05 Jul

Europa – Meditation # 152

Die unverbesserlichen Parteiarbeiter kurz vor dem Ende.

Die Medien müssen ja tagtäglich das Neugier-Gen der Abonnenten bedienen; also können sie natürlich auch nicht jeden Tag über die Erosionserscheinungen in der Parteienlandschaft wehklagen und Selbstkritik der Parteibonzen einfordern. So etwas verbraucht sich auf Dauer, wie auch die Langmut der Wähler.

Und nun das!

Mit großem idealistischen Trara hatte man neulich die Europa-Wahlen inszeniert; die Kandidaten stellten sich unermüdlich den Medien und dem Wahlvolk zur Befragung. Dann wurde gewählt. Und wieder verloren die großen Parteien an Wählern und die Grünen siegten weiter und Europa schien auf dem Weg der Besserung – jedenfalls in Sachen demokratischer Glaubwürdigkeit.

Und nun das!

Statt nunmehr mehrheitlich die Kandidaten zu küren, die eine neue Mehrheit hinter sich glauben, wird aus der Mottenkiste der Hinterzimmeriska ein Pseudo-Joker hervorgezogen, an dem sich doch bitte jetzt alle erfreuen mögen!

Oder im elaborierten Jargon: Die Vertreter der Exekutive lancieren an der Legislative vorbei einen Kandidaten, den niemand auf dem Schirm hatte. Und man hält diese Akklamationsvariante auch noch für besonders originell und mehrheitsfähig.

Es ist nicht zu fassen!

So sägen sie weiter fleißig am Ast der Demokratie, auf dem wir alle sitzen – mehr und mehr eher ratlos angesichts solcher Schachzüge.

Ist das nicht Wasser auf die Mühlen derer, die schon länger gebetsmühlenartig das Ende der Demokratie beunken?

Gleichzeitig werden dieselben Politiker aber nicht müde, die Erosionserscheinungen der Demokratie in den beiden Amerikas pathetisch zu beklagen – als wenn sie die legitimen Apostel der reinen Demokratie-Lehre wären.

Weit gefehlt, weit gefehlt!

10 Apr

Europa – Meditation # 142

Vom Lügenbaron und anderen märchenhaften Figuren

Natürlich kann man sich an den eigenen Haaren aus dem Schlamassel ziehen, natürlich können Windmühlen auch echte Gegner sein, natürlich kommt auch heute noch der böse Wolf mit Kreide an sein Ziel, natürlich.

Gerne staunen wir über spannende Zweikämpfe, wenn unser Favorit wie der Sieger aussieht und immer wieder lassen wir uns auch gerne etwas vormachen.

Schon vergessen?

Die Empörung über den verendeten Wal, in dessen Magen man vertraute Abfälle aus der heimischen Produktion finden konnte.

Die Empörung über die Ermordung von Jamal Kashoggi und die lauen Reaktionen, wenn jetzt zu hören ist, dass die traurigen Angehörigen mit ordentlichen Immobilien still gestellt werden sollen.

Die Empörung über den erneuten Untergang eines Frachters vor der Küste der Bretagne (der wievielte Untergang ist es wohl?): „Ölteppich bedroht die Atlantikküste“…und welche Ironie des Weltgeistes, dass dieser Frachter auch noch auf den selbstgefälligen Namen „Grande America“ hört!

Könnte dieser Name und dieser fatale Untergang nicht wie ein düsteres Bild für ein viel größeres Bild stehen, das gerade eine sechzehnjährige schwedische Schülerin unermüdlich an unsere Wände malt?

Denn wenn alles mit allem zusammenhängt und nichts verloren geht in diesem großen Bild, dann hilft auch unsere bequeme Vergesslichkeit nicht aus dem Dilemma:

Gerade wurde wieder in einigen Ländern gewählt. Und man scheut weder Mittel noch Wege, um das Ergebnis auch ordentlich aussehen zu lassen. Und jeder weiß, wer gemeint ist. Die Männer, die sich da jetzt feiern lassen, haben ja scheinbar eindrucksvolle Vorbilder. Nicht nur in Europa, nein, natürlich auch in Übersee.

Die Jugend lernt in diesen Tagen anschaulich, wie man Demokratie parteipolitisch missbrauchen kann – der allgemeine Wille ist längst nicht mehr im Zentrum der Bemühungen. Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn sich diese Jugendgeneration enttäuscht von solchen Seilschaftsmeisterschaften abwendet und gänzlich neue Wege der Demokratie gehen will.

Na, dann mal los, jetzt aber auch!