19 Feb

Europa – Meditation # 82 Nachdenken über das Wort H e i m a t

H e i m a t  –  ein allmähliche Annäherung an ein scheinbar vertrautes Wort       Nr. 1

Mit der zweiundachtzigsten Nummer  der Überlegungen zum Thema Europa beginnt nun das Nachdenken über das überstrapazierte und für alles Mögliche instrumentalisierte Wort H E I M A T

Heimat – was ist das denn? Echt, wirklich!

Das hohe Tempo des medialen und ökonomischen Alltags – natürlich in globalem Maßstab – kann und will eigentlich keiner mithalten (zu wenig Schlaf, zu wüste Träume – es sei denn, man schreibt den eigenen Albtraum kurz um zu einem kolossalen Bildertsunami, den man bis dahin selbst noch nie so gesehen hatte – , zu schlechte Verdauung, zu schnell vergessene Telefonate mit wem auch immer)…

Doch darf man es nicht laut sagen, denn sonst wird man gleich an den Pranger gestellt: Man sei wohl einer von gestern, man habe wohl den Schuss nicht gehört, man sei wohl ein provinzieller Kleingeist, ein Angsthase wohl auch oder vor allem sogar!

Und wer möchte schon als ein solcher dastehen?

Wie komme ich denn überhaupt auf so komische Gedanken? Reinste Verschwendung und lächerlichstes Fremdschämen oder was?

Denn auch der Glanz in den Augen junger Frauen scheint stetig zuzunehmen, wenn jemand von sich sagen kann, er sei voll mobil und global heftig vernetzt und super gut drauf – heute in Südafrika, morgen in Seoul und – du wirst es nicht glauben – übermorgen in Anchorage. Wow!

Das feine Flackern in den Augen des Sprechers sieht allerdings weder die Beeindruckte noch der Egomane selbst. Wie auch! Da war man längst schon beim nächsten Thema, beim nächsten Blick, beim nächsten Klick.

Ich auch – sagt da die selbstbewusste, die gar nicht wirklich Beeindruckte – ich bin schon längst wieder zurück (kleine Liste gefällig? OK: Da wäre einmal Paris, dann La Paz, dann ein Symposion in Manila, eine Mediation in Kyoto -liegt ja gleich nebenan – eine Bergtour mit Sherpa zum K 2 und…hörst du mir eigentlich überhaupt zu? In meinem Loft hier in Berlin mache ich gerade nur einen kleinen Zwischenhalt für ein Personalgespräch – falle gerade die Leiter hoch, wenn du weißt, was ich meine. Ein start-up der geilsten Sonderklasse, echt…

Der plötzliche Schwindel, der sie einfach so von der Seite und aus heiterstem Himmel kurz anfällt, ist schon wieder vorbei, bevor er überhaupt ernst genommen werden musste. Vielleicht ist es ja auch nur der Anflug des Rausches, der sie bald unbedingt befallen muss, wenn sie denen sagt, was für Gehaltsvorstellungen sie hat.

Jede Nummer ab jetzt nur noch ganz kurz und knackig, damit der innere Schweinehund auch ja sagt zum Lesen der dreißig Zeilen!

14 Feb

Leseprobe zum Roman – Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück – Blatt # 78

Blatt # 78      Heimlicher Kriegsrat in der Villa Marcellina

Während in Lutetia längst beschlossen ist, die Villa Marcellina im kommenden Frühjahr von Pippin und seinen Mannen im Namen Christi zur Hölle zu schicken, kommen dort an dem Tag, an dem Bischof Arnulf Pippin ein Angebot macht, das dieser nicht ablehnen kann, drei Senatoren zusammen, um gemeinsam zu beraten, wie sie sich gegen zunehmende Willkür der Frankenkönige zur Wehr setzen könnten.

Julian hat für seinen Vater und die beiden Gäste in der Bibliothek ordentlich heizen lassen. Philippus, sein Lehrer, wollte eigentlich weiter mit ihm in Lukrez‘ De Rerum Natura lesen, aber den beiden war klar, dass dieses Treffen jetzt wichtiger war.

Da sitzen sie nun, die drei ehrwürdigen Herrn, eher ratlos und sehr besorgt. Die Ruhe im Lande ist lediglich dem Winter gezollt und nicht einem wirklichen Frieden zwischen den alten Eliten und den Emporkömmlingen aus Lutetia. Das ist ihnen völlig klar. Aber was können sie tun? Zu oft schon wurden Verträge gebrochen, zu oft schon Recht gebeugt. Marcellus legt gerade seine Sicht der Dinge dar:

„Freunde, Verlass ist nur noch unter uns dreien sicher. Die neuen Herren und ihre neuen Priester schauen verächtlich auf uns und unsere Villen und Ländereien. Unsere Götter scheinen uns zu zürnen, der alte Prokunsul in Arelatum wird uns keine Legionäre schicken.“

„Ist er nicht schon tot?“ fragt Barbinius Clarus in die Runde. Gajus Antoninus und Marcellus ziehen nur die Schultern hoch. Sie wissen es nicht. Warum sollen sie sich auch mit schlechten Nachrichten aus der Hauptstadt der Provinz beschäftigen? Wenn überhaupt, dann können sie sich nur noch selbst helfen. Und da die Ernte auf ihren Feldern im Herbst gut gewesen war und sie bestens verkaufen konnten – an Römer wie Franken – haben sich ihre Geldmittel unerwartet vermehrt.

„Wir sollten vielleicht unsere Sklaven im Bogenschießen unterrichten“, beginnt Marcellus. Seine beiden Gäste nicken – wenn auch erstaunt. Auch Julianus und Philippus, die stumm im Hintergrund des Lesesaals zuhören, sind überrascht. Für einen Augenblick träumt er davon, dass sie alle mit der Freiheit belohnt werden. Da meldet sich Gajus Antoninus zu Wort:

„Und geheime Waffenlager sollten wir umgehend einrichten und die Mauern erhöhen und verbreitern.“

„Da stimme ich dir zu, Gajus, aber dafür benötigen wir Jahre.“

„Und wie wäre es mit einer List?“ fragt Barbinius schmunzelnd.

Julianus horcht auf: Was könnte das für eine List sein? Verschwörerisch stecken die drei alten Senatoren die Köpfe zusammen, und ihr Gespräch, das sie nun ganz leise zu führen beginnen, sollte während des Winters noch große und überraschende Veränderungen ins Werk setzen.

05 Feb

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 58

Wütender Widerstand alter Männer will Europa vernichten

Gleichmütiger Wellenschlag weit unten am Strand. Mondhelle Nacht über dem Königspalast. Ein Käuzchen ruft von schwankendem Ausguck auf der alten Zeder: Gefahr, Gefahr! Oder meint es: Sieg, Sieg!? In den Ohren von Europa klingt es wie: Sei vorsichtig, sei vorsichtig!. Aber im kleinen Ratssaal – gar nicht weit vom hochgewölbten Schlafgemach des Minos – braut sich gleichzeitig eine üppige Wutwolke zusammen: Die stillen Gegner von Archaikos wittern ihre Stunde. Denn wenn er sich einlässt auf diese bedrohliche fremde Frau, dann werden sie ihn zu Fall bringen. Flüsternd bereden sie finstere Anschläge. Ihre Spione wollen gesehen haben, dass die fremde Frau heimlich Zugang zum Minos erhielt. Die Augenbrauen tief herabgezogen zischen sie sich gegenseitig ihren Zorn auf den Minos zu: Er muss weg. Er ist ein Verräter. Die Götter werden ihn strafen – durch sie, die treuen Herren auf Kreta, die alles Fremde von der stolzen Insel treiben werden. Sie muss ihn mit einem bösen Dämon verführt haben. Beifälliges Nicken, Murren und Knurren. Ist der Schrei des Käuzchens nicht ein Zeichen der Götter? Das Signal zum Töten? Aber sie muss vorher gefoltert werden. Die Strafe für ihre Anmaßung soll lange und herzzerreißend sein. In den Augen der alten Ratsherren blitzt rachsüchtiges Lichtflackern auf. Sie werden es genießen – armseliges Sterben einer schreienden Frau!

Archaikos ist vor Erschöpfung und Befriedigung in traumlosen Schlaf gesunken. Europa schaut ihn voller Wohlgefallen an: Ein Mann, der ihr bei weitem besser gefällt als der Fremde, der sie von ihrer Heimat hierher gebracht hat. Vorsichtig streichelt sie die schweißnasse Haut des Schläfers. Ihr Kind wird einen mächtigen Beschützer als Vater haben. Und wenn die Männer erst den neuen Tanz der Priesterinnen gesehen haben werden, werden Lebensfreude und Lust allen Kretern wie ein endloses Fest der Sinne scheinen. Sie lächelt siegessicher. Aber auch sie hört die Schreie des Käuzchens und hält inne: Sei vorsichtig, sei vorsichtig, raunt sie sich selber zu. Der Weg zu deinem Ziel wird eher dornig sein als marmorglatt und glänzend. Sei vorsichtig!

Dann hebt das Käuzchen ab, steigt auf in den endlosen Nachthimmel und ist kurz ganz vom Mond umgeben: Ein schönes Bild. Wer aber sieht es? Und was könnte es bedeuten?