05 Jun

In der heißen Savanne von Jonathanien – Fabel # 19 (Leseprobe)

In der heißen Savanne von Jonathanien

Unsere Freunde – Schorwoch, der alte Panther, Schnauberboss, das gemütliche Riesennashorn, Thói, der rotweiße Feuerwehrsalamander, die kleine Fee von der Blumenauge und natürlich die Hauptperson: Wíschpu, der kleine Bär – halten den Atem an. Jedem fahren in diesem Augenblick die unglaublichsten Gedanken durch den Kopf – außer Wíschpu, der hat gerade das Gefühl, als sei sein Kopf völlig leer, hohl. Ein langer dröhnender Ton scheint in ihm zu beben. Seine Hände zittern, als jetzt der Zeigefinger seiner rechten Hand am Abzug des Vorderlader-Büchsen-Ungeheuers zieht. Thói würde gerne noch etwas zur Gefahr eines Feuers sagen, wenn aus dem Schieß-Trumm jetzt die Funken stieben werden. Aber er kommt nicht mehr dazu.

Ein ohrenbetäubender Knall bringt die heiße Luft der Savanne fast zum zerreißen. Funken stieben, Wíschpu haut es beim Rückschlag knallhart vom Rücken des alten Panthers, der vor Schreck auch noch in die Knie geht. Selbst Schnauberboss weicht erschrocken zur Seite, als wenn eine Elefantenherde ihn angreifen würde. Und dann schlägt die Bleikugel auch schon krachend in der Rinde des Affenbrotbaums ein. Gleichzeitig donnert das Holzgestell zu Boden und das Vorderlader-Büchsen-Ungeheuer zerbricht beim Aufprall im trockenen Gras in mehrere Teile. Rauch steigt aus dem heißen Rohr auf. Wíschpu wagt gar nicht hinzuschauen, außerdem hat es ihn so heftig auf den Hintern gehauen, dass er sich vor Schmerz krümmt und stöhnt.

Die kleine Fee, die sich die Ohren zu gehalten und die Augen zusammen gekniffen hatte, zählt heimlich bis zehn. Denn sie ist sich völlig sicher, dass jetzt, obwohl der Krach vorbei ist, bestimmt etwas Unvorhergesehenes geschehen wird. Hoffentlich ist niemandem unserer Freunde etwas zugestoßen, denkt sie noch, als sie die Augen wieder öffnet. Auch die anderen sind sprachlos – nach dem ersten Schock: Aus dem riesigen Affenbrotbaum fliegt nämlich jetzt in großem Tamtam und Rauschen eine Schar von grüngelben Papageien auf und sausen in großem Bogen um unsere Freunde herum. Wie im Tiefflug kommen sie jetzt in dreifacher Formation angesaust, schreien schrill und laut, als wollten sie böse sagen: He, ihr Hornochsen, was fällt euch denn ein, uns in unserem wohlverdienten Mittagsschlaf so rüde zu stören? Dann steigen sie in einer steilen Kurve fast senkrecht in die Höhe, um aber gleich wieder in einer zweiten Tiefflugformation auf unsere Freunde zuzuhalten. Ohrenbetäubendes Gekreische saust mit ihnen heran. Blitzschnell laufen unsere Freunde alle zum Riesennashorn, um hinter dessen dicken Bauch Schutz zu suchen. Nur Wíschpu kommt nicht so schnell hoch, der arme! Und neben ihm im Gras, da wo die kleine Kanone gelandet und zerbrochen ist, sieht er Rauch aufsteigen. Oh nein, das trockene Savannengras hat sich entzündet, oh nein! Auch Thói hat es bemerkt. Blitzschnell flitzt er zum Kopf des Nashorns und flüstert dem etwas ins Ohr. Und Schnauberboss kapiert sofort…

04 Jun

Leseprobe aus der neuen Folge der Fabeln # 19

 Im Tempel der Elfenphantasien

Unsere Freunde halten den Atem an. Was wird als nächstes geschehen? Die wunderbaren Glasklänge und die phantastischen Tänze der Fee scheinen selbst im Dunkeln weiter zu schwingen – jedenfalls meinen Schúdulu, die kleine Schildkröte, auf Lailas Schulter, Bräbasum, der uralte Bär und Baldúwa, unser Wuschelbär, es sei immer noch etwas zu hören und zu sehen. Auch Laila ist es, als wäre da etwas Neues im Entstehen:

Von ganz weit oben – wie in einer weichen blauben Wolke – schweben langsam, ganz langsam weiße Säulen herab. Sie scheinen in einer schwach golden glänzenden Kuppel zu hängen. Und hinter ihnen kommen nun lauter lachende Elfen hervor und scheinen zu winken. Jetzt haben die Säulen fast den Boden erreicht, in einem großen Kreis sind sie aufgereiht – da, wo eben noch ein glitzernder See war, ist jetzt ein farbenprächtiges Mosaik zu sehen: Wilde Tiere, fremde Pflanzen und eigenartige Tempel und Häuser sind darin zu erkennen. Und die freundlichen Elfen hören einfach nicht auf zu winken.

Ob die wohl uns meinen?“ fragt leise Schúdulu.

Vielleicht, wer weiß“, brummt Bräbasum vor sich hin, „vielleicht, vielleicht…“

Baldúwa läuft einfach los zur nächst besten Elfe, die mit ihm zu den wilden Tieren geht, die plötzlich gar nicht mehr aus Mosaiksteinchen zu bestehen scheinen, sondern aus Fell und Blut. Laila erschrickt, denn was wäre, wenn sie nun den Wuschelbären auffressen? Aber da sind Baldúwa und die lächelnde Elfe – gekleidet in lange, bunte Seidenfäden, die um sie herum schimmern, als würden sie von einem blassen Mond beschienen – in einem der Tempel im Mosaik verschwunden. Einfach weg.

Schúdulu und Laila können es gar nicht fassen. Wo sind die denn jetzt? Einfach weg, ohje minne, ohje minne!

Bräbasum will nicht lange warten, er hat eine Idee:

Wisst ihr was, wir müssen eben auch einfach zu einer winkenden Elfe da in dem Säulenkreis hin laufen, die nehmen uns dann auch an die Hand und werden uns bestimmt zu Baldúwa führen.“

Und ohne erst überhaupt eine Antwort abzuwarten, läuft er los. Da bleibt Laila samt Schúdulu auf ihrer Schulter gar nichts anderes übrig, als hinterher zu laufen:

So warte doch, Bräbasum, warte doch! Bitte! Sonst verlieren wir uns noch.!“

Und wie sie nun in den wunderbar hohen und weißen Säulenkranz treten, beginnt auch ein wohltuendes Summen zu erklingen. Laut und leise, laut und leise. Oder ist es eine Harfe oder eine Orgel? Jedenfalls ist es wunderschön. Vor lauter Glück bemerken sie auch gar nicht, dass sie bereits zwei junge Elfen an die Hand genommen haben und mit ihnen in einem wilden Gebüsch, in dem es herrlich duftet, hinein gelaufen sind. Ob sie wohl Baldúwa wieder finden werden?

03 Jun

Europa – Meditation # 148

Die alten und neuen Portalfiguren in Europa

Die erste, die zweite, die dritte und die vierte Gewalt – das waren bisher die Eckpfeiler unseres Tempels der Selbstvergewisserung. Und die vierte, die Medien, zappeln inzwischen genauso wie die drei alten Gewalten im Zirkuszelt – ratlos – und verlieren Leser, Hörer und Zuschauer noch und noch. Von den alten Parteien ganz zu schweigen: Lieber zeigt in diesen Tagen jeder gerne auf die Sozialdemokratie, die sich selbst zu zerlegen scheint. Aber der Schein trügt. Sie ist nur die älteste der Parteien, und die Arbeiterschaft des 19. und 20. Jahrhunderts diejenige soziale Gruppe, die die radikalsten Umbildungen – der ehemalige Bildungsbürger würde wahrscheinlich besserwisserisch von Metamorphosen sprechen – an sich selbst ertragen musste. Vokabular, Themen und Vorbilder sind längst angestaubt, am Verrosten. Die Vögel auf der Stange piepsen lauthals von da oben herab: „Selbstdemonage, ihr ewig Gestrigen, Selbstdemonage!“

Und bemerken gar nicht, dass sie fleißig mit am Ast sägen, auf dem sie alle sitzen: Der Parteiendemokratie.

Die steigende Wahlbeteiligung und die zerfallenden großen Parteien sprechen aber eine deutliche Sprache: Der Zeitgenosse – und hier vor allem der junge und sehr junge – hat die Nase voll vom leerlaufenden Palaver der Parteibonzen und Mitläufer. Empört oder angeekelt oder beides wendet er sich lustvoll ab und findet angenehmste Gleichgesinnte im Netz. Die Plakate der letzten Wahlschlacht auf europäischer Ebene zeigen diesen neugierigen und informierten jungen Zeitgenossen eher Mumien und Slogans der Adenauerära. Damit können sie aber nun wirklich nichts anfangen.

So schließen sie sich mit ihresgleichen kurz – man ist eben verlässlich vernetzt und kennt sich, lacht und lästert viel und ist ziemlich präsent in den Themen, die Europa zur Zeit umtreiben – Greta lässt schön grüßen!

Die schleichende Erosion in der Parteiendemokratie wird zu völlig neuen Vernetzungen führen: Die jungen Leute haben nun gleich zwei Heimaten – eine digitale unter ihresgleichen und eine analoge in ihrem Fußballclub, in ihrem Kiez, in ihrem wirklichen Freundeskreis. Das gibt ein gutes, vitales Lebensgefühl. Da sind die Parteiendemokratie und die repräsentative Demokratie olle Kamellen und Welten, die einfach noch nicht den Schuss gehört haben. Weiter nichts. Was ist daran eigentlich so schwer zu verstehen, Frau AKK etc?