04 Mai

Europa – Meditation # 199

Europa und die vier Musketiere nach Corona.

Wird es ein aufatmendes Erwachen Europas geben, das diese Viren-Geschichte als lästigen Albtraum möglichst schnell hinter sich lassen möchte, damit wir möglichst schnell da wieder anknüpfen können, wo wir waren, bevor wir uns selbst weggeschlossen haben?

Kurze Rückblende:

Europa im 16./17. Jahrhundert:

So viele Schiffe segeln mit Siedlern und Abenteurern in die Neue Welt aus Europa, wo sie missionieren und frei von den Bevormundungen der Alten Welt ein freies Land auf freiem Boden gründen wollten und gleichzeitig unzählige Menschen dort mit eingeschleppten Seuchen zugrunde richteten.

Europa im 18. Jahrhundert:

Und wieder segeln viele Schiffe aus Europa in die Neue Welt – manche mit einem kleinen Umweg über Afrika, dafür aber sehr lukrativ – diesmal mit zwangsrekrutierten Soldaten aus England, Frankreich und ihren Verbündeten (u.a. aus dem Württembergischen), die Krieg führen mit den Siedlern aus Europa und dafür Schein-Bündnisse mit den Ureinwohnern schließen. Am Ende sind viele vor der Zeit unter der Erde.

Europa im 19. Jahrhundert:

Immer mehr Menschen verelenden auf dem kleinen Kontinent Europa. Also, nichts wie ab in die neue Welt; dort soll es Chancen für alle die geben, die das Glück in die eigenen Hände nehmen wollen. In Asien schließen die Europäer gleichzeitig Knebelverträge mit alten Kulturen und versuchen sie durch Opium gefügig und abhängig zu halten.

Europa im 20. Jahrhundert:

Die ehemaligen Siedler aus Europa haben ihre Grenzen längst bis an den Pazifik und sogar darüber hinaus verschoben. Das Militär sorgt fürs Selbstbewusstsein – der Bruderkrieg im eigenen Land ist längst Geschichte – Religion und Rassendiskriminierung leben unversöhnt nebeneinander her und nun müssen sie sogar in Europa die völlig zerstrittenen Nationen zum Frieden zwingen, zweimal sogar! Eine Seuche ist auch wieder dabei.

Europa im 21. Jahrhundert:

Vom ununterbrochenen Bilderregen weich gespült – auch hier sind die ehemaligen Siedler aus Europa tonangebend – sind die Europäer von einem auf den anderen Tag in eine heftige Krise geraten. Diesmal gilt es, sich gegen ein Virus zu schützen, das schon wieder alle über einen Kamm schert. Und in ihrer Not rufen die Europäer wieder die erfolgsverwöhnten Freunde aus der Neuen Welt um Hilfe und werden auch gleich bedient. Vier edle Musketiere kommen nun den arg gebeutelten Europäern frohgemut zu Hilfe.

Die vier stellen nur ein paar wenige Bedingungen, die in Europa aber angesichts der momentanen wirtschaftlichen Prognosen wohl in Kauf genommen werden müssen:

1.) Das Primat der Wirtschaft muss endlich wieder unbedingt gelten.

2.) Die Macht des Marktes wird an wenige, aber dafür umso stärkere Akteure delegiert. Die vier Musketiere.

3.) Die uneingeschränkte Verfügung , die diese Akteure über die notwendigen Daten haben müssen, versteht sich von selbst dabei.

4.) Die Arbeitsrechte müssen demgegenüber in ihre Schranken gewiesen werden zum Wohle aller.

Und da kommen sie denn auch gleich, die vier Musketiere!

Furchtlos, selbstbewusst und im festen Glauben an die eigenen Kräfte regeln sie von Übersee her kommend die anstehende Nach-Corona-Agenda mit starker Hand. Die federführenden Ministerien werden selbstverständlich ihre Administrationen als Vollzugsorgane zur Verfügung stellen.

Der erste hat schon bewiesen, wie erfolgreich er agieren kann, wenn man ihn nur lässt – jetzt. Keine Dividende, keine Profite. Die Preise werden nicht dem Zufall des Marktes überlassen, sondern seinem Diktat. Er übernimmt gerne die Sicherstellung der Grundversorgung aller, die gesamte Logistik, baut selbst die notwendige Infrastruktur selbstverständlich auf – effizient und reibungslos.

Der zweite will den Stand derzeitiger Technologien und Digitalisierungen hochfahren, sie optimieren mit einer Software, die es jedem Staat in Europa möglich machen wird, schnell und wirksam auf jedwede Unwucht ad hoc reagieren zu können. So kann Europa nicht nur den Terrorismus, sondern auch jede Epidemie schnell und nachhaltig erkennen und in die Schranken weisen. Gleiches gilt natürlich auch für die optimale Kontrolle der Flüchtlingsströme in Europa.

Der dritte bietet sich als der kompetente Vermögensverwalter großer privater wie öffentlicher Interessenten an, er ist so potent, dass selbst ordentliche Staatshaushalte vor seinem Volumen erblassen. Also lassen wir ihn doch für uns alle in Europa aus Schulden wieder Gold machen!

Der vierte im Bunde der Musketiere ist ein alter Hase im Geschäft. Seine Erfahrung ist im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Er übernimmt als wahrer Philanthrop staatliche Aufgaben gern – er hat einen langen Atem und einen langen Arm, damit greift er selbst der WHO hilfreich unter die Arme, und Impfstoffe, wonach gerade nicht nur die Europäer schreien, werden mit seinem Potential in kürzester Zeit zu kleinen Preisen ganz sicher auf dem Marktplatz aufschlagen.

Was für Glückspilze wir Europäer doch sind: Da kommen diese vier gut gelaunten Burschen – Larry, Jeffrey, Peter und Bill – zu uns und bieten ihre uneigennützige Hilfe an. Was wären wir doch wirklich für unverbesserliche Dummköpfe, wenn wir diesen vier nicht das Ruder in die Hand drückten! Ahoi!

25 Apr

Europa – Meditation # 197

Was ich noch zu sagen hätte…

Der gesamten europäischen Sippschaft fliegen die Sachen nur so um die Ohren.

Europa, Eu, Europäer, Euro-Bonds, EZB…Exit…

Wie leid sind wir dieses Wortgerassel! Diese Beschwörungsformeln. Über Nacht wird uns Bewohner dieses kleinen Erdteils deutlich, wie klein wir selber sind.

„Es ist die natürliche Neigung des Menschen, sich und alle Welt mit sich zu ruinieren.“ (Albert Camus)

Na, nun wollen wir aber mal nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten, oder?

Gerade macht uns ein gefährlicher Bursche klar, dass wir doch alle im gleichen Boot sitzen: gechartert, ja, aber nicht Herr der Lage. Die Wellen gehen gerade ziemlich hoch, die Pessimisten haben Konjunktur, Weltuntergangsszenarien sind en vogue.

Aber nicht nur das.

Die Sippschaft schickt nun gerne den schwarzen Peter rum. Das Bild jetzt auf den leicht rassistischen Hintergrund abzuklopfen, ist momentan eher zweitrangig. Natürlich hat man es ja schon immer gewusst, dass der Onkel oben im Norden wenig vertrauenswürdig ist – von den Leichen in seinem Keller wollen wir jetzt gar nicht mal reden.

Und umgekehrt wird auch eine Nummer draus: Die Brüder im Süden wollten doch immer schon zeigen, dass sie mehr vom Leben verstünden als die Vettern im Land der Nordlichter – oder? Und von Leichen in deren Keller – also wirklich, da könnten die aber schon so einiges ans Tageslicht zerren. Aber man ist und bleibt ja doch verwandt. Außerdem geht es jetzt im Keller nicht mehr um Leichen, sondern ums Eingemachte.

Den Tanten, die zuletzt als altbacken und vorgestrig belächelt wurden, laufen jetzt die Enkel die Türen ein: „Sag mal, wie macht man das eigentlich mit Gurken im Glas, äh…keine Ahnung…öh…also…egal…kein Plan…?“

Und von Grenzen in diesen Tage zu reden, die zwischen den verschiedenen Zweigen der Sippschaft bestehen sollen, quält höchstens noch ein müdes Lächeln aufs maskierte Gesicht. Sieht ja sowieso keiner mehr. Ist doch selbstverständlich, dass man sich hilft, jetzt. Da können die alten Rechnungen auch noch so lang sein. Gut, und das mit dem Wachstum können wir jetzt auch endlich unter den Tisch fallen lassen. Die Alten haben es immer schon gesagt: was brauchen wir denn all das Zeug und wofür? Keine Ahnung. Genau. Es ist gar keine Floskel, es ist wahr. Nur merken wir es erst jetzt. Der Schwager in Gibraltar ist sich da total einig mit dem Schwippschwager in Tromsö. Hä? Keine Ahnung, viel mir gerade nur so ein. Der gesamte Reichtum der gesamten Sippschaft auf dem kleinen Kontinent Europa jedenfalls würde allemal ausreichen, dass alle aus der Schockstarre aufwachen und aufatmen können – wenn fair verteilt, klar.

Und auf der ISS stößt gerade die eine den anderen an: „Ey, schau dir das an: so scharf und klar haben wir das da unten aber noch nie gesehen – oder?“

19 Apr

Europa – Meditation # 196

„Wenn man sie neu denken lehren könnte, würden sie auch anders leben“ (Robert Musil im Der Mann ohne Eigenschaften)

Was für ein hoffnungsvoller Satz – wenn – dann…

Und da der Mensch nicht vom Brot allein lebt, gewinnt auch wieder die Hoffnung an neuem Interesse.

Was wäre, wenn man „danach“ anderes denken lehrte, um nicht weiter so zu leben wie bisher?

Anderes? Nun, dass die Menschen das, was sie bisher für richtig hielten, nur deshalb für richtig hielten, weil sie es schon so lange immer wiederholten. Im Umkehrschluss könnte das doch bedeuten, dass sie auch Neues für richtig halten könnten, wenn sie anfingen, es nur oft genug zu wiederholen.

Warum ist denn die Werbung so wichtig?

Warum wird da so viel Geld verdient?

Warum sind da die hellen Köpfe versammelt?

Weil das unterhaltsame, also abwechslungsreiche und überraschende Wort und Bild sich unweigerlich in unserem Langzeitgedächtnis wohlig einnistet und wir deshalb auch immer genau wissen, was wir wollen sollen.

Cambridge Analytica lässt grüßen.

Wenn dem aber so ist, warum wäre dann nicht gerade dieser historische Moment des Innehalten Müssens der geeignete, vertraute Denkmuster zu verabschieden und an deren Stelle neue, überraschend neue Angebote zu machen. Die alten Lehrbücher sollten mithin mit dem Abitur 2020 gerne verabschiedet werden. Diese Litanei ist lang genug gesungen worden. Also jetzt!

Und es bedarf dazu keiner Kommission, keiner Arbeitsgruppe in den Verlagen, keiner Behörde in der Kultusbürokratie.

Denn Tag und Nacht geht den großen wie den kleinen Menschen etwas durch den Kopf, das da noch nie Eingang finden konnte und durfte und gänzlich dem alten Muster „schneller und mehr“, fremd ist: Zwei brutale Komparative, die seit langem schon die Menschen im Schwitzkasten halten. Neben Kopfschmerzen kann das sogar bis zu völlig neuen Viren führen, die sich dabei einstellen. Wir haben es jüngst bewiesen.

Wenn man nun all das, was gerade völlig gegen den Strich und freihändig und nicht bevormundet von Werbung oder Broschüren Tag und Nacht gedacht wird, in ein neues Lehren des Denkens packte – ohne langen Vorlauf – dann würde eben auch die Möglichkeit möglich, anders zu leben als bisher.

Und der, der nun sagt, Wolkenkuckucksheim! Den sollte man daran erinnern, wie aus der mantramäßig verkündeten schwarzen Null über Nacht eine Zahl wurde, die so groß ist, dass man sie kaum fassen kann – jedenfalls das totale Gegenteil der schwarzen Null. Wolkenkuckucksheim? Nein. Nur das beste Beispiel für die Möglichkeit, völlig anders zu denken und zu leben in Zukunft.