04 Apr

E u r o p a – Fortsetzung der alten Geschichte # 60

Zwei liebende Frauen – im Gebet vereint vor ihrer Göttin

Chandaraissa sieht es ihr an: Europa ist nicht nur schwanger, sie ist auch glücklich. Wie sie jetzt im großen Tempel der Göttin gemeinsam beten, spüren beide die Nähe der anderen wie eine wohltuende Kraft und wie vertraute Wärme. Obwohl sie sich erst seit kurzem kennen, scheinen ihnen ihre Leben miteinander verwoben wie in einem weichen, seidenen Teppich, der mit seiner bunten Vielfalt an Pflanzen und Tieren den Betrachter wie in einem Rausch der Farben und Formen versinken lässt.

Dank Sagen. Das ist es, was ihre Gebete ausmacht. Dank sagen. Die Fülle des Lebens ein Geschenk der Göttin an sie beide. Worte versiegen. Bilder feiern farbenfrohe Feste in ihrer Phantasie dabei.

Europa durchlebt noch einmal die letzten Stunden mit dem Minos von Kreta: Er hat ihr sein Wort gegeben. Und sie fühlt voller Vertrauen, dass er es halten wird. Ihre leidenschaftliche Vereinigung eben ließ sie aus allem Kleinen, Schweren davon fliegen. Als wären sie Freunde der Elstern, die doch so treu ihre Göttin überallhin begleiten. Und es ist kein Traum. Nein. Es ist wahr. Überdeutlich hört sie gerade das Flattern der Vögel über sich im Gewölbe des Tempels. Es scheint ihr wie lebensfrohes Lachen zu klingen, wie übermütiges Kichern. Da fängt sie selber an zu kichern.

Chandaraissa wundert sich.

Europa, was ist los mit dir? Etwas mehr Respekt vor der Göttin, bitte!“ flüstert sie zu ihr hinüber. Fast steckt Europas Kichern sie selbst mit an, aber sie reißt sich zusammen. Es macht ihr Spaß, die Freundin zu necken.

Oh, Chandaraissa, liebste Freundin, ich löse mich fast auf vor Freude. Ich kann nicht mehr an mich halten. Die Göttin wird es mir verzeihen. Oder?“

Für einen Augenblick hält die völlige Stille in der riesigen Halle beide gefangen. Dann müssen sie beide lachen. Längst sind sie aus ihrer Gebetshaltung heraus geglitten, haben sich an den Händen gefasst und umarmt.

Was für ein Bild! Die Schönheit der beiden Frauen verschmilzt in einer Figur der Freude, der Dankbarkeit und Sinnlichkeit. Wer wird sich so viel Kraft entgegen setzen können? Zeus? Wie denn das?

 

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