17 Sep

Europa – Meditation # 110 Heimatlos auf dem Wohlstandsfloß

Lassen wir die Kirche doch mal im Dorf…!

Nicht nur die Parteien haben Mitgliederschwund zu beklagen. Nein, auch die Kirchen. In den meist altehrwürdigen Gemäuern, opulent mit Steinmetzkunst verschönert, kann man die Kirchgänger mehr und mehr an zwei Händen abzählen. Hohe, leere Hallen.

Nach dem letzten Krieg, da waren sie noch voll. Jeden Sonntagmorgen strömte die Gemeinde zu ihrem Pfarrer, um zu singen, zu beten und der Predigt zuzuhören.

Je größer der Wohlstand, umso kleiner der Teilnehmerkreis in den Kirchen – das scheint eine Erklärung zu sein; eine andere wäre die Erziehung zum selbstbestimmten Individuum, das sich nicht mehr sagen lassen möchte, was es glauben soll.

Und nun die Welle der Missbrauchsgeschichten, die sich hinter dem religiösen Vorhang wohl zu verstecken wussten. Der Bürger wendet sich angeekelt ab. Die Lüge hat Hochkonjunktur.

So geht das Vertrauen in die Institution Kirche nachhaltig verloren. Wo aber gibt es Ersatz für die wunde Seele? Wo gibt es Trost, wenn der berufliche Erfolg nicht eintreten will? Wo fühlt sich der Bürger denn noch nicht hinters Licht geführt? Die Banker trixen, die Konzerne bluffen, die Kirchenoberen vertuschen, und sie alle kommen trotz enormer Schäden für die Gesellschaft ungeschoren davon.

Oder was ist mit der Familie – als letztem Rückzugsort einer Welt gegenüber, die verlogen und gierig nur noch zum Konsum aufzufordern scheint? Auch der Schutzraum der Familie bricht weg: Beide Elternteile müssen arbeiten, es bleibt keine Zeit mehr für gemeinsame Rituale -wie zum Beispiel das Treffen am gedeckten Tisch, wo man sich austauscht, zuhört, aufmuntert und lachen kann, weil man sich wohl und sicher fühlt.

Da gerät der Glaube an die Vertrauenswürdigkeit in die großen Institutionen der Gesellschaft natürlich heftig ins Wanken. Ironie und Zynismus feiern stattdessen eine Party nach der anderen.

Und wer ist schuld an der Misere? Nicht die Verursacher, nein, die Fremden sollen es sein. Und in kleinem Kreis, im Club, im Verein, in der Kneipe verständigt man sich genüsslich unter Kumpeln: Ist doch klar, oder?

Und die jungen Leute, die zur Zeit im Hambacher Forst in Baumhäusern wohnen, haben weder eine Hausrats- noch eine Brandschutzversicherung. Ist doch klar, dass da die Polizei und die Feuerwehr eingreifen müssen! Auf die ist wenigstens noch Verlass!