19 Apr

Fabeln – Neue Serie 2020 Leseprobe # 3

Zurück im feucht dampfenden Urwald von Jonathonien

Fabel # 41

Die Urwald-Prozession der Musikanten.

Das hat es wirklich noch nie im Urwald von Jonathonien gegeben – so ein Lärm und so lustige Leute beim Musizieren. Und wie von Zauberhand herbei gezaubert, begegnen sich die beiden lärmenden Trupps auf einer großen, großen Urwald-Lichtung – da ist Platz für alle. Und was machen die nun, als sie sich begegnen? Ohne Angst marschieren sie mit ihren „Instrumenten“ auf einander los und bilden ein Affen-Piraten-Ballett, wie es schöner gar nicht sein könnte:

Feurio – Drum-drom-drem – Flammi – Feurio – quatschie – ratschie – affenklau – Hitzewitz – dram- drum – qualmi – talmi – schrudi – wudi – Stichflammen-wuff – teidel-di-dau – Piratenschau , so verknoten sie dabei ihre beiden Gesänge und Rhythmen ineinander, dass es nur so scheppert, quietscht, jault und kreischt und grölt.

So zieht das bunte Musik-Orchester einmal um die Lichtung herum und in der Mitte stehen Babósa, der alte Gorilla, mit Pellgóbo auf der haarigen Schulter, Jimmyjammi, der Tausendsassa-Affe mit Thói auf dem Kopf und tanzen Ringelreihn, klatschen, singen mit. Ihnen wird schon ganz schwindlig vor Freude und Begeisterung. Da formiert sich das bunt gescheckte Orchester plötzlich neu: Jetzt bilden sie Paare – jeweils zwei nebeneinander- und alle schön hintereinander her im Gleichschritt – drum – drom – dram – drum – drom – dram. Ganz hinten schließen sich unsere verwunderten Freunde an: Was haben diese verrückten Musikanten denn jetzt vor, denken sie verblüfft, lachend, ausgelassen. Ist das ein Spaß, aber auch! Die marschieren jetzt einfach in den Urwald rein. Woher wissen die denn, dass es da einen breiten Pfad gibt? Und wo führt der hin? Jetzt beginnen sie beim Marschieren ein neues Stück – diesmal ist es ein Marsch, damit sie besser voran kommen –

rum-trum-trum-trum-tarásassá-

durum-turum-bawazzana-patabana-

häm-päm-päm-di-säm-täm-täm

Thói freut sich wie ein Schneekönig, dabei ist er doch der Urwaldfeuerwehrhauptmann, dem nun sogar die Piratenbande untersteht. Aber eigentlich geht ihm etwas ganz anderes durch den Kopf: Wenn wir doch endlich Wildepú wiederfinden würden, wenn wir doch endlich…Hups. Da wären sie beinahe dem Orchester in die Hacksen gelaufen. Warum bleiben die denn auch auf einmal – so mir nichts, dir nichs – stehen? Und jetzt fabrizieren die auch noch einen ohrenbetäubenden Tusch. Was soll das denn jetzt – hier mitten im Urwald von Jonathonien?

Tschrururu-bluwutusu-tschrammadamma-rum

Tschrururu-bluwutusu-tschrammadamma-rum

Dann wird es still und unsere Freunde, die ja ganz am Ende stehen, wüssten nur zu gerne, was da vorne eigentlich los ist. Jetzt verbeugen die sich auch noch – aber vor wem denn? Potz Blitz! Vor wem denn nur? Vor wem?

04 Jun

Leseprobe aus der neuen Folge der Fabeln # 19

 Im Tempel der Elfenphantasien

Unsere Freunde halten den Atem an. Was wird als nächstes geschehen? Die wunderbaren Glasklänge und die phantastischen Tänze der Fee scheinen selbst im Dunkeln weiter zu schwingen – jedenfalls meinen Schúdulu, die kleine Schildkröte, auf Lailas Schulter, Bräbasum, der uralte Bär und Baldúwa, unser Wuschelbär, es sei immer noch etwas zu hören und zu sehen. Auch Laila ist es, als wäre da etwas Neues im Entstehen:

Von ganz weit oben – wie in einer weichen blauben Wolke – schweben langsam, ganz langsam weiße Säulen herab. Sie scheinen in einer schwach golden glänzenden Kuppel zu hängen. Und hinter ihnen kommen nun lauter lachende Elfen hervor und scheinen zu winken. Jetzt haben die Säulen fast den Boden erreicht, in einem großen Kreis sind sie aufgereiht – da, wo eben noch ein glitzernder See war, ist jetzt ein farbenprächtiges Mosaik zu sehen: Wilde Tiere, fremde Pflanzen und eigenartige Tempel und Häuser sind darin zu erkennen. Und die freundlichen Elfen hören einfach nicht auf zu winken.

Ob die wohl uns meinen?“ fragt leise Schúdulu.

Vielleicht, wer weiß“, brummt Bräbasum vor sich hin, „vielleicht, vielleicht…“

Baldúwa läuft einfach los zur nächst besten Elfe, die mit ihm zu den wilden Tieren geht, die plötzlich gar nicht mehr aus Mosaiksteinchen zu bestehen scheinen, sondern aus Fell und Blut. Laila erschrickt, denn was wäre, wenn sie nun den Wuschelbären auffressen? Aber da sind Baldúwa und die lächelnde Elfe – gekleidet in lange, bunte Seidenfäden, die um sie herum schimmern, als würden sie von einem blassen Mond beschienen – in einem der Tempel im Mosaik verschwunden. Einfach weg.

Schúdulu und Laila können es gar nicht fassen. Wo sind die denn jetzt? Einfach weg, ohje minne, ohje minne!

Bräbasum will nicht lange warten, er hat eine Idee:

Wisst ihr was, wir müssen eben auch einfach zu einer winkenden Elfe da in dem Säulenkreis hin laufen, die nehmen uns dann auch an die Hand und werden uns bestimmt zu Baldúwa führen.“

Und ohne erst überhaupt eine Antwort abzuwarten, läuft er los. Da bleibt Laila samt Schúdulu auf ihrer Schulter gar nichts anderes übrig, als hinterher zu laufen:

So warte doch, Bräbasum, warte doch! Bitte! Sonst verlieren wir uns noch.!“

Und wie sie nun in den wunderbar hohen und weißen Säulenkranz treten, beginnt auch ein wohltuendes Summen zu erklingen. Laut und leise, laut und leise. Oder ist es eine Harfe oder eine Orgel? Jedenfalls ist es wunderschön. Vor lauter Glück bemerken sie auch gar nicht, dass sie bereits zwei junge Elfen an die Hand genommen haben und mit ihnen in einem wilden Gebüsch, in dem es herrlich duftet, hinein gelaufen sind. Ob sie wohl Baldúwa wieder finden werden?

05 Feb

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 58

Wütender Widerstand alter Männer will Europa vernichten

Gleichmütiger Wellenschlag weit unten am Strand. Mondhelle Nacht über dem Königspalast. Ein Käuzchen ruft von schwankendem Ausguck auf der alten Zeder: Gefahr, Gefahr! Oder meint es: Sieg, Sieg!? In den Ohren von Europa klingt es wie: Sei vorsichtig, sei vorsichtig!. Aber im kleinen Ratssaal – gar nicht weit vom hochgewölbten Schlafgemach des Minos – braut sich gleichzeitig eine üppige Wutwolke zusammen: Die stillen Gegner von Archaikos wittern ihre Stunde. Denn wenn er sich einlässt auf diese bedrohliche fremde Frau, dann werden sie ihn zu Fall bringen. Flüsternd bereden sie finstere Anschläge. Ihre Spione wollen gesehen haben, dass die fremde Frau heimlich Zugang zum Minos erhielt. Die Augenbrauen tief herabgezogen zischen sie sich gegenseitig ihren Zorn auf den Minos zu: Er muss weg. Er ist ein Verräter. Die Götter werden ihn strafen – durch sie, die treuen Herren auf Kreta, die alles Fremde von der stolzen Insel treiben werden. Sie muss ihn mit einem bösen Dämon verführt haben. Beifälliges Nicken, Murren und Knurren. Ist der Schrei des Käuzchens nicht ein Zeichen der Götter? Das Signal zum Töten? Aber sie muss vorher gefoltert werden. Die Strafe für ihre Anmaßung soll lange und herzzerreißend sein. In den Augen der alten Ratsherren blitzt rachsüchtiges Lichtflackern auf. Sie werden es genießen – armseliges Sterben einer schreienden Frau!

Archaikos ist vor Erschöpfung und Befriedigung in traumlosen Schlaf gesunken. Europa schaut ihn voller Wohlgefallen an: Ein Mann, der ihr bei weitem besser gefällt als der Fremde, der sie von ihrer Heimat hierher gebracht hat. Vorsichtig streichelt sie die schweißnasse Haut des Schläfers. Ihr Kind wird einen mächtigen Beschützer als Vater haben. Und wenn die Männer erst den neuen Tanz der Priesterinnen gesehen haben werden, werden Lebensfreude und Lust allen Kretern wie ein endloses Fest der Sinne scheinen. Sie lächelt siegessicher. Aber auch sie hört die Schreie des Käuzchens und hält inne: Sei vorsichtig, sei vorsichtig, raunt sie sich selber zu. Der Weg zu deinem Ziel wird eher dornig sein als marmorglatt und glänzend. Sei vorsichtig!

Dann hebt das Käuzchen ab, steigt auf in den endlosen Nachthimmel und ist kurz ganz vom Mond umgeben: Ein schönes Bild. Wer aber sieht es? Und was könnte es bedeuten?