26 Mrz

Europa – Meditation # 139

Europa – Neue Lage – Betrugsansage

Wieder und wieder wird in diesen Tagen das Gesellschaftsmodell „Herrschaft des Volkes“ in seiner repräsentativen Variante beschworen. Teilhabe sei die Zauberformel, Interessensausgleich, Dialog…

Aber scheinbar zieht das bei vielen nicht mehr wirklich. Sie fühlen sich betrogen und sehen, dass die sich vollmundig weiter Bereichernden mit Hilfe von großem Betrug große Geschäfte machen. Ungestraft. Teilhabe? Der Kuchen ist längst verteilt, den vielen bleiben nur viele Krümel.

Das kühle Nachdenken ist das eine, das wütende Aufbegehren das andere. Ob nun in gelben Westen oder in schwarzem Leder, dazwischen reihen sich auch ganz unscheinbare Zeitgenossen ein. Sie haben einfach genug von dem Demokratie-Modell-Gesülze. Sie werden nicht genug Rente haben, wenn sie dran sind – die Mieten tun, was sie sollen: Steigen, damit die Eigentümer noch reicher werden.

Wo ist da der Interessensausgleich?

Die einzige in dieser Republik, die gebetsmühlenartig die zu kurz Gekommenen im Blick hatte und dafür ordentlich medial abgestraft wurde, meldet sich nun krank. Und was beweist das? Dass sie falsch lag, dass der Kapitalismus sehr wohl eine soziale Marktwirtschaft erzeugen könne? Wohl kaum.

Scheinbar hat weder in der Neuen Welt noch in der Alten der Tellerwäschermythos für die allermeisten funktioniert. Man will sich einfach nicht länger über den Versöhnungstisch ziehen lassen. Und was den Betrug betrifft, so führen die Amis doch gerade anschaulich vor, dass Steuererklärungen nur etwas für kleine Leute sind und Nobel-Universitäten nötigenfalls auch bestochen werden können, damit die eigene, reiche Brut weiter brüten kann.

Aber wir Europäer müssen beim Nachdenken wirklich nicht die amerikanische Variante vor Augen haben, zu augenfällig ist die hausgemachte Verlogenheit in Politik (siehe Brexit – Referendum) oder Wirtschaft (siehe Cum-Ex-Steuerbetrüger ganz großen Stils), die Parteien haben sich längst den Lobbyisten angedient, Mieten, Renten…Korrupte Eliten landauf, landab. Es ist einfach zu offensichtlich, dass nur noch Nebelkerzen geworfen werden, statt der grenzenlosen Gier entschieden entgegenzutreten. Die EU vermochte auch nur die großen Industrien und die großen Infrastrukturprojekte zu fördern, die jungen Leute, Arbeiter, Studenten, Auszubildende sehen kaum mehr Land für ihre Zukunft.

So nennen sie zurecht die großen Betrüger im Bankwesen das, was sie sind: Miese Lügner und Betrüger, die sich reiche und teure Anwälte leisten können, mit denen sie jeden Prozess bis zum Sankt Nimmerleinstag strecken können. Mal sehen, wer den längeren Atem hat, scheinen sie zynisch grinsend zu provozieren.

Das macht wütend. Die Herrschenden haben ihren Kredit verwirkt. Dass viele der Wütenden dabei in selbstzerstörerische Muster fallen, ist nur ein weiteres Indiz dafür, wie hemmungslos das Gesellschaftsspiel gespielt wird.

26 Mrz

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 78

Auf der Flucht vor Menschen und Göttern

Nemetos hastet über Stock und Stein, hechelnd hinterher sein Freund aus guten Tagen, Thortys. Die Angst steckt beiden in den Knochen. Die untergehende Sonne scheint sie von Westen her rot und hämisch zu begrüßen. Kommt nur, ihr zwei Schlaumeier, in Hesperien werdet ihre goldene Äpfel finden. In ihren Ohren klingt es wie purer Hohn. Ob sie jemals so weit kommen werden? Und nur nicht umdrehen! Der Herr der Zahlen und Namen hat bestimmt schon erfahren, wie jämmerlich sie versagt haben. Sicher schickt er schon seine Häscher los, sicher.

Jetzt lass dich nicht so hängen, wir müssen schneller machen!“ ruft Nemetos keuschend nach hinten. Thortys im Wechselbad von Wut, Angst und Selbstbetrügereien hält dagegen:

Weißt du denn überhaupt, wie wir da hin kommen, zu deinem Schafonkel?“

Nemetos traut seinen Ohren nicht. Macht der Witze, will der wieder alles besser wissen? Ob sie einen brauchbaren Schlafplatz finden werden?

Oben im Olymp sitzt Zeus, der zornige Obergott, alleine auf seinem Flies und legt sich gedankenschwer neue Rachepläne zurecht. Denn seine Idee, zum Frühlingsfest die Tanzfeier der Priesterinnen zu stören, um Europa doch noch so richtig zu schaden – dieser undankbaren Prinzessin – scheint ihm immer wieder als zu schwach, als zu wenig vernichtend, wenn auch seine zwei Brüder lauthals zugestimmt hatten. Hatten sie das überhaupt? Zeus hat es schon vergessen. Ist ja auch egal. Als er jetzt die beiden erfolglosen Attentäter über das Hochland seiner Lieblingsinsel laufen sieht, kommen ihm gleich neue Ideen für einen vielleicht erfolgreicheren Plan, Europa aus dem Weg zu räumen und alle Frauen für immer zu bestrafen für diese Kränkung, die ihm von Europa angetan wurde: Warum nicht diese beiden Angsthasen dazu benutzen? Gute Idee, denkt Zeus, selbstzufrieden. Sollte er seine Brüder miteinbeziehen? Da erlöst ihn ein gnädiger Mittagsschlaf von seinen quälenden Gedanken. Und schon echot sein Schnarchen durch den hellhörigen Olymp.

Keine Höhle, nirgends. Zu blöd aber auch. Nemetos und Thortys sind nicht nur müde vom Laufen, sie haben auch Hunger. Schließlich geben sie die Suche nach einem sicheren Schlafplatz auf, legen sich einfach hinter einen klobigen Felsbrocken und schlafen sofort ein.

Im Palast hat sich Sardonios, der Herr der Zahlen und Namen, auch schon einen feinen Plan ausgedacht, wie der zufällige Unfall seiner beiden Gefolgsleute, Nemetos und Thortys, bewerkstelligt werden könnte. Ihre beiden Frauen, Sarsa und Belursa, wird er als Werkzeuge benutzen. So wird niemals auch nur der leiseste Verdacht auf ihn zurückfallen können. Jetzt wartet er auf die beiden Priesterinnen, um sie in seinen Mordplan einzubauen. Die Ahnungslosen. Sardonios strotzt wieder vor Selbstvertrauen. Und wieder steigt ihm seine Macht zu Kopfe. Ein berauschendes Gefühl. Ein Genuss, lustvoll ohne Ende.

24 Mrz

Europa – Meditation # 138

Die schön gewachsene Einheit einer wunderbaren Vielheit

Europa ist nichts anderes als das, was auch an zahllosen anderen Plätzen dieses kleinen Planeten seit langem schon geschieht: Verwandte Menschen, verwandt im Geiste auch, die sich immer wieder die gleichen Geschichten über ihre Vorfahren erzählen, die Bilder dazu erfinden und weiter geben, die im Gespräch mit der mächtigen Natur viel schon gelernt haben, aber doch immer wissen, dass  s i e  die Herrin ist und die Erdlinge nur die Gäste. Die oft auch mit Gewalt gegen Fremde oder scheinbar nicht vertrauenswürdige Nachbarn ankämpfen, als wäre nicht Platz genug für alle da und auch für alle Deutungen des Lebens und des Sterbens nicht.

Doch immer wieder kommen sie zurück auf den Boden der einfachen Botschaften von Glück und Unglück. Da ist keine Sicherheit und auch kein Königsweg, da sind nur schmale oder breite Pfade und phantasievolle Geschichten über die scheinbar richtigen und falschen Wege. Und immer wieder werden sie überrascht von neuen Deutungen, von alten Katastrophen, die einfach wieder auftauchen, als wäre das Vergangene auch vergangen und die alten Wahrheiten unüberholbar.

Die Zeitgenossen halten ihr Narrativ für richtig – schließlich leben sie ja danach – ihre Vorgänger hatten es eben nur zu vorläufigen Gewissheiten gebracht. Und diejenigen, die auf eine ganz neue Zukunft schwören, werden verlacht, weil sie sie nicht konkret benennen können, sondern nur im Vagen schwelgen. Und wer will da schon mitkommen?

So erfanden die schlauen Erdlinge griffige Begriffe für das Vergangene, bastelten feste Schubladen dafür, in die sie das wortreich Verpackte zwängten. Es kann sich ja sowieso nicht wehren, die Wortgeber sind immer die Gegenwärtigen, die nach hinten wie nach vorn die Zeiten ordentlich im eigenen Bild vertauen, damit alles schön zusammengezurrt verharrt.

Am meisten hilft ihnen aber die eigene Vergesslichkeit.

Die vor siebzig Jahren Geborenen kannten als Kinder und junge Menschen nichts anderes als den sogenannten Ost-West-Konflikt, den Kalten Krieg. Wie in Stein gemeißelt waren Zeit und Orte vermessen. Dann war es plötzlich alles nicht mehr wahr. Ein neues Weltbild wird flugs erfunden. So blieb es einem auch erspart, über die eigenen Irrtümer nachzudenken. Wie schön. Unser Gedächtnis sagte leise danke. Dann ist die Rede weltweit von der globalisierten Welt, ein sehr verführerischer Terminus Technikus, denn er soll helfen, die Vielheit der Völker, Bilder, Religionen alle in ein kleines Dorf zu holen, für jeden jederzeit betretbar, verstehbar, weil scheinbar verfügbar.

Dabei wäre es doch viel einfacher, die schön gewachsene Vielheit landauf, landab das sein zu lassen, was sie ist: Vielheit, grenzenlose, jeweils für ein kurzes Leben erlebbar. Wunderbar. Befremdlich bleibt sie sowieso.