26 Feb

Leseprobe zu den Fabeln von den sieben Freunden – Die kleine Fee träumt und träumt

Die kleine Fee träumt und träumt…

Waren sie eben nicht erst in der großen Oase gewesen, wo Gombral das Fliegen gelernt hatte? War Sindalf nicht eben erst los geflogen, um Gombral zu suchen? Oder war es gestern erst gewesen, dass sie den Mann im Mond besucht hatten? Nein, gestern waren sie bereits wieder zum Rückflug zur Erde gestartet, wären beinahe im All verloren gegangen, wenn der Mann im Mond ihr und ihren Freunden nicht so mutig geholfen hätte.

Aber jetzt, wo waren sie jetzt gestrandet? Alitot in seiner Weltraummontur ganz aus Glas schwankt hin und her, Blinker zappelt und zappelt auf der Stelle, als wäre Gefahr im Verzuge und Tebelchen schaut verängstigt zur ihr herüber, als wollte sie sagen: Werden wir jemals wieder festen Boden unter den Füßen haben?

Der kleinen Fee kommt das alles wie ein nur schwer deutbarer Traum vor. Halb himmelsstürmend, halb Höllenfahrt – jedenfalls atemberaubend schön und schaurig zugleich.

Kleine Fee!“ hört sie da Gombral grummeln, „sind wir hier richtig oder hat sich unser Mann im Mond verflogen mit uns?“

Wenn ich das nur selbst wüsste, geht es der kleinen Fee durch den Kopf. Die anderen Freunde schauen neugierig zu ihr hin; sie alle hängen an ihren Lippen, sie wollen natürlich etwas hören, das ihre Angst vertreibt. Denn Angst hatten und haben sie im Moment alle.

Als würde sich plötzlich das gesamte Weltall um sie drehen; sie scheint unter ihren Füßen nichts mehr zu spüren: Wir fallen, wir stürzen, schreit es durch sie hindurch. Und als sie erschrocken ausatmet, beschlägt das Glas ihres Helms so sehr, dass sie die ängstlich fragenden Augen der lieben Freunde gar nicht mehr richtig sehen kann. Gut so, redet sie sich schnell ein, sonst würden mir sicher gleich Tränen kommen. So atmet sie kräftig wieder ein und sagt dann, um die eigene Angst zu verjagen, mit fester Stimme:

Natürlich sind völlig richtig – nur noch dieser kleine Zwischenstopp, dann ist die Erde gar nicht mehr weit. Glaubt mir!“

Doch so richtig überzeugend klingt es nicht, finden ihre Freunde. Aber sie versuchen zu lächeln. Das hilft ein bisschen, wenigstens.

Jetzt sehen sie auch den Mann im Mond, wie er winkt, wie er lachend winkt. Sie sollen nur kommen. Mürnli, mein kleinmütiger Igel, schüttelt nur mit dem Kopf, ihm stehen immer noch die Stacheln zu Berge – sie kratzen schrill innen an seinem Glasweltraumanzug lang – „Das Weltall wird uns alle verschlucken, alle“, brummt er in einem fort. Aber seine Freunde wollen solche Töne gar nicht erst hören. So rufen sie wild durcheinander und gegen das Brummen von Mürnli über ihre Sprechanlagen: „Er winkt! Wir sollen kommen! Also los, los – vielleicht gibt es wieder so eine tolle Überraschungen wie nach der Mondlandung!“

Der violette Stahl – oder ist es ein Steinkörper – glänzt in Morgensonnenlicht wunderbar mild, als wäre er aus Samt und Seide – oder ist es ein Eisplanet? Solche und ähnliche Gedanken stürzen den Freunde und der kleine Fee durch die Köpfe, als sie jetzt dem Mann im Mond, der immer noch lachend winkt, entgegen schweben. Gombral, unser lieber guter Dinofant, macht dabei die weitesten Luftsprünge durch den luftleeren Raum. Als wolle er wie ein Raumschiff wieder ins All starten, so sieht es für einen Augenblick aus. Dann kommt er schwankend wieder auf die violett glänzende Oberfläche des kleinen Himmelskörpers zurück, titscht wie ein Tischtennisball aber gleich wieder hoch und wieder zurück. Sindalf, der Falke, der vom Fliegen nur träumen darf zur Zeit, scheint am Rücken des Dinofanten mit seinem kleinen Glasflugkörper fest zu kleben. Wenn er schon nicht fliegen kann, dann wenigstens mit Gombral hüpfen…

Das finden Alitot, Blinker, Tebelchen und Weichzottel so lustig, dass sie kichernd und gigelnd fast über einander purzeln. Das ist aber auch zu komisch, finden sie. Da muss auch die kleine Fee lachen. Es wird schon alles gut gehen. Sie sollten einfach dem Mann im Mond vertrauen. Er hat sie doch noch in keiner gefährlichen Situation im Stich gelassen.

22 Feb

Europa – Meditation # 84 Heimat – Text Nr. 3

Heimat? Eine Utopie? Nein, danke. Jetzt, hier bitte!

Im 19. Jahrhundert erfand mal jemand das Wort des UNBEHAUSTEN, um die mit dem Tempo der Industrialisierung voranschreitende Entfremdung des Menschen von sich selbst zu beschreiben. Das Unbehaust-Sein hat seitdem so richtig Fahrt aufgenommen: Nach zwei Weltkriegen, dem anschließenden weltweiten Konzeptes vom Overkill, dem ungebremsten Autoboom und scheinbar nicht zu befriedigendem Reisefieber sprechen manche inzwischen schon davon, die Entwurzelung des Menschen aus seinem vertrauten Lebensraum der Kindertage als Mantra unstillbaren Fernwehs und erotisierender Mobilität zu bewerben. Als wäre alles gut und schön so. Heimat werde endlich umfunktioniert in ein Konzept, das in der Zukunft zu suchen sei. Wow! Das rückwärtsgewandte Muster von Heimat sei eben doch nur Ausdruck der Mutlosigkeit der Verlierer. Dem dürfe man sich einfach nicht anbiedern. Klar. Oder? Der überkommene Individualismus-Begriff werde schon längst vom Zauberwort Singularität ersetzt. Einmalig muss alles sein – nicht nur der Haarschnitt und das Tattoo, nein auch das Selfie von den Seyschellen, der Lack des SUVs, der Internetauftritt sowieso und natürlich auch der Job, die Wohnung, der Hund, das Fahrrad, falls Frau dabei, die natürlich auch, und die Hobbys der Kinder müssen sowas von abgefahren sein, dass die gesamte Nachbarschaft vor Neid erschauert. Diese Explosion an Singularität/Einmaligkeit könne in Europa doch bereits in allen boomenden Volkswirtschaften zu erleben sein.

Hier muss nun aber wirklich eine kleine Ton- und Denkpause eingeschaltet werden…………

Wenn der billige Glitzer von diesen neuen Modewörtern einmal abgebürstet ist, bleibt glücklicherweise eine einfache Wahrheit ungeschoren: Der Ort, den man in Europa Heimat nennen kann, ist eben nicht ein Kürzel wie EU oder die Vision von einem vereinigten Europa, sondern für jeden auf diesem kleinen Kontinent ein überschaubarer Raum, für dessen Erkundung kein Flugzeug und auch kein Auto nötig ist, wohl aber der Handballverein aus Kindertagen, der immer noch in einer schäbigen Turnhalle spielt oder die gemeinsame Sprache, in der man die ersten Liebesabenteuer betuschelte oder der gemeinsame Raum für Büdchenbauten im kleinen Birkenwald, vom ollen Friseur oder dem dicken Bäcker ganz zu schweigen. Angeln am Fluss mit den besten Freunden, jahrelang und dann die hochnäsigen Verwandten aus der nächsten Stadt. Das ist der Rahmen, in dem das Vertrauen in die Welt und die eigenen Pläne entsteht.

„Und übrigens sind wir der Meinung, dass Europa erst noch geboren werden muss.“

Diese Botschaft der Zuversicht wächst aus der Kraft der Erinnerung, die in jene Zeit zurückreicht, in der Zuversicht zur Grundausstattung des täglichen Palavers in der Stammkneipe oder im Tanzkurs gehörte in so vielen Ländern Europas. Man verstand sich, versteht sich. Dieses Gefühl zu bewahren ist ein Wunsch, den jeder zurecht in sich hegt und pflegt – europaweit. Seyschellen oder Börse Schanghai kommen darin beileibe nicht vor. EU übrigens auch nicht. Wozu auch?

20 Feb

Europa – Meditation # 83 Heimat – Text Nr. 2

„Übrigens sind wir der Meinung, dass Europa erst noch geboren werden muss“

Eine Botschaft der Zuversicht

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“

Von den Gefahren, die dem sogenannten westlichen Modell ins Haus stehen, reden zur Zeit landauf, landab nicht wenige: dem europäischen Fortschrittsgedanken der Aufklärung seien die Inhalte abhanden gekommen – Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit – einst die strahlenden Fixpunkte politischer Gemeinschaftskonzepte seien in einer materiellen Sackgasse verkommen. Übrig geblieben sei lediglich die Gier nach mehr, gepaart von einer beinharten Selbstbezogenheit – in seiner unverblümtesten Variante gerade in Übersee im Bild der Wiedergeburt eitelster Eigenliebe zu bestaunen.

So etwas wie Verbindlichkeit oder gar Verlässlichkeit könne man sich nachhaltig abschminken. Die einst stolzen Demokratien verkauften ihre Kernaufgaben an private Betreiber, die außer Gesundschrumpfen und der Privatisierung der Gewinne kein sozialverträgliches Konzept anzubieten haben. Die wirklich wichtigen Aufgaben – wie Altenpflege, solide Bildung der nachwachsenden Generationen, Ausbau des Schienennetzes und Umschalten auf alternative Energiegewinnung – unterliegen einem rigiden Sparmuster, das höchstens für die totale Digitalisierung eine Ausnahme macht.

Und die Regierungen in Europa? Sie kopieren dieses inhaltsleere Geldverteilungsmuster fast auf dem gesamten Kontinent. Zumindest die meisten von ihnen hielten das bisher für das richtige Muster. So wurden sich Regierungen und Regierte immer fremder. Die Herrschaft des Volkes war den gewählten Vertretern aus dem Blick geraten. Da ist Gefahr im Verzuge.

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Und es kommt nicht von außen, nicht von Übersee, nicht von den Banken, nicht von den alten Parteien. Es kommt aus dem gesunden Menschenverstand der Betroffenen: Dann müssen wir es eben selbst in die Hand nehmen. Sind unsere Sorgen nicht alle gleich, genauso wie unsere Zukunftswünsche? Wollen wir uns nicht alle befreien aus den sogenannten Sachzwängen, in dem wir sie da anpacken, wo wir sie zu greifen bekommen? Freiwillig werden wir uns dem Gemeinwohl zuwenden, denn Lebenszeit in apps zu versenken, tut nicht nur nicht gut, es schafft weder Nähe noch Zufriedenheit, nur krankmachende Schlaflosigkeit und wachsende Apathie. In überschaubaren Regionen, unter verwandten Gleichgesinnten, die Lust bekommen, eigenständig vor Ort die maroden Verhältnisse in kleinen Schritten umzuwandeln in vertraute, weil eigene Muster. Das dauert zwar, hat auch nichts Spektakuläres, ist aber nachvollziehbar und ausbaufähig.

Wie Geburtswehen eines Kontinents, der erst noch gebären muss. Europa – ein Geschöpf derer, die nichts weniger gut finden als alles, was sich wie MEGA anbiedert. Die großen Parteien zum Beispiel, die großen Banken, die großen Versicherungen, die großen Konzerne.

Und die Menschen? Sie wollen nicht länger berieselt werden mit lauwarmen Sprüchen von langem Atem und Sachzwängen und komplexen Problemen. Sie wenden sich ab. Zurecht.