18 Apr

Europa – Verraten und verkauft? (Meditation # 36)

Europa auf dem besten Weg ins eigene Vergessen?

Wie stolz waren die Europäer doch als Entdecker, als Kolonisatoren, als Entwicklungshelfer gewesen! Dann die beiden Weltkriege, die jedem humanen Gedanken Hohn spotteten. Es ging um Rohstoffe, um Absatzmärkte, um Handelsvorteile – mit nationalistischen und rassistischen Parolen ließen sich die Völker jahrelang vereinnahmen für Opfer und Tod. Im Schauder vor der eigenen Bereitschaft den anderen völlig zu vernichten, stimmte man nach 1945 gleich in den großen Chor „Nie wieder Krieg!“ ein. Aber die Gewalt kleidete sich bald einfach in neue, schillerndere Gewänder. Und nun? Verunsicherung, Wut, Schuldzuweisungskampagnen en masse…als ginge die Welt unter:

Jugendarbeitslosigkeit, Kriminalität, Korruption, Drogenkartelle,

Zerstörung der Umwelt, Vergiftung der Luft, Armut noch und noch.

Dabei geht es vielleicht aber nur um ein Erwachen aus einem falschen Traum: Europa sei – wie das Licht der Aufklärung – die Fackel des Fortschritts, Wohlstands und des individuellen Glücks all überall. Als Echo überholten sie dabei bald die Freunde jenseits des Atlantiks mit ihrem Motto von dem manifest destiny, dem festen Glauben,

der christliche Gott habe den weißen Mann dazu auserwählt, die gesamte Welt

mit seinem Wirklichkeitsentwurf zu missionieren und zu beglücken.

Die Globalisierung möchte nun noch einmal mit diesem Glauben Erfolge feiern. Aber die Ernüchterung nach so viel falschem Optimismus bei so vielen, die heute ärmer sind als vor 60 Jahren, ist größer denn je. Wie ein letzter Rettungsanker kommt da die Zauberformel TIPP daher – sie schaffe neue Arbeitsplätze, neuen Wohlstand, mehr Reichtum: „Wenn erst die USA und die EU ein solches Abkommen geschlossen haben, werde es ganz sicher wieder aufwärts gehen – hüben wie drüben!“ lautet die Botschaft, (schließlich geht die Schere zwischen arm und reich dort genauso rasant weiter auseinander wie hier) die wie ein Mantra unters Volk gespült wird. Es gäbe keine Alternative dazu – es sei denn, Niedergang, noch mehr Armut, letztlich vielleicht sogar wieder Krieg.

So sind die Angst-Texter dieser Tage höchst agil unterwegs, um die wütenden Menschen, die sich betrogen sehen, wieder einzusammeln.

Die Angst vor dem sozialen Abstieg wird da geschürt genauso wie die Angst vor Radikalisierung und Terror.

Was, wenn aber solcher Wachstums-Wirtschafts-Glaube solche Radikalisierung und solchen Terror erst begünstigt und schürt?

Und lassen sich die Europäer mit diesem Angst-Machen tatsächlich einsammeln?

Die nimmermüden Promoter könnten sich sehr geirrt haben. Denn die digitale Wolke mag viele Gefahren und Nachteile haben, einen Vorteil bringt sie jedenfalls unübersehbar: Die Menschen machen sich schlau, lachen über die Schlaumeier von Banken, Versicherungen, Börse, Meinungsumfrageinstituten und großen Parteien, denn die Skandale, Betrügereien und Korruptionsszenarien in Politik, Banken und Wirtschaft sprechen einfach eine zu deutliche Sprache.

Den Menschen in den verschiedenen europäischen Ländern wird auf einmal klar, dass sie der Litanei von mehr Wohlstand durch mehr Konsum auf den Leim gegangen sind, dass sie ihre eigenen historischen Besonderheiten leichtfertig über Bord geworfen haben zugunsten nivellierender Marken-Uniformität. Dass sie alle mitgeholfen haben, die eigenen Betriebe zu ruinieren, weil sie mehr und billiger haben wollten. Die Treuhand – was für ein schäbiger Euphemismus – lässt grüßen, um nur ein besonders markantes Beispiel aus Mitteleuropa zu nennen. Die Europäer lernen sich plötzlich ganz neu als Verwandte kennen: Als betrogene, verführte, getäuschte Völker. Und sie beginnen sich zu besinnen. Auf ihre je eigenen Kräfte und Besonderheiten. Das macht sie ganz anders solidarisch als bisher. Das Logo EU kommt darin gar nicht mehr vor. Die Fähigkeit sich zu erinnern, ist noch da, bezieht sich auf die gemeinsamen Wurzeln in Antike und Mittelalter. Allein schon die Erinnerung macht wieder Mut, denn aus diesen Quellen wuchs je Eigenes, Regionales, Überschaubares, Vertrautes. Etwas, das gar nicht in Zahlen oder Münzen angehäuft werden kann, etwas, das nur im gemeinsamen Vergewissern des Eigenen erlebt wird. Unverfälscht, aus der eigenen Geschichte gewachsen – es muss nur wieder neu erzählt werden, wieder neu gefühlt werden, als etwas, das unbezahlbar ist: Die eigene Identität aus der eigenen Geschichte der Familie, der Nachbarn, der Verwandten. Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft gehören da schon immer sowieso dazu.

22 Feb

Europa – Verraten und Verkauft??!! (Meditation # 31)

Was sagt uns eine Headline dieser Tage, die so daher kommt:

„Merkel kämpft gegen Isolation in Europa“?

Getrieben von ihrem Glauben „Wir schaffen das“ – fast schon wie eine Wiedergeburt der Jeanne d’Arc – scheint da eine Frau einsam und alleine einen Krieg gegen viele zu führen. Die Zuschauer drum herum grinsen hämisch: Das hat sie nun davon. Wir haben es doch von anfang an gewusst: Das Boot ist voll. Die Kanzlerin sollte sich lieber mal um die eigenen Leute kümmern – in der Lausitz zum Beispiel – oder um die, deren wirtschaftliche Existenz mit Hilfe der Treuhand weg rationalisiert wurde und die jetzt Langzeitarbeitslose sind, mit Kindern, die auch längst resigniert haben, keine Schulabschlüsse mehr machen wollen, nur noch ihre hausgemachte Kränkung pflegen. Isoliert ist nämlich in diesem Sinne nicht Frau Merkel, sondern die, die jetzt hohlwangig und schlecht gelaunt jaulen: „Wir sind das Volk!“

Es sind eine ganze Reihe, die jetzt aus ihren selbstgebastelteten Unterständen steigen und so tönen; und jedenfalls genug, um der schweigenden Mehrheit eine Pseudo-Angst einzujagen. Und schon werden sie hellhörig für „neue Slogans“, die wie Alternativen daherzukommen scheinen.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund die kommenden Landtagswahlen, so ist es ganz und gar nicht abwegig zu vermuten, dass noch mehr als bei den letzten Wahlen Wechselwähler einfach spontan denen da oben eins auswischen werden. Um nun aber nicht in die gleiche Psycho-Falle zu tappen und ebenfalls Angst zu erzeugen, sei angemerkt, dass unser Augenmerk mehr auf die helfenden Menschen gerichtet sein sollte. Denen ist der Polit-Jargon einfach zu luftig und zu parteipolitisch motiviert; sie gehen lieber gleich hin zu den verstörten Fremden und fragen einfach nach: Wo und wie kann ich helfen? Diese breite Solidarität – ihr bleibt keine Zeit für große Töne – ist so ein gutes Lebensgefühl, so eine wohltuende Nähe mit Gleichgesinnten und dankbaren Betroffenen, dass Angstmache und Kleinmut davor wie Schnee an der Sonne schmilzen.

Und die Überschrift: „Merkel kämpft gegen Isolation in Europa“ entpuppt sich so als falsches Bild zum falschen Zeitpunkt. Leeres Kriegswortgerassel. Jedes Land in Europa kümmert sich um seine Flüchtlinge auf jeweils eigene Weise. Da bedarf es keiner Bevormundung oder Besserwisserei. Und wenn die Kanzlerin ihr Konzept in Europa nicht durchsetzen kann, dann spricht das nicht gegen die Kanzlerin, sondern lediglich gegen das Konzept – wenn überhaupt. Wie heißt es doch so schön in einer verständlichen Übersetzung eines lateinischen Aphorismus‘:

„Irren ist menschlich, aber im Irrtum zu verharren, ist töricht.“

Die Kanzlerin hat nicht nur sehr menschlich gedacht und geplant, nein, sie ist auch nicht töricht, weil sie – da die Anforderungen im eigenen Land mit so vielen Hilfsbedürftigen stündlich wachsen und wachsen – einsieht, dass ein bescheideneres und vorläufigeres Konzept jetzt nottut, das sie gemeinsam mit den gutwilligen Mitbürgern nun im eigenen Land in den Mittelpunkt stellen muss. Nachbarländer sind gerne eingeladen sich einzuklinken. Schaulustige sind da wie überall in Notsituation nur Störenfriede, weiter nichts. Deren Kommentare sind deshalb auch geschenkt. So ist die Kanzlerin beileibe nicht isoliert, sondern handelnd in der Mitte angekommen, aus der heraus pragmatische Lösungen pragmatisch von Tag zu Tag weiter umgesetzt werden. Auch mit befreundeten Nachbarländern. Ähnliches wird auch in allen anderen Ländern Europas geschehen. Die Verteilung von Mitteln aus der Kasse der EU ist doch vertrautes Muster. Da wäre sicher auch England dabei. Diesmal muss eben nur nicht ein Wirtschaftszweig subventioniert werden, sondern es dürfen Gelder zukunftsweisend und Arbeitsplätze schaffend nach altbewährtem Schlüssel ausgeschüttet werden. Alles andere wäre lediglich klagen auf hohem europäischen Niveau.

Auf internationaler Ebene allerdings sollten sich die Großen Acht endlich zusammenfinden und massiv mithelfen, dass über all da, wo bisher zu Niedrigstlohnkosten unser Wohlstand gesichert wird, faire Verhältnisse geschaffen werden, die Flucht keine Option mehr sein lassen.