06 Feb

Europa – Verraten und verkauft? (Meditation # 29)

Europa – verraten und verkauft?

Wenn man mit solch einer Überschrift im Medienwald hausieren geht, darf man sich nicht wundern, dass falsche Freunde einem auf Schritt und Tritt folgen. Denn als Subtext blubbert eine ganz schön üble Brühe dabei mit: „Wer verrät uns da, wer bereichert sich da auf unserem Rücken?“ Misstrauen ist angesagt, Verteidigungsbereitschaft – also eher kriegerische Töne derer, die sich zusammenrotten wollen um zu retten, was noch zu retten ist. Bis zur Panikmache ist es da gar nicht mehr weit. Ein ungutes Angstgefühl wird gleichzeitig gepflegt, das man glaubt am ehesten los zu werden, wenn man gegen einen gemeinsamen Feind zu Felde zieht. Wo ist er denn? Und gleich wird es noch beängstigender: Denn dem Feind begegnet man in diesen Tagen nicht in offener Schlacht. Es ist fast wie damals in Vietnam, als man den Gegner auch nie zu Gesicht bekam, aber stets von ihm umlauert war. Bis man plötzlich ohne Vorwarnung tot war. Und dann noch die vielen Flüchtlinge! Es gilt, gleich an mehreren Fronten zu kämpfen, sagen einträchtig die falschen Freunde und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern. Muss man nur noch abnicken, weiter nichts. Alles klar?

Europa wird in die Enge getrieben. Ist doch überdeutlich oder? Wirtschaftlich sollen wir stranguliert werden mit diesem ominösen TTIP, die Kosten für die Fremden steigen und steigen und jetzt überlegt auch noch England, aus der EU auszutreten. Per Referendum. Am 23. Juni. Und nun stoßen auch die Wortkünstler zur Truppe der Verdrossenen: „…Würden die Briten die Gemeinschaft verlassen, ginge dieser nicht nur Wirtschaftskraft und Skurrilität verloren – nein, es fehlte ein wichtiges Stück Kultur in der EU…“

Klingt doch ganz einleuchtend oder? Es fehlte ein wichtiges Stück Kultur. Soso. Als würde die Insel der Briten davonschwimmen. Tut sie aber nicht. Wir könnten sie weiter besuchen, müssten weiter den Euro in Pfund tauschen und staunten von neuem über herrliche Landschaften, köstliche Biersorten und farbenprächtige Folklore in Wales, in Schottland, in England. Wie unglaublich anders sind doch diese Inseleuropäer! Wie wohltuend fremd und doch auch wieder verwandt! Und diese unglaubliche Geschichte, die sie über sich und ihr Land erzählen können!Was wäre denn dann eigentlich verloren? Gar nichts. Höchstens ein Fettring am feisten Bauch der Brüsseler buerocratia. Wir hätten also sogar noch etwas gewonnen. Denn von Verlust reden nur die Börse, die Konzerne und die Lobbyisten, denen die verunsicherten Politiker nach dem Mund reden, schließlich geht es um deren Job und Pensionen. Und die Briten selber? Wie unglaublich anders sind doch diese Kontinentaleuropäer! Wie wohltuend fremd und doch auch wieder verwandt! Die freuen sich, wenn sie verwandte Folklore in der Bretagne erleben, wenn sie die Trachten im bayrischen Wald bestaunen oder die bizarren Felsformationen in der sächsichen Schweiz. Und was diese verschiedenen Länder für verschiedene Geschichten haben! All das hat mit EU nichts zu tun, wohl aber mit Heimat, regionalen Traditionen und lokaler Geschichte. EU? Es gibt wirklich Wichtigeres im Leben der Völker in Europa und Schöneres – die Pflege der eigenen Geschichte und Sprache, der Nachbarschaftshilfe, des Jugendaustausches. Dem gegenüber ist der Popanz EURO, vor dem alle ihren Kotau machen sollen, ein Nebelkerzenkonzert: Windig, unerbittlich, wie eine Dampfwalze alles platt machend, was sich ihm in den Weg stellt. Es reicht.

Haben die beiden Weltkriege nicht schon genug an Kulturgütern, Stadtlandschaften und Menschenleben zerstört? Müssen die Europäer jetzt eilfertig noch nachlegen, um dem amerikanischen Konsum-Ego-Unendlich-Bereicherungs-Konzept blindlings nachzueifern und dabei alles eigene, historisch gewachsene über Bord zu werfen, ganze Jahrgänge von Jugendlichen auswegslos in die Arbeitslosigkeit zu verdammen und auf Roboter, Automation und prekäre Verhältnisse zu setzen? Sind wir nicht schon längst in dieser Zukunft angekommen, wenn auf diesem Globus 62 Menschen soviel besitzen wie die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung?

Die Europäer wären verraten und verkauft, setzten sie einzig und allein auf dieses trojanische Pferd „Wachstumssteigerung um jeden Preis“, wodurch die Vielfalt in Europa zunehmend niedergetrampelt und einplaniert würde.

Vor der Vielfalt müssen wir Europäer uns nicht fürchten, sie ist unser Pfund, mit dem wir aasen können, fürchten müssen wir uns nur vor denen, die uns das Fürchten lehren wollen, falls wir nicht weiter nach der Nivellierungspfeife tanzen sollten!

20 Jan

Europa – Heiße Luft, Hysterie und Häme haben das Sagen dieser Tage! (Meditation # 27)

Die sogenannte verspätete Nation hat das Wort

Warum will man denn gerade uns befragen? Als hätten wir ein Antwort-Abo. Gut, aus der Sicht der alten Völker Frankreich und England, Russland und Spanien zum Beispiel scheinen wir etwas verspätet auf den Zug der Moderne aufgesprungen. Aber spät ist ja bekanntermaßen besser als gar nicht. Oder? Nun, die hatten auch gut reden: Die Ränder dieser Länder waren klar markiert durch Meere, Gebirge. So gab es keine Grenz-Debatten, die hatte die Natur längst vor langer, langer Zeit entschieden. Stimmt’s? Ja und? Die Menschen in der Mitte dessen, was man Europa zu bezeichnen pflegte, konnten sich auf solch markante Eckdaten nicht berufen. Das hätte ein Vorteil sein können, war es auch viele Jahrhunderte lang. Aber längst restlos vergessen! Man schaute in alle Himmelsrichtungen, trieb Handel, kannte die Routen, sprach viele Sprachen und Dialekte und man kannte seine Region. Dann aber kamen die Schlaumeier und meinten, man solle es denen nachmachen, die in klaren Verhältnissen lebten: England, Russland, Frankreich, Spanien.. Als ließe sich Geschichte über  e i n e n  Kamm scheren. Die andern als das Vorbild. Aber wie die trägen Massen überzeugen? Da half nur Gewalt – natürlich in einem feschen Gewand, versteht sich. Schicke Uniformen. Die Schlaumeier füllten auch das bis dahin leere WIR mit markanten Sprüchen wie Ehre, Volk, Tapferkeit, große Zukunft für alle und so. Das, was man bis dahin hatte, wussten sie schlecht zu reden, galt von da an als rückständig, gestrig, ein Verlierer-Modell. Aber man musste sich beeilen, denn die großen Vorbilder waren schon dabei, die restliche Welt unter sich aufzuteilen. Also, Tempo! Es ist schon spät! So starteten die tapferen Mannen gleich durch, schulterten zwei Weltkriege, es floss so viel Blut; und immer war die Rede von Stolz, von Ehre, von Revanche. In atemberaubendem Tempo. Da blieb wahrlich wenig Zeit zum Nachdenken, zum Sich Besinnen, zum Sich Erinnern. Verbissen und zerknirscht schaute man kleinlaut nach vorne. Man schaute sich beim großen Sieger ab, wie man wieder auf die Beine kommen könnte – nach solch einem Aderlass. Europa hieß die neue Losung. Die Vielfalt früherer Jahrhunderte in der Mitte Europas war inzwischen gründlich verdrängt und vergessen. Man möchte nun nicht noch einmal zu spät kommen, man prescht jetzt so richtig dynamisch nach vorne. „Wir lassen den Nationalismus einfach hinter uns und zeigen unseren Nachbarn, was ein wahrer Europäer ist!“ Beim Tempo legen wir einfach noch einen drauf.

Nehmt euch ein Beispiel an uns, so wie wir uns früher eins an euch genommen haben!“

Klingt doch echt gut oder?

Nur ein Vereinigtes Europa kann die Probleme der Zuwanderung, der Globalisierung, der Konkurrenz auf dem Weltmarkt, der Arbeitslosigkeit, der Umwelt lösen!“

Wer redet da eigentlich? Die verspätete Nation? Die Menschen Mitteleuropas? Nein. Es sind die Sprücheklopfer, die Angstmacher, die Besserwisser, die Parteipolitiker, die um ihre Pfründe fürchten, nicht der Mann und die Frau von nebenan, die sich Sorgen machen, wie sie die Miete, die Kredite, die Ausbildung der Kinder finanzieren sollen. Denn die brauchen wahrlich kein riesiges Europa, denen wäre schon geholfen, wenn ihre Region ordentlich versorgt würde. Das wäre ein überschaubarer Rahmen. Denen in den anderen Regionen geht es doch ähnlich. Gut nachbarschaftlich versteht sich doch von selbst. Bürokratentürme irgendwo, monströse Finanzberge gleich daneben sind der Frau und dem Mann von nebenan eher düstere Nebelkerzengebilde, verfilzt, korrupt. Da haben sie nichts von.

Aber wer so redet, der bekommt gleich die volle mediale Breitseite – gespickt mit lauter unschönen Kränkungen, Beleidigungen, Verunglimpfungen, Beschimpfungen. Da werden die sonst so auf Sachlichkeit pochenden „Fachleute“ ganz schön unsachlich.