10 Jul

Mega-Städte und Mega-Probleme (Meditation # 67)

Mega-Städte und Mini-Systeme – eine kreative Allianz?

Sanctuary Cities – so nennen sich einige. Das klingt fast nach heiligem Gral, ist aber nichts anderes als die dringende Botschaft, Klimawandel und Migration selber in die Hände zu nehmen, denn schließlich sind es diese Riesen-Städte, die da Tag und Nacht wachsen und wachsen und mit ihnen natürlich auch die Probleme. (Mehr als 120 Millionenstädte allein in China derzeit, 2050 mehr als 176 Millionenstädte in Indien…). Der Staat scheint da längst überfordert zu sein, die Nation wird vielleicht wieder zu einem Mythos, den sich die Menschen gerne in ihren überschaubaren Stadtvierteln erzählen – in gut vernetzten Milieus, wo alle sich kennen, wo man sich hilft, wo man geboren wird und wo man meistens auch wieder sterben wird. Europa hinkt auch da mal wieder hinter her, aber das muss nicht unbedingt von Nachteil sein. Denn auch hier wachsen die großen Städte – siehe Ruhrgebiet, Rhein-Main-Becken, das Rheinland, um nur einige wenige in Deutschland zu nennen. Die EU könnte dann bald nur noch Schnee vom letzten Jahr sein: Ein nachvollziehbarer Irrtum – für kurze Zeit eines Übergangs vielleicht sogar von Nutzen für viele Europäer, aber nun eben überfordert und ideenlos, weil Wachstum ohne Ende und Immobilienblasen-Tango ( um nur kurz zwei Auswüchse zu nennen, neben vielen anderen, die es mehr und mehr gerade auch jungen Menschen innerhalb der EU unmöglich macht, ein lebenswertes Leben leben zu können) ausgespielt haben.

Und jeder weiß aus zahllosen Gesprächen mit dem Nachbar, wie kostbar das Wasser wird, wie sehr die erneuerbaren Energien gepflegt werden müssen, wie lächerlich der Individualverkehr in solchen Städten ist und was für wunderbare Geschichten man sich über Europa, diesen kleinen Kontinent erzählen kann. Auch von dieser jungen Frau, die sich – trotz Entführung durch einen Mega-player und trotz Gewalt – diesem mutwilligen Übergriff nachhaltig zu entziehen wusste und Kinder gebar, der sie immer wieder die Geschichte vom Glück erzählte, die diese dann weiter und weiter erzählten, ein Glück, das wir Menschen uns schaffen können, wenn wir uns gegenseitig achten, schätzen, helfen, beraten und gerne die Irrtümer der vorhergegangenen Generation nicht mehr allzu bequem nur wiederholen. Fast schon vergessen, ist es nun umso erfrischender, sie wieder auferstehen zu lassen. So verbinden diese Geschichten, Bilder und Erinnerungen – erzählt in vielen wohlklingenden Sprachen – die Menschen erneut miteinander und lassen nur zu klar werden, dass trotz des scheinbar zeitlosen Wolken-Netzes, das sie kunstvoll erfunden haben, die Zeit eines jeden begrenzt und sehr endlich ist.

Kann man da wirklich guten Gewissen den nächsten 6000 Generationen noch mehr als 15000 t strahlendes Gift aufbürden? Lachend haben sich diejenigen, die jahrzehntelang davon unglaublich profitiert haben, mit einem kleinen Obolus aus dem Staube gemacht. Grenzt fast schon an Zechprellerei! Und wer zahlt nun die Zeche? Selbst Frankreich plant nun, diese lebensgefährlichen Meiler nach und nach zurückzubauen! Und folgen da dem Beispiel einer Frau.

Da ist die Geschichte von Europa, dieser wirklich attraktiven Frau, die trotz schlimmen Beginns ihr Leben gegen alle Unkenrufe und Belastungen lebensfroh und in lebendiger Gemeinschaft ihrer Stadt gestalten konnte und auch vor Gewalt nicht einknickte, ein wirklich erzählenswertes Erinnerungsgut, das im vielstimmigen Chor der Europäer zu einer wahren Sinfonie neuer Ideen in Vielfalt und Solidarität werden könnte.

06 Jul

Europa – Mythos # 51

Europa und die jungen Priesterinnen tanzbegeistert

Während die Brüder widerwillig losziehen, um ihre Schwester Europa zu finden und sie dem tobenden Vater zu übergeben, tanzt diese gerade den jungen Priesterinnen verschiedene Figuren vor. Weit ausholende Schritte, Arme wie Propeller um den schlanken Körper sausend, das leichte Gewand wild wehend im Schwung der Tanzschritte. Staunend folgen sie neugierig diesen ausladenden Bewegungen. Und wie sie dabei strahlt, wie sie lacht. Lalia und ihre Freundin Meleia können es gar nicht fassen. Sie klatschen, quietschen, kichern.

„Los, jetzt seid ihr an der Reihe“, ruft Europa noch ganz außer Atem den lachenden Frauen zu.

Oh je, das überrascht sie alle, obwohl doch jeder weiß, dass fleißig geübt werden muss.

„Stellt euch in drei Reihen hintereinander auf und schaut einfach auf mich, ich mache es vor.“

Chandaraissa, die im Schatten einer alten Zeder zuschaut, schmunzelt. Sie kennt die jungen Frauen nur zu gut. Sie möchten es gleich können. Aber üben?

Gleichzeitig brütet in seinem fensterlosen Palastraum Sardonius, der Herr der Sicherheit, vor sich hin. Was plant Archaikos? Warum hat er den ungehorsamen Priesterinnen gestattet, ein Tanz-Fest zu gestalten? Warum hat er, Sardonius, nicht die Oberaufsicht darüber? Ist er der Fremden, Europa, verfallen?

„Was gibt es denn?“ knurrt er möglichst unfreundlich, als sein Schreiber, Lermas, im Türrahmen steht und darauf wartet, gehört zu werden.

„Verzeiht, Herr“, dabei macht er eine besonders tiefe Verbeugung, „draußen stehen drei Bettler, die fragen, ob sie im Tempel der Göttin, beten dürften, heute?“

„Meinetwegen“, ist alles, was er dem Schreiber vor die Füße wirft. Was ist denn in die gefahren, denkt er noch, bevor er sich wieder seinem Brüten zuwendet. Was bahnt sich an? Braut sich etwas über mir zusammen? Sollte ich etwas wissen, das ich nicht weiß?

Die Sonne unterdessen verwandelt die Insel wieder in einen lautlosen Ort, Tiere wie Menschen suchen Zuflucht in Höhlen und Häusern. Allen macht die Hitze arg zu schaffen.

Nur im Tempel der Göttin, genauer gesagt, im Vorraum, dem säulenumstandenen, ist noch so etwas wie Kühle zu spüren. Nicht aber bei den Priesterinnen, die haben sich nämlich begeistert heiß getanzt.

Europa ist sehr zufrieden. Die jungen Frauen haben Feuer gefangen, ihre Befangenheit ist verflogen, sie bewegen sich fast wie Nymphen im Wasser – so leicht und hingebungsvoll.

„So, jetzt das Ganze noch einmal, dann soll es genug sein für heute“, ruft sie der Frauenschar zu. Dabei nimmt sie im Augenwinkel wahr, dass am Eingang zum Vorraum drei Gestalten herumlungern, die scheinbar unschlüssig dahocken, als warteten sie auf etwas. Ein ungutes Gefühl beschleicht sie unversehens. Da schauen sie aber schon die Priesterinnen erwartungsvoll an.

„Gut, also noch einmal von vorne!“

06 Jul

Europa – Sanctuary Cities (Meditation # 66)

Sanctuary Cities

Ein wohltuender Begriff – neuerdings wieder. Städte, die Zuflucht sein wollen und die sich dazu mit anderen sehr großen Städten verbünden. Sie tun das einfach – gegen üble Nachrede genauso wie gegen Dauer-Nörgler.

Das sind gute Zeiten, dieser Tage. Denn die alten Begriffe sind verschlissen. Außer den Politikern scheinen sie niemandem mehr zu taugen.

Das ist gut so. Denn so kann jeder wieder neu nachdenken über das, was ihm bisher selbstverständlich schien: Staat, Nation, EU, NATO, WTO. Dabei sind es doch nur Organisationsformen, die der Mensch vor einiger Zeit erfunden hat, weil sie ihm brauchbar schienen.

G 20 Gipfel. Das klingt auch ziemlich griffig. Beeindruckt aber auch nicht mehr. Und was sich auf der rechten Seite der politischen Wortspiele seit einiger Zeit zusammenfindet, ist auch nichts anderes als der wütende Versuch, eben jene verbrauchten Begriffe durch scheinbar griffigere zu ersetzen. Dem sollte man auch nicht auf den Leim gehen.

Was denn dann?

Wie schon angedeutet, wollen die Menschen mehr denn je ein WIR-GEFÜHL, das nicht abstrakt oder bloß pathetisch beschworen wird, sondern dass wirklich erlebbar, wirklich darstellbar, wirklich teilbar mit verwandten Geistern lebbar ist.

Wie denn nun?

In überschaubaren Größen können Menschen im Alltag dieses WIR-GEFÜHL leben. Wenn die sanctuary cities jobsuchende oder sonstige Fremde beherbergen, dann verteilt sich diese hehre Aufgabe auf Stadtteile, in denen Menschen, die sich kennen, helfen können. Sie sprechen die gleiche Sprache, die der Herzen und nicht die der Technokraten, Macher, Politiker.

So ist es auch in Europa, dem kleinen Kontinent. Die Menschen spüren gerade, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen, nicht mehr nach Brüssel, Paris oder Berlin schauen wollen, um anstehende Probleme gemeinsam zu lösen. Die EU verblasst solchem Verstehen gegenüber zu einem Popanz, der einfach zu viel verspricht, ohne die Armut und die Jugendarbeitslosigkeit und die Flüchtlingsfrage in humaner Weise zu bewältigen.

Das Gefälle wächst und wächst zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“. Es reicht, ist der tatsächliche Zeitgeist in diesen Tagen. Und das ist gut so, sagen die Menschen in Europa. Das wird zunehmend zu einer Stimme. Nicht die EU, deren Stimme klingt hohler und hohler dagegen.

Wenn in Hamburg zur Zeit so viele solidarisch auf die Straße gehen – furchtlos und unbestechlich – dann ist das ein unübersehbares Zeichen für eine Haltung, die sich weder durch Phrasen noch durch Polizeipräsenz beschwichtigen lässt.

So wie auf dem amerikanischen Kontinent die großen Städte die Probleme von Klimawandel und Migration gemeinsam angehen wollen – soll doch der „Staat“ posaunen, was er will derweil – so können auch die Städte und Regionen auf dem europäischen Kontinent die Probleme selber in die Hand nehmen und dabei erleben, welche Freude, welche Begeisterung und welche Energie dabei freigesetzt werden wird, wenn benachbarte Menschen – viele, sehr viele – in solidarischer Selbstbestimmung und zurecht ungeduldig das Handeln in eigene Hände nehmen. Urban und regional. Überschaubar eben. Und überall in Europa.