12 Okt

Europa – Neue Töne im müde geredeten Europa # 75

Europa – neu vernetzt  und  vereint in fünfundfünfzig Regionen

Mal ist es das Modewort vom „Zerfall“, der droht, mal das Angstszenario vom „Rückfall“, der bevorstünde, jetzt das Schmähwort vom „Separatismus“, der doch nur in eine schlimme Sackgasse münden könne.

Wie alle „ismen“ ist auch dieser eher negativ unterspült – oder, wie Gebildete oder solche, die sich dafür halten, sagen würden: negativ konnotiert.

Die Bestrebungen der Katalanen sind so gesehen „natürlich“ die falschen, ein Irrweg. Die EU-Kenner heben warnend ihre Augenbrauen, schütteln ihre weisen Häupter und stehen da als Hüter des Guten, des zu Bewahrenden. Der EU eben.

Wenn man aber Zeit und Lust hätte, könnte man auch – statt in Angst zu verharren und nach den „Rettern“ zu suchen – diese von Gefühlen so aufgeladene katalanische Selbstständigkeitssehnsucht als Angebot auffassen, selbst angstfrei nachzudenken, ob kleinere Gemeinschaften nicht doch viel lebendiger, flexibler, überschaubarer und glaubwürdiger zu sein pflegen als übergroße Konstrukte, die sich zwar mit emotionalen Polit-Begriffen von Gemeinschaft schmücken, aber dahinter nichts als Leere und Ämterhäufungen zu verstecken wissen. Davor sollte man eher Angst haben. Aber Angst ist eh ein schlechter Ratgeber. Also Schluss damit.

Es sind keine Separatisten, die Katalanen – genauso wenig wie die Schotten, die Jurassen, die Basken, die Bretonen, die Elsässer…Es sind allerdings Menschen, die genügend frustriert zu sein scheinen, um leider liebgewonnene, schlechte Gewohnheiten endlich abzuschütteln und zu neuen Ufern aufzubrechen.

Angestrebt wird dabei ja nicht ein Inseldasein, eine Selbstisolation. Nein. Angestrebt wird lediglich das Zurückgewinnen der Kontrolle über die eigenen Mittel und der Mitsprache beim Knüpfen der Verbindungen zu den anderen Regionen. Denn erstmals ermöglicht ja die Digitalisierung ein viel ökonomischeres Organisationsverfahren, Verknüpfungen über die Grenzen der eigenen Region hinaus mit den anderen Regionen zu vernetzen – kostengünstiger, selbstbestimmter, kontrollierter und letztlich auch effektiver für alle Beteiligten. Bei größtmöglicher eigener Autonomie im Netzwerk der Interessen.

Vor solch einem Konzept muss man wahrlich keine Angst haben. Im Gegenteil: Man muss den Mut haben wollen, sich solch neuen Denkansätzen anzuschließen, sich solidarisch mit solchen zu machen, die daran unbeirrt arbeiten wollen – zum Wohle der jeweiligen Region genauso wie zum Wohle des gesamten Europas, jenseits der Verkrustungen und Bevormundungen und hegemonialen Weisungen von EU-Profiteuren und gekauften oder geleasten Applaudeuren.

11 Okt

Europa – Oben Leerlauf, unten Pläne – jetzt # 74

Leerlauf oben bei den bekannten Verdächtigen, frohgemutes Pläneschmieden bei den noch unbekannten Weltbürgern unten

Erstmals könnte es klappen mit dem Zusammenwachsen der gleichgesinnten Weltbürger. Denn die sogenannten Profis in ihren hermetisch abgeschotteten Konferenzrunden fällt nichts mehr ein – in Sachen Klimawandel, in Sachen Umweltverschmutzung, in Sachen sozialer Schieflagen, in Sachen Bildung für die Abgehängten und und und…und in Sachen stimmigem WIR-Gefühl in den altehrwürdigen Regionen allüberall. Keiner glaubt mehr an die Versprechungstiraden der Volksvertreter, keiner hört mehr auf die hohlen Ankündigungen der wieder gewählten Abgeordneten, keiner redet mehr mit den professionellen Politikern, genauso wenig wie mit den Managern oder leitenden Bankangestellten.

Schon nach dem Ende des zweiten Weltkrieges brodelte es in vielen Nationen: Man wollte den Egoismus und die Gewaltbereitschaft der Nationen endlich hinter sich lassen. Die Millionen von Toten waren in fast jeder Familie der Beweis für die unmenschliche Botschaft, die solche Nationen im Namen des Volkes erfunden hatten. Regionalismus, Mondialismus, Weltbürgertum waren die Stichworte, mit denen mutigen Männer und Frauen eine neues Zeitalter ausrufen wollten. Namen wir Gandhi, Hammarskjöld, oder Garry Davis – den meisten heutzutage völlig unbekannt – stehen für solche humanen Konzepte jenseits des Nationalstaats und Kriegsbündnisse von Nationen. Aber auch deren Visionen waren nicht neu: Schon in der Antike gab es Denker, die wie Vorreiter solcher Ideen ähnlich dachten und schrieben – Zenon, Diogenes von Sinope, Lukrez; aber auch sie höchstens einem kleinen Kreis von Kennern bekannt, nicht aber dem Weltbürger von heute. Immer geht es um die für den einzelnen und die vielen überschaubaren Lebens- und Gestaltungsraum, in dem man sich auskennt, in dem man die anderen kennt, ihre Sprache, ihre Sitten, ihre Gebräuche, ihren Glauben.

Auch Kants Schrift ZUM EWIGEN FRIEDEN kann unter diesem Gedanken gelesen und gedeutet werden: Eine friedliche Welt kann nur eine Welt von Weltbürgern sein und nicht eine von miteinander konkurrierenden Nationen, die ihre jeweiligen Bürger anstacheln, sich gegen die anderen zu wappnen, sie zu dominieren, gegebenenfalls sie mit Krieg zu überziehen, wenn sie den selbsternannten Hegemon nicht akzeptieren wollen.

Und in den letzten siebzig Jahren gibt es bereits Vorreiter, die in das gleiche Horn blasen: Zum Beispiel Albert Camus, André Breton, Abbé Henri Pierre und zur Zeit u.a. Ulrike Guérot in Österreich. Ihre Bücher und Texte und Vorträge bieten einen wohltuenden Reichtum an neuen Ideen zum Thema Regionalismus und Weltbürgertum. Sie schlägt – nur so als kleine Anregung – vor, statt der 28 Staaten der EU Europa in 50 bis 60 Regionen, die als solche ja schon bestehen, einzuteilen, die mittels der Wolke pausenlos miteinander vernetzt sein könnten, ohne einem anonymen Zentrum hilflos und ohnmächtig preisgegeben zu sein.

Die Nation ist viel zu abstrakt, zu allgemein, als dass sich der einzelne darin beheimatet fühlen kann. So sucht er sich immer wieder Surrogate bleibt aber unzufrieden, unsicher oder privatisiert, wenn er es sich leisten kann. Aber eine Gemeinschaft ist es nicht, eine solche Nation. Der einzige gemeinsame Nenner scheint ein Gefühl von Ungerechtigkeit und Benachteiligung zu sein. Nur über die Angst kann daher die Nation die vielen domestizieren, drillen, konditionieren.

Nun ist zwar kein Krieg in Europa zu beklagen – zum Glück – aber der Krieg gegen die Natur, den Planeten und gegen die Gesundheit nimmt aberwitzige Formen an, die den Bürger so verdrossen machen, dass er offen ist für jede Botschaft, die in diesen Feldern verspricht Abhilfe zu schaffen. Von dem Umgang mit den vielen Menschen, die zu den Europäern geflohen sind und weiter fliehen, ganz zu schweigen.

Der Weltgeist flüstert es dieser Tage schon unüberhörbar jedem, der es hören will, ins Ohr:

Nutzt die Gunst der Stunde!

Die Zeit der großen Strukturen ist endgültig vorüber. Nato, Warschauer Pakt, Ost-West- Konflikt, Die Eine-Welt-Show, EU, OECD, OPEC und und und…

Die allermeisten Medien sammeln weiter die Brosamen ein, die von den Tischen der internationalen und nationalen Ministerrunde gezielt fallen gelassen werden, als hätten sie Antworten auf die Fragen der besorgten Weltbürger! Haben sie aber nicht. Nur neuer Wein in alten Schläuchen, sonst nichts.

05 Okt

Europa – Protest der Zwerge? Wohl kaum # 73

Protest der Zwerge?

Spontane Antwort auf einen Artikel in der ZEIT vom Tage „Protest der Zwerge“

Unser gnädiges Gedächtnis verschont uns europazentrierten Besserwisser immer wieder vor einer zu großen Anzahl von Daten aus der eigenen Geschichte – soweit sie halbwegs glaubwürdig überliefert und aufgeschrieben sind – wo werden zum Beispiel die Franzosen, die Spanier und die Engländer samt Holländer bei das Landnahme im Land der „Schildkröteninsel“ (so hieß nämlich das scheinbar namenlose und so große Land schon lange) als Zwerge beschrieben, die auf ein großes, bewohntes Land trafen, dessen Einwohner im Süden genauso wie im Norden massen haft sterben mussten – jeweils von Osten nach Westen dem Sensenmann sein Vergnügen ließen beim Sensen, Tag für Tag, Nacht für Nacht, so viele, viele Jahre lang – sie selbst willfährigste Assis dabei? Und natürlich alles im Namen Gottes, ganz gleich ob er nun katholisch oder protestantisch sein Banner über den Leichenbergen wehen lassen durfte, schön bekreuzt, wenn die Zeit es noch ermöglichte – bei dem Tempo, den diese Zwerge bei ihrem Gewaltmarsch von Ost nach West vorlegten.

Vergessen.

Dann kam „die große Zeit der großen Nationen“, die um die Vorherrschaft auf dem ganzen Planeten pokerten. Die kleinen kulturellen Gemeinschaften hatten keine Chance gegen diesen Furor. Sie duckten sich weg und gingen auf Tauchstation.

Längst vergessen.

Dann kam „die schlimme Zeit der großen Kriege“, die damals einen wahnsinnigen Blutzoll unter den eigenen Leuten forderten – ganz gleich ob nun in Korea, in Palästina, in Griechenland oder in Belgien. Die Zwergenstaaten hatten keine Chance – sowieso.

Längst vergessen?

Nicht ganz. Neuerdings werden diese vergangenen Zeiten wieder beschworen als heimatverbundene Zeit, wo man noch wusste, wohin man gehörte und der Fremde draußen vor zu bleiben hatte.

Also doch nicht vergessen?

Dann kam die Zeit der großen Bündnisse, der Nato, des Warschauer Paktes, der EWG und später der EU und der UNO…

Aber eben auch die Zeit der Sehnsüchte nach Unabhängigkeit innerhalb dieser übergroßen Systeme:

Denken wir nur an die Jurassen, die Basken, die Nordiren, die Elsässer, die „Jugoslawen“, die Slowenen, die baltischen Staaten – alles lauter „Zwerge“?

Wer ist es eigentlich, der diese Zuweisung ausspricht: ZWERGE?

Ist es ein solcher, der einfach nur gefangen bleibt in großen Bildern, weil er von dessen Macht und Herrlichkeit selber profitiert? Als Journalist, als Politiker, als…?

Was aber treibt denn die AfD-Wähler an, was die Katalanen, was die Bretonen, was die Korsen?

Könnte es nicht sein, dass die Zeit der großen Einheiten sich endgültig überlebt haben, weil die „Kosten“ – ideologisch genauso wie ökonomisch und kulturell – einfach zu hoch geworden sind? Weil für den einzelnen in den jeweiligen Regionen, in die diese großen Einheiten (sprich „NATIONEN“) ja unterteilt sind, der Überblick, die Glaubwürdigkeit und die Selbstvergewisserung abhanden gekommen sind?

Warum vergessen die Politiker einfach immer wieder die kritischen Zwischenrufe während der Wahlkampfzeit? Warum bewegen sie sich immer nur im eigenen Hall-Raum – hermetisch abgeriegelt von den lauten und leisen Anfragen der Zeitgenossen in abgehängten oder auch besonders erfolgreichen Regionen?

Und eins ihrer Sprachrohre – die Presse – fällt da nichts besseres ein, als solche Töne die von ZWERGEN zu nennen, um sie im Subtext (schön negativ konnotiert) zu erledigen als Winzlinge, über die man nur lachen kann. Was für eine dünnhäutige Komplizenschaft ist das denn?

Denn in Wahrheit sind es keine Zwerge, die sich da vom etablierten Muster angeekelt abwenden, sondern selbstbewusste Regionalisten, die wissen, was sie an sich und ihrer Gegend, ihrer Geschichte, ihrer Sprache und ihren familiären Banden haben: Selbstvergewisserung eben, Stärke, Sicherheit, Zufriedenheit, Überschaubarkeit und den Glauben, das die Menschen um sie herum ähnlich fühlen und denken wie sie. Zwerge? Wohl kaum.