24 Jan

YRRLANTH – ROMAN – Leseprobe Blatt 88

                      Pippa und Pippin wolllen es wissen

Während der Bischof sich von seinen zwei Nymphen weiter verwöhnen lässt, treffen sich Pippa und Pippin völlig verfroren und durchnässt ganz in der Nähe am ehemaligen Eingang zum Amphitheater. Pippin will ihr heute alles gestehen, will sie aber auch besitzen. Wie soll er das nur anstellen? Als sie im Dunkeln nun wortlos voreinander stehen, möchte er sie gleich umarmen, sie küssen. Sie aber nimmt kurz entschlossen seinen Arm und läuft los, als könnte sie es gar nicht erwarten, seine Körperwärme endlich wieder zu spüren. Wo läuft sie denn hin, fragt sich Pippin enttäuscht.

Hey, wir müssen da den Gang lang, den kenn ich genau“, flüstert er ihr zu. Sie schüttelt nur den Kopf und läuft wild entschlossen weiter. Das verblüfft ihn noch mehr. Woher kennt sie dieses Gewirr von unterirdischen Gängen? Und warum grinst sie so? Was hat sie vor? Er hat sich doch für heute hier die Nische ausgesucht, wo sie sich lustvoll vergnügen können – ungestört und von den warmen Dämpfen des warmen Wassers verwöhnt. Er kann kaum Schritt halten, so forsch läuft sie durch die düsteren Gänge und Gewölbe. Manchmal sehen sie in der Ferne ein Licht flackern, hören von weit her ein Lachen, aber Pippa stürmt weiter. Dann bleibt sie abrupt stehen. Ihr Atem geht schnell. Mit einer Hand gibt sie Pippin zu verstehen, still zu sein. Jetzt wird ihm auch klar, was sich verändert hat: Ein starker Kräuterduft liegt in der Luft. Wo führt sie ihn denn nur hin? Langsam macht sie die nächsten Schritte, Pippin stolpert völlig verwirrt hinter ihr her. Wo wird das enden?

Da öffnet sich vor ihnen der niedrige Gang in einen kleinen Kuppelraum. Lichter, kleine Öllämpchen vielleicht, scheinen in Vertiefungen im Mauerwerk zu glimmen, irgendein Ton schwirrt durch den leeren Raum. Fledermäuse huschen oben im Gewölbe hin und her. Pippa verneigt sich leicht, aber vor wem? Pippin beugt sich vorsichtig vor, um an ihrer Schulter vorbei zu schauen. Dann sieht er sie auch. Schmutzige Strähnen hängen ihr ins Gesicht, der uralten Frau, die aus kleinen Augen ihnen entgegen starrt. Mit einem Finger der linken Hand winkt sie den beiden näher zu kommen. Irgendetwas scheint sie zu summen. Dabei wiegt sie sich mit ihrem Körper langsam vor und zurück.

Sie ist die Tochter eines Druiden, der schon lange vor ihr Hilfesuchende hier beraten hat“, sagt Pippa leise. „Sie ist sehr bekannt im Königreich und auch darüber hinaus. Wusstest du das nicht?“

Pippin schüttelt nur den Kopf. Was sollen sie denn bei so einer jetzt? Er wüsste die Zeit wirklich lustiger zu verbringen, als sich weise Sprüche anzuhören, denkt er trotzig. Das ganze gefällt ihm nicht. Er wollte bestimmen, was sie im Amphitheater machen. Jetzt soll er einer uralten Frau zuhören. Wut kocht in ihm hoch. Bilder vom Gemetzel im Mithras-Keller kommen ihm dazwischen, höhnisches Gelächter des Bischofs mischt sich darunter. Am liebsten würde er einfach nur davon laufen. Stattdessen geht er jetzt wie Pippa vor ihm in die Knie, verneigt sich sogar vor der Alten und staunt über das, was diese hässliche, fremde Alte nun zu ihnen spricht.

22 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 76

Die Attentäter verpassen ihr Attentat

Thortys und Nemetos – immer noch völlig erregt von dem verführerischen Bild, das sich vor ihren Augen gerade abspielt – werden brutal aus ihrer Gier hinaus gezerrt, als die zuschauenden Frauen, aber auch die atemlosen jungen Priesterinnen nun laut klatschen und zu jubeln beginnen. Chandaraissa und Europa freuen sich gerne mit. Ihr angekündigter Festbeitrag kommt gut voran, denken die beiden. Archaikos wird Augen machen. Das wird ein Fest!

Die Nachmittagssonne hüllt das Schauspiel, das da gerade im großen Tempel der großen Göttin zu Ende geht, in warmes, weiches Licht. Die beiden Männer stehen da mit offenem Mund und erregten Gliedern. Fassungslos. Da fällt ihnen wieder ihr Auftrag ein. Sie sehen gerade noch, wie diese Europa, diese gefährliche Fremde, mit der Hohenpriesterin im Tempelinneren verschwindet. Die sollte jetzt in ihrem Blut liegen.

Mist!“ zischt Nemetos wütend. Thortys nickt missmutig.

Warum haben wir es nicht getan?“ flüstert er und sucht mit der freien Hand den Dolch unterm Gewande. Die andere Hand stützt ihn an der dicken Säule ab. Gleichzeitig gehen den beiden üble Gedanken durch den Kopf: Sardonios, ihr Herr und Auftraggeber, wird toben. Nein, er wird nicht nur toben, er wird strafen. Und wie! Als sich die beiden nun erschrocken anschauen, sehen sie die Angst in den Augen des anderen überdeutlich. Sie wissen, dass es keine Ausreden geben kann. Sie sind erledigt.

Da kommen Sarsa und Belursa – noch ganz außer Atem und in ihren bunten, wehenden Tüchern – auf sie zugelaufen. Sie wundern sich. Warum sind ihre Männer überhaupt hier? Woher wussten sie von dieser Tanzprobe?

Hat es euch gefallen?“ fragt Belursa schnippisch und immer noch schnaufend – so sehr hat der Tanz sie angestrengt.

Klar, klar – wir, äh, also, das sah richtig gut aus, stimmt´s?“

Ja, seh ich auch so, genau“, plappert Thortys hinterher und muss dabei die ganze Zeit auf ihre Brüste schauen, die sich unter den durchsichtigen Stoffen heben und senken. Die beiden Frauen können ein Lachen kaum unterdrücken.

Was macht ihr denn eigentlich hier, ihr beiden? Habt ihr nicht Dienst im Palast?“

Nemetos fühlt sich völlig überfordert mit dieser Frage. Er hatte ja gar keine Zeit, sich eine kluge Ausrede auszudenken. Hilfesuchend blinzelt er zu seinem Kumpel rüber. Der guckt aber auch nicht besser aus seinem schmutzigen Hemd. Sarsa und Belursa warten ungeduldig auf Antwort, aber da kommt keine.

Habt ihr die Sprache verloren?“ bohrt Sarsa nach.

Nein, nein, wieso denn? Wir…wir hatten gerade eine Freistunde, da dachten wir, wir schauen einfach mal, was unsere Frauen so machen…“

Nemetos ist mächtig stolz, dass ihm solch ein kluger Satz kam.