18 Feb

Europa – Meditation # 130

Gefolgschaft – auch im Tarnen und Täuschen – erster Gesang

Seit Heraklit punktgenau meinte, alles fließt,

und Lukrez gelassen hinzufügte, übrigens hängt auch alles mit allem zusammen und nichts geht verloren,

ist zwar viel Wasser den Euphrat und Rhein heruntergeflossen, aber ein paar Eigenschaften der Erdlinge scheinen einfach hartnäckig im Aussitzen zu sein:

Lügen haben kurze Beine, ist demzufolge wohl eher ein Euphemismus denn ein gelungenes Bonmot. Auch die Bibel geht dieses Thema forsch und furchtlos an, wenn es heißt:

Und er weinte bitterlich.“

Wer? Wer wohl. Kein geringerer als Petrus selbst, der aus Angst vor Knast lieber seinen Herrn verleugnete und gleich dreimal log, als wahrhaftig zu seinem Glauben zu stehen.

Warum nun dieser kleine bildungsbeflissene Exkurs in die europäische Kulturgeschichte?

Nun, weil sich aus heutiger Sicht – und zwar nicht nur in Europa, sondern mehr oder weniger flächendeckend und global – das Lügen als erfolgreichste Variante menschlichen Erfolgs herauszustellen scheint.

So, so.

Fangen wir einfach mal mit den Europäern an.

( Zu den praktischen Kürzeln: NT, NATO, EU kommen wir dann im zweiten Gesang!)

Die Europäer zogen mit ihren Schiffen einst in die Welt hinaus und verkauften christliche Liebe, Humanität, „Zivilisation“ und Ordnung als   d i e   frohe Botschaft – subkutan breitete sich allerdings eine ganz andere Botschaft aus: Wir sind geboren zum Beherrschen der Welt – als Echo später nicht zu überhören im MANIFEST DESTINY. So machte man sich mit guten Worten und nachhaltiger Gewalt (und dem Segen der Kirche und des lieben Gottes) große Teile der Welt untertan. Auch China wurde ordentlich stranguliert. In England, Belgien, Frankreich, Holland und Spanien wuchsen Villen,Schlösser und Paläste wie Pilze aus dem Boden. Die Mittel dazu erzwangen die Europäer aus den Kolonien, Jahrhunderte lang.

Dann machten sich die Amerikaner – auch ehemalige Europäer – daran, das begonnene Geld-Herrschaftssystem zu verdollarisieren. Immer mit der frohen Botschaft verknüpft, man wolle den „Unterentwickelten“ doch nur zu ihrem Glück verhelfen. Glück hatten allerdings nur die Verkünder solcher Lügen. Und als probater Weichspüler funktioniert dabei schon lange der christliche Persilschein, genannt Beichte -„alles gottgewollt“ . Wunderbare Lösung.

So verschwand die eigentliche Lüge hinter solchem Tun in Kellern und Verliesen. Da modern sie still vor sich hin.

Jetzt werden alte Lügen aufpoliert und runderneuert – doch davon mehr im nächsten Gesang!

22 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 76

Die Attentäter verpassen ihr Attentat

Thortys und Nemetos – immer noch völlig erregt von dem verführerischen Bild, das sich vor ihren Augen gerade abspielt – werden brutal aus ihrer Gier hinaus gezerrt, als die zuschauenden Frauen, aber auch die atemlosen jungen Priesterinnen nun laut klatschen und zu jubeln beginnen. Chandaraissa und Europa freuen sich gerne mit. Ihr angekündigter Festbeitrag kommt gut voran, denken die beiden. Archaikos wird Augen machen. Das wird ein Fest!

Die Nachmittagssonne hüllt das Schauspiel, das da gerade im großen Tempel der großen Göttin zu Ende geht, in warmes, weiches Licht. Die beiden Männer stehen da mit offenem Mund und erregten Gliedern. Fassungslos. Da fällt ihnen wieder ihr Auftrag ein. Sie sehen gerade noch, wie diese Europa, diese gefährliche Fremde, mit der Hohenpriesterin im Tempelinneren verschwindet. Die sollte jetzt in ihrem Blut liegen.

Mist!“ zischt Nemetos wütend. Thortys nickt missmutig.

Warum haben wir es nicht getan?“ flüstert er und sucht mit der freien Hand den Dolch unterm Gewande. Die andere Hand stützt ihn an der dicken Säule ab. Gleichzeitig gehen den beiden üble Gedanken durch den Kopf: Sardonios, ihr Herr und Auftraggeber, wird toben. Nein, er wird nicht nur toben, er wird strafen. Und wie! Als sich die beiden nun erschrocken anschauen, sehen sie die Angst in den Augen des anderen überdeutlich. Sie wissen, dass es keine Ausreden geben kann. Sie sind erledigt.

Da kommen Sarsa und Belursa – noch ganz außer Atem und in ihren bunten, wehenden Tüchern – auf sie zugelaufen. Sie wundern sich. Warum sind ihre Männer überhaupt hier? Woher wussten sie von dieser Tanzprobe?

Hat es euch gefallen?“ fragt Belursa schnippisch und immer noch schnaufend – so sehr hat der Tanz sie angestrengt.

Klar, klar – wir, äh, also, das sah richtig gut aus, stimmt´s?“

Ja, seh ich auch so, genau“, plappert Thortys hinterher und muss dabei die ganze Zeit auf ihre Brüste schauen, die sich unter den durchsichtigen Stoffen heben und senken. Die beiden Frauen können ein Lachen kaum unterdrücken.

Was macht ihr denn eigentlich hier, ihr beiden? Habt ihr nicht Dienst im Palast?“

Nemetos fühlt sich völlig überfordert mit dieser Frage. Er hatte ja gar keine Zeit, sich eine kluge Ausrede auszudenken. Hilfesuchend blinzelt er zu seinem Kumpel rüber. Der guckt aber auch nicht besser aus seinem schmutzigen Hemd. Sarsa und Belursa warten ungeduldig auf Antwort, aber da kommt keine.

Habt ihr die Sprache verloren?“ bohrt Sarsa nach.

Nein, nein, wieso denn? Wir…wir hatten gerade eine Freistunde, da dachten wir, wir schauen einfach mal, was unsere Frauen so machen…“

Nemetos ist mächtig stolz, dass ihm solch ein kluger Satz kam.

02 Dez

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 70

Das Treffen in der Höhle der guten Geister

Das fühlt sich gar nicht gut an, denkt Thortys. Auch sein Kumpel macht keinen aufmunternden Eindruck. Und dann dieser Blick von Sardonios. Düster, bedrohlich. Was will der denn jetzt von ihnen? Fischen? Jagen? Wenn sie den doch nur los werden könnten, diesen eitlen Palasthengst. Verängstigt huscht sein Blick die bröcklige Decke der großen Höhle entlang. Fledermäuse? Oder die guten Geister selbst, die hier oft zusammenkommen? Wenn er nur wüsste, was Sardonios von ihnen will, wenn er es nur wüsste. Nemetos neben ihm glotzt wortlos vor sich hin. Und die Geschichte mit ihren Frauen ist ihm auch nicht geheuer.

Was bist du denn so unruhig?, fragt Nemetos gereizt.

Thortys fährt erschrocken aus seiner Grübelei hoch. Also glotzt er doch nicht bloß vor sich hin? Hat er mich insgeheim misstrauisch beobachtet?

Ich und unruhig? Wieso?“

Nur so, nur so“, knurrt Nemetos.

Draußen hören sie ein knackendes Geräusch. Sardonios?

Die beiden atmen hektisch ein und aus. Sie werfen sich kurz wortlos Blicke zu: Jetzt nur nicht ängstlich wirken. Wir haben alles im Griff. Klar doch.

Da erscheint auch schon der Herr der Listen und Zahlen im Eingang der Höhle. Seine Augen müssen sich erst an das Dunkel drinnen gewöhnen. Gleich bellt er los:

Wo steckt ihr denn?“

Hier Herr“, antworten sie sofort und kommen ihm entgegen. Sie gehen dabei sehr aufrecht und versuchen so etwas wie ein kleines Willkommenslächeln. Mit einer entschiedenen Geste gibt Sardonios ihnen zu verstehen, in die Hocke zu gehen, um seine Anweisungen demütig entgegenzunehmen. Heftiges Geflatter oben im Gewölbe der Höhle. Also doch keinen guten Geister, nur Vögel, Störenfriede.

Jetzt hört gut zu, denn ihr seid ausgewählt worden, dem Minos von Kreta einen großen Dienst zu erweisen.“

Sofort stellt sich bei ihnen in der Magengegend ein blödes Störgefühl ein: Großer Dienst? Das kennen sie. Immer wenn von „großem Dienst“ die Rede ist, gilt es Drecksarbeit zu erledigen. Immer. Zugleich nicken sie, als seien sie erfreut über diese Botschaft.

Die Fremde, Europa, ihr wisst schon, muss verschwinden. Archaikos hat sich bei den alten Sehern kundig gemacht und die haben ihn gewarnt: Die Fremde sei eine große Gefahr für Kreta und für ihn. Und es müsse schnell gehen, bevor etwas Schlimmes auf der Insel geschieht. Die alten Götter erwarteten das von ihm. Und so habe Archaikos ihn, Sardonios, beauftragt, das Nötige umgehend in die Wege zu leiten. Ihr versteht?“

Sardonios ist völlig überrascht über seine Geistesgegenwart, wie einfach diese frei erfundenen Sätze ihm über die Lippen gesprungen kamen.

Nemetos und Thortys verstehen gar nichts. Das einzige, was ihnen aber sofort klar wird, ist, dass sie mal wieder die Drecksarbeit erledigen müssen.

Wie immer. Mist.