31 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 170

Athanama und Chaturo erliegen dem Zauber der Insel.

Europas Zwillinge, Sadamanthys und Parsephon, stürmen gleich los: Nach dem verheerenden Schiffbruch, der Todesangst, sind sie nun wieder in Abenteuerlust. Wäre doch gelacht, wenn wir auf dieser unbekannten Insel keine Quelle oder gar keinen Brunnen fänden, denken sie übermütig. Nach Norden – sie wissen selbst nicht, warum sie diese Richtung wählen, aber es fühlt sich gut an. Schroffe Felswände fallen steil zum Meer ab, von Menschen keine Spur. Schafköttel. „Na bitte, wenn es hier Schafe gibt, dann muss es hier auch Wasser und eigentlich auch Bauern geben“, ruft Parsephon seinem Bruder hinterher. „Klar, sag ich doch!“

Auch Athanama und Chaturo machen sich auf den Weg. Europa aber ist zu erschöpft. Sie will zur Göttin beten. Hoffnungsvoll schaut sie den beiden hinterher. Sie ist so müde und ratlos. War es falsch, zum Orakel nach Sidon zu wollen? Doch da überrascht sie ein finsterer Gedanke: Wie, wenn der Bote gar kein Bote aus Sidon war, sondern ein Dämon, der sie in den Tod locken sollte? Geschickt von, von…Sie will den Gedanken gar nicht zu Ende denken.

Chaturo klettert gerade einen steilen Pfad hoch, als er eine kleine windgeschützte Wiese vor sich hat. Sie sind schon eine ganze Weile unterwegs. Durstig, müde.

„Athanama, komm, hier können wir einen Pause machen“, ruft er schwer nach Luft schnappend.

Athanama schaut hoch zu ihm: Was für eine kraftvolle Gestalt, was für eine Ausstrahlung! Sie ist mehr und mehr begeistert von ihm. Sie spürt, dass die große Göttin sie zusammenführen will. Gerne folgt sie der Aufforderung. Und als sie ihn jetzt vor sich im Gras liegen sieht, weiß sie, dass diese der Augenblick ist, von dem sie schon so lange geträumt hat. Chaturo liegt vor ihr mit geschlossenen Augen. Die Sonne glänzt auf seiner schwitzenden Haut. Gelassen lässt sie ihr Gewand fallen, steht nun breitbeinig über ihm. Ihr Herz klopft heftig und schön, ein lustvolles Lachen schmückt ihr Gesicht. Und als Chaturo den Schatten, der über ihn fällt, spürt, öffnet er sofort seine Augen: er kann es nicht fassen, es muss ein Traum sein. Aber da beugt sie sich schon über ihn, wickelt ihn aus seinen Kleidern kniet sich und lässt sein längst steil aufgerichtetes Glied in sich gleiten. Ihr Stöhnen nimmt der Seewind mit auf seine Reise über die Insel. Lange können sie nicht von sich lassen, lange lassen sie sich einfach wollüstig gehen. Ein Bildersturm fegt durch ihre Köpfe, Gänsehaut fast überall, schwerer Atem.

Währenddessen laufen die Zwillinge weiter Wasser suchend Richtung Norden. Keine Schafe, keine Hütten, nichts. Nur Gras, Felsen, windschiefe Kiefern, verkrüppelte. Und eine eigenartige Stille über all dem. Dann bleiben sie beide unvermittelt stehen. Denn vor ihnen – gleich auf der übernächsten Anhöhe – strahlt ihnen ein kleiner Tempel entgegen. Atemlos bleiben sie stehen, staunen. Träumen sie? Wollen sie diesen Tempel einfach nur sehen oder sehen sie ihn wirklich?

„Vielleicht ein Quellheiligtum?“ fragt Sadamanthys seinen Bruder.

„Hä?“ ist alles, was er zur Antwort bekommt, dann aber laufen sie um die Wette los, sie sind ja so durstig, so erschöpft. Hoffentlich ist es ein Quellheiligtum betet Parsephon stumm in sich hinein, hoffentlich. Und als sie nun die alte Holztüre aufstoßen, sind sie beide völlig sprachlos. Mitten im düsteren Raum erkennen sie auf eine Quaderstein eine tanzende Figur. Ein nackter Faun. Beide Arme streckt er in die Höhe und im Näher Treten erkennen sie auch das lüsterne Grinsen in seinem alten Gesicht. Sein übergroße Gemächt zwischen den krummen Beinen scheint ihn fast mächtig zu Boden zu ziehen.Ratlos schauen sich die beiden Brüder an, dann müssen sie laut lachen. Und dieses Gelächter bleibt hallend im zwielichtigen Tempelraum gefangen.

„Von wegen Quellheiligtum!“ ist alles, was Parsephon schließlich raus bekommt. Sadamanthys nickt enttäuscht, denn der Durst lässt einfach nicht nach.

„Aber wenn hier so ein Tempel steht, dann müssten eigentlich auch Menschen auf dieser Insel sein und wenn Menschen da sind, muss es auch Wasser geben“, beschließt Parsephon seine erlösende Schlussfolgerung.

Und schon wenden sie dem geilen Faun und seinem Tempel verächtlich den Rücken, laufen einfach weiter, denn sie müssen ja auch den gesamten Weg wieder zurück, zur Mutter, laufen, heute!

Stumm liegen die beiden Liebenden nebeneinander im Gras, das Glitzern der Schweißperlen auf ihrer Haut erzählt scheinbar noch einmal von der Fülle und Pracht ihres glücklichen Augenblicks, eben. Vollkommene Stille umgibt sie, und die warme Sonne trocknet die vielen bunten Perlen auf ihrer immer noch zitternden Haut.

„Hörst du es auch?“ fragt Chaturo leise.

„Was?“ fragt Athanama.

„Das Tropfen.“

24 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 169

Ohne Wasser und Brot gestrandet, allein.

Chaturos Stimme holt Europa aus ihrem Alptraum, in dem sie gerade fest hing. Sie versucht ihre von Sand und Salz verklebten Augen zu öffnen. Vielleicht bilde ich mir die Stimme auch nur ein, denkt sie verzweifelt. Aber da hebt Chaturo schon vorsichtig ihren Kopf hoch und redet eindringlich auf sei ein:

„Europa, mach die Augen auf! Komm! Wir haben überlebt!“

Nach und nach schaffen es ihre Lider, Licht in ihre grünen Augen fallen zu lassen. Stöhnend und von Angstschüben geschüttelt starrt sie nun in das freundliche Gesicht des Kapitäns.

„Wo sind wir, wo sind die anderen, was ist aus dem Schiff geworden?“ flüstert sie zwischen ihren aufgesprungenen Lippen heraus. Chaturo lacht.

„Na, wenn du so viele Fragen auf einmal stellen kannst, bist du ja richtig lebendig, trotz allem!“

Europa versucht zu lächeln. Aber es will ihr nicht gelingen. Zu groß ist die Angst, dass ihre Söhne, dass Atawima ertrunken sein könnten. Schwer geht ihr Atem, Chaturo hilft ihr, sich in eine Sitzstellung zu bewegen. Dabei brennt ihnen die Sonne auf die Haut, trocknet ihre Gewänder. Dazu ein warmer Wind, der sie zu streicheln scheint.

„Bitte, sag, sag, was los ist, bitte!“ ist alles, was sie zustande bekommt.

Wenn sie Chaturo zugehört hätte, hätte sie verstanden, dass alle überlebt haben, aber sie hatte nur die Stimme gehört, hatte nicht auf die Worte geachtet.

„Komm, Europa, komm, ich bringe dich zu ihnen. Sie sind ganz in der Nähe.“

Europa meint, unendlich müde zu sein. Ihre Beine bleischwer, ihr Herz noch schwerer. Chaturo hilft ihr hoch, hält sie mit einem Arm um ihre Hüfte halbwegs aufrecht. Und so stolpern sie zwischen Felsbrocken, Binsenbüschen und Sandmulden – mit der brennenden Sonne nun im Rücken – in die Richtung, in die Chaturo gezeigt hatte. Das Licht, das Licht, die Göttin. Europa bekommt keinen klaren Gedanken zusammen.

Jetzt sieht sie vor sich jemand winken. Wer ist das?

„Europa, Europa, Freundin, wir leben!“ ruft Atawima ihr entgegen. Europa gelingt nur ein gequältes Lächeln. Wo sind ihre Söhne? Diese unbeantwortete Frage sprengt ihr fast das Hirn. Wo? Die Angst in ihr lässt es nicht zu, die Frage zu stellen.

„Sadamanthys und Parsephon sind gerade unterwegs, sie suchen Wasser!“ ist das nächste, was sie hört und sie endlich erlöst: Sie leben! Oh, große Göttin, du hast deine Hand über uns gehalten, uns gerettet, betet sie still.

„Chaturo, wo sind deine Leute?“

Während Atawima Europa hilft, sich in den warmen Sand zu setzen, breitet Chaturo verzweifelt seine Arme aus, schüttelt den Kopf, seufzt tief auf:

„Ach, Europa, die Guten, die Tapferen! Sie haben versucht, die Borea vor dem Sinken zu retten. Dabei sind sie alle mit untergegangen, alle!“

Europa weint, Atawima auch, selbst Chaturo kommen die Tränen. Was für ein Schicksalsschlag für sie alle, was für ein Unglück!

„Mutter, Mutter!“ Europa hört Parsephons Stimme und winkt erleichtert in seine Richtung. Die Zwillinge kommen auf sie zu, knien nieder, umarmen Europa. Aber auch sie sind völlig erschöpft, durstig, hungrig, müde.

„Habt ihr kein Wasser gefunden?“ fragt Chaturo in das einsetzende Schweigen hinein. Die beiden schütteln nur ihre Köpfe.

„Wo sind wir denn überhaupt an Land gespült worden?“ fragt Atawima Chaturo.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es könnte die Insel der Aphrodite sein!“

„Dann lasst uns zu ihr beten, bevor wir uns auf die Suche nach Wasser oder einer kleinen Siedlung machen!“ will Atawima den Verzweifelnden Mut machen. Chaturo hat schon öfter an der Insel Halt gemacht, aber er weiß auch, dass hier im untersten Südwesten der Insel niemand wohnt, niemand.

Hätten wir doch nicht zu dem Orakel nach Sidon reisen sollen, fragt sich insgeheim Europa, hätten wir einfach mutig…Da spricht sie Parsephon leise von der Seite an:

„Mutter, hast du dich nie gefragt, ob dieser Bote aus Sidon vielleicht gar keine Bote aus Sidon war?“

Europa zuckt zusammen. Doch ganz kurz hatte sie auch diesen Gedanken gehabt, ihn aber gleich wieder verworfen. Sie wollte es einfach glauben, sie wollte zurück in ihre Geburtsstadt. Jetzt wird sie vielleicht für diese eigensinnige Entscheidung bestraft. Warum hat die große Göttin denn ihre Hand von mir zurückgezogen, warum? Wie soll sie denn jetzt ihrem Sohn antworten?

„Wir müssen unbedingt eine Wasserstelle finden, wir verdursten sonst!“ erwidert sie Parsephon. Der ist völlig überrascht. Warum beantwortet sie nicht seine Frage? Hätte sie sie vielleicht mit ja beantworten müssen?

„Du hast Recht, Mutter, wir müssen unbedingt eine Wasserstelle finden“, antwortet er ihr und schließt wieder zu seinem Bruder Sadamanthys auf.

27 Dez

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 168

Aphrodite in Eifersucht schön empört.

Im Olymp herrscht dicke Luft. Zeus würde am liebsten runter zu seinem Bruder Poseidon, um nicht Rede und Antwort stehen zu müssen. Hera wittert wieder so eine undurchsichtige Geschichte ihres Gatten und Athene spürt erneut, wie dünn das Eis ist, auf dem ihre Eltern tänzelnd ihre Beziehung inszenieren.

„Nein, nicht später, jetzt will ich ihn sprechen, jetzt!“ faucht Aphrodite mit Nachdruck, als sie im Foyer hin und her tigert. Hera hebt beschwichtigend ihre Arme, verdreht dabei ihre Augen und denkt zugleich: Dass die sich aber auch immer so aufspielen muss, echt!

„Athene, kannst du gerade mal zu deinem Vater ins Sprechzimmer gehen und ihn bitten herzukommen, ja?“

„Das ist sicher gar nicht mehr nötig – bei dem Lärmpegel, der hier gerade herrscht!“

Und wirklich, gerade als Aphrodite Athene über den Mund fahren will, erscheint Zeus im Flur des Olymp und tut so, als wäre er völlig überrascht vom Besuch Aphrodites:

„Aphrodite, liebe Tochter, wie schön, dass du uns besuchen kommst!“

Aphrodite atmet tief durch, stemmt ihre Hände in die Hüfte und legt auch gleich los:

„Papa, was soll das denn? Eine phönizische Prinzessin kommt da einfach mit ihren Freundinnen und mehreren Männern auf meine Insel – unangemeldet – und räkelt sich am Strand, als wäre sie zu Hause in ihrem Bad?“

Hera weiß sofort, von wem die Rede ist, Zeus natürlich auch, aber er spielt den völlig überraschten:

„Jetzt beruhige dich doch erst einmal, Aphrodite, komm, wir setzen uns in die Bar, trinken erst einmal etwas und reden dann in aller Ruhe über diesen Besuch auf deiner Insel, ja!“

Hera bekommt fast einen hysterischen Anfall, Aphrodite schüttelt nur beleidigt mit dem Kopf, während sich Athene köstlich amüsiert. Sie kennt ihren Vater nur zu gut; sein nervöses hin und her Tänzeln, sein zappliges Winken mit den Händen und sein leicht gerötetes Gesicht verraten nur zu deutlich, dass er ziemlich verlegen ist und lieber jetzt ganz woanders wäre.

Trotzdem bewegen sie sich nun alle Richtung Bar, wo Hera die Drinks zusammenmischt. Und als sie jetzt bequem in ihren Kissen liegen, hat sich auch die Spannung zwischen ihnen etwas gelegt.

„Prost!“ Zeus hält seinen Kelch hoch, lächelt, als wäre er der glücklichste Mensch, bzw. Gott auf der Welt und im Olymp, räuspert sich umständlich, nachdem er einen ordentlichen Schluck von seinem Nektar genommen hat und beginnt dann so:

„Tja, also, wenn du mich fragst, dann könnte ich vielleicht Poseidon fragen, ob der weiß, um wen es sich da handeln könnte.“

Aber da fährt ihm gleich Hera in die Parade:

„Also wirklich, tu doch nicht so, als wenn du nicht wüsstest, wer da gestrandet ist.“

Die Frauen schauen – den Atem anhaltend – alle auf Zeus, der jetzt den Mund aufsperrt, den Kopf hebt, große Augen macht und erst einmal vernehmlich einatmet:

„Ach so, ach so, du meinst diese Schiffbrüchigen, ach so! Tja, da ist nämlich gestern eine Gesandtschaft von Kreta los gesegelt, die wollten nach Sidon zum Orakel, glaub ich, aber unterwegs ist ihnen eine heftiger Sturm dazwischen geraten.“

„Na bitte! Siehst du Aphrodite, natürlich weiß er, wer das ist, stimmt‘s?“

Erwartungsvoll schaut Hera ihren Mann an, der aber mit dem Kopf schüttelt.

„Tut mir leid, mehr kann ich nicht dazu sagen, Genaueres wüsste aber sicher Poseidon.“

Hera macht komische, schnalzende Geräusche, schnauft wie ein Walross, und eröffnet dann der Runde:

„Es handelt sich bei dieser Fremden um eine gewisse Europa – ihre Eltern, Agenor und Thelephassa, waren das Königspaar von Sidon, beide aber inzwischen nicht mehr unter den Lebenden; diese Europa ist unterdessen mit dem Minos von Kreta verheiratet – oder?“

Zeus starrt seine Gattin an, als hätte die gerade gesagt, im Olymp sei eine schlimme Krankheit ausgebrochen; er kann es einfach nicht fassen. Wo hat Hera denn diese Informationen her, fragt er sich sehr peinlich berührt. Woher weiß sie das alles? Kennt sie vielleicht sogar seine „weißer-Stier-Entführungs-Geschichte“?

„Also, also, meine liebe Aphrodite, weißt du was? Ich hole gerade mal Poseidon, der wird Heras Meinung sicher bestätigen oder widerlegen können – einverstanden?“

Und schon hat er sich sportlich aus seinem Kissen hoch gekämpft und läuft einfach davon. Die drei Frauen bleiben völlig sprachlos zurück.