbrigen Wortsalat, „meine Söhne können nur wollen, was ihr Vater, der König, ihnen aufträgt. Also, spute dich, sonst…!“

Und weg ist er. Voller Angstbilder, was die beiden Söhne mit ihm anstellen könnten, nachdem er ihnen den königlichen Befehl überbracht hat, hastet er durch die dunklen Gänge des Palastes.

Währenddessen greift sich Agenor, als er in die Wanne steigt, sein kleines Gemächt, und sieht sich dabei schon völlig erregt in die fremde Sklavin hinein gleiten, als er das Gleichgewicht verliert, mit dem Fuß über das glatte Holz wegrutscht, nach hinten kippt, und im Schmerzschrei mit dem nackten Rücken auf den harten Wannenrand knallt. Völliges Dunkel empfängt den Schmerzensmann gnädigst.

„Tod durch Ertrinken“, pflegte er oft bei seinen launischen Gelage zu palavern, „wünsche ich nicht einmal meinen ärgsten Feinden.“ Mit solch einem Satz konnte er immer seine verängstigten Zuhörer schön beeindrucken und irreführen. Denn insgeheim konnte er sich nichts sehnlicher wünschen, als seine Feinde beim Ertrinken zu beobachten.

Und nun widerfährt es ihm selbst?

25 Jun

Europa – EU gewogen und für zu schwer befunden (# 65)

EU – gewogen und für zu schwer befunden

Auch dieser blog wird gerade gewogen und für zu lang befunden. Deshalb sollen ab dem Tag, der der längste war in diesem Jahr, die Beiträge um vieles kürzer und pointierter werden, damit jeder, der möchte, genügend Zeit zum Lesen, zum darüber Nachdenken und gegebenenfalls zum Antworten hat.

Genau – heute geht es um die EU. Leichtfertig wird fast täglich die EU mit E u r o p a gleichgesetzt, was zwar ziemlich pfiffig ist, weil man sich so mit etwas Großem gemein macht, was aber an der Sache gänzlich vorbei geht. Weil nicht überschaubar.

Die EU – jetzt erst recht mit dem neuen Präsidenten der Franzosen – soll gestärkt werden. Klingt gut. Gemeint ist aber nur eine Konzentration von Kompetenzen der Finanzen in möglichst einer Hand für alle Mitglieder dieser EU. Danke, nein.

Das aber erzeugt verständlicherweise ordentlich Magengrimmen.

Und mit Europa hat das gar nichts zu tun.

Denn E u r o p a ist eine kaum zu überschauende Vielfalt, die sich aber eben gerade über diese Vielfalt definiert. Und um da nicht als einzelner Europäer verloren zu gehen, sollte der jeweilige Horizont der vorläufige Maßstab sein.

Dann wird einem auch wieder leichter ums Herz. Denn bis zum Horizont kann mein Blick reichen und innerhalb dieses Horizontes leben lauter verwandte Geister, die sehr vieles mit mir gemein haben. Die können sich über mögliche gemeinsame Vorhaben des Zusammenlebens verständigen. Leicht. Weil sie sich kennen, weil sie mit einander verwandt und vernetzt sind.

So gesehen könnte die Devise lauten:

EU – gewogen und für zu schwer und unüberschaubar befunden. Fremd. Tschau!

E U R O P A – leicht, weil innerhalb des eigenen Horizontes überschaubar. Vertraut. Hallo!

18 Jun

Warten auf Godot 2017

Das neue Projekt von JUST e.V. für Herbst 2017

W A R T E N auf G O D O T von Samuel Beckett

Auf wen warten WIR eigentlich?

Estragon und Wladimir warten auf Godot. Und jeder weiß, dass sie nicht wissen warum und ob überhaupt. Keine gute Ausgangslage. Aber sie bleiben trotzdem am Ball. Klingt das nicht fast wie ein Text von einem start up, das knallhart und unbeirrt auf den Durchbruch wartet. Bis dahin am besten einfach drüber reden, am Ball bleiben und Prinzip Hoffnung favorisieren.

Wenn sich JUST im Jahre 2017 nun an W a r t e n a u f G o d o t von Samuel Beckett heran wagt, so ist JUST e.V. für viele sicher immer noch nicht im Mainstream angekommen, dafür aber bei einem Brocken gelandet, an dem sich nun schon seit fast siebzig Jahren Regisseure und Schauspieler die Zähne ausbeißen und staunen, wie zeitlos dieses scheinbar absurde Theater doch zu sein scheint.
Man schaue nur einmal bei youtube vorbei und man wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, wie viele Inszenierungen in den letzten Jahrzehnten da zu bewundern sind.

Die JUnge Schauspiel-Truppe aus Bückeburg, die im letzten Jahr mit großem Erfolg in der Remise von Schloss Bückeburg Janne Tellers „NICHTS“ einem ziemlich sprachlosen Publikum vorgeführt hatte, möchte nun am gleichen Ort diesen modernen Klassiker auf die Bühne bringen.

Die Zwiegespräche von Estragon und Wladimir haben es wahrlich in sich: Wie auf einer atemberaubenden Achterbahnfahrt taumeln die beiden in ihren wortreichen Sprachgirlanden an einander vorbei, obwohl sie doch mit einander zu reden glauben. Ihre Einsamkeit genauso wie ihre Sehnsucht nach Verstanden-Werden-Wollen versinken immer wieder in Beliebigkeit und einer Art, dem anderen einfach nicht zuzuhören, dass fast nur so etwas wie ein verhuschtes Geplapper übrig bleibt. Dennoch wollen die beiden aber nicht aufgeben, versuchen es immer wieder aufs Neue, doch die Nähe, nach der sie sich sehnen, will sich einfach nicht einstellen. Umso inständiger Bestehen sie auf ihrem Warten auf Godot. Der muss einfach kommen, hat er ja auch gesagt. Aber wann kommt er ?
Bei den Proben fällt es bestimmt nicht schwer, aktuelles Lebensgefühl auf Schritt und Tritt mit einbringen zu können – sieht es doch oft so aus, als wenn zwei Menschen, wenn sie bei einander stehen, zwar fleißig Text machen, aber gleichzeitig irgendwie abwesend zu sein scheinen, weil ein kleines elektronisches Kästchen, das mit der Hand fast eine Einheit zu bilden vorgibt, ebenfalls mit sich reden lassen möchte…Und die Augen? Was sagen die? Warum verstehst du mich nicht, warum hörst du mir nicht zu? Was hast du gerade gesagt? Wer? Versteh ich nicht. Ist ja auch egal. Oder? Nein, ist es nicht, aber ich hab jetzt sowieso keine Zeit, da kommt gerade eine ganz wichtige Nachricht, die muss ich unbedingt lesen…

Und dann sind da ja auch noch zwei ganz andere Spieler im Stück, die aber auch irgendwie aus der Welt gefallen sein müssen: Pozzo und Lucky. Ein bizarres Paar, das da plötzlich in das Warten von Estragon und Wladimir hinein platzt. Ein selbstgefälliger Großkotz und ein unterwürfiges Anhängsel, das wie auf Knopfdruck atemberaubende Wortkaskaden lostreten kann. Dieses Theater der beiden hilft zumindest für eine Weile das Warten auf Godot zu vergessen. Als wäre es ein abwechslungsreiches Sonderprogramm, speziell für Wartende inszeniert. Aber eben nur für eine Weile. Dann läuft wieder das bekannte, traurige Programm des Wartens.

Die Remise scheint wie gemacht für dieses komisch-traurige Stück, finden die Schauspieler von JUST – dort werden die Worte, die Fragen und das Warten von Estragon und Wladimir wie unerbittliche Fledermäuse durch die weite Halle fliegen – wie ein Spuk, der aber nichts weiter ist als eine verfremdete Sprechblasenhalde unserer eigenen schnelllebigen Welt.

Auf wen warten W I R eigentlich? Das fragen sich nicht nur die Schauspieler bei den Proben, sondern sicher auch die Zuschauer, wenn sie die Remise wieder verlassen. Denn die Antworten, die Samuel Beckett mit seinem absurden Theater anbietet, sollte man wirklich nicht akzeptieren wollen.

Also schon einmal vormerken – Freitag, 29. September 2017 um 20 Uhr in der Remise von Schloss Bückeburg die Premiere oder am Sonntag, dem 1. Oktober 2017 ebenfalls um 20 Uhr die zweite Aufführung