21 Mrz

Liste der Schreibversuche und öffentliche Lesungen 2017

Theaterstücke:  Salome tanzt nicht mehr / Hotelgäste / Auftauchende Unterseeboote / Der Weg ist das Ziel

Lyrik: In der lebendigen Sanduhr lautlosem Fließen fast vorzeitig ertrunken

Romane: Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück (Teil I  und  II )  Historische Romane aus minoischer und frühmittelalterlicher Zeit

Fabeln: Sieben Freunde unterwegs in Phantasinien – die kleine Fee von der Butterblume erzählt die Geschichten ihrer Freunde

 

js  liest aus seinen Versuchen im Rahmen der „Nacht der Kultur“ in Bückeburg – am Freitag, den 16. September 2016  um 22 Uhr in der alten Stadtbücherei – Die Fabel: „Manchmal hat man gute Freunde furchtbar nötig“

js  liest aus seinen Versuchen mit neuer Auswahl in der alten Stadtbücherei in Bückeburg -am Freitag, den 21. Oktober 2016 um 17 Uhr (s. auch die Ankündigungen in der Presse und auf Plakat) – Ausschnitte aus seinen beiden Romanen, Beiträge aus seinem blog www.johannes-seiler.de und aus autobiographischen Blättern

js liest aus seinem zweiten Roman – Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück zweiter Teil – am Freitag, den 22. September 2017 um 21 Uhr im Rahmen der  „Nacht der Kultur“  in der Stadtbücherei in Bückeburg;  der Roman spielt im 6./7. Jahrhundert und schildert die entbehrungsvolle Reise eines irischen Abtes und seiner Mitbrüder  von Irland durch Westeuropa bis an die Fulda; auch neue autobiographische Blätter werden vorgestellt werden

19 Mrz

Europa – Mythos # 30

Die Angst gebiert eine Lüge nach der anderen. Und Zeus hat seine große Freude an seiner kleinlichen Rache

Sardonius, der Herr der Hofhaltung, der Herr der Sicherheit des Minos und der Herr der Abgaben, geht unruhig auf und ab in seinem Amtsraum. Was soll er mit diesem neuen Wissen anfangen? Wenn es wirklich wahr ist, dass Chandaraissa, die stolze und hohe Priesterin, einen Giftanschlag auf den Minos von Kreta plant, dann wäre das die Gelegenheit für ihn, das Amt des Hohenpriesters an sich zu reißen. Archaikos bliebe gar nichts anderes übrig, als es ihm zu überlassen. Als Dank sozusagen. Wenn es aber nicht wahr sein sollte – das Gestottere seiner beiden Spione kam ihm doch sehr verdächtig vor – dann wäre es sein Untergang. Thortys und Nemetos wären dann zwar Futter für den heiligen Stier, aber er selbst müsste mit dem Feuertod rechnen. Archaikos würden ihn sicher gerne brennen sehen.

Draußen wird es stiller, das Gewitter hat sich verzogen. Nur noch seltenes fernes Grollen kann er hören. Er braucht jetzt frische Luft, dringend. So stößt er die Flügeltür zu seinem großen Balkon auf und tritt in die wieder hell glänzende Mondnacht. Frisch gewaschene, kühle Nachtluft. Gierig saugt er sie in sich, immer wieder. Doch das Unbehagen in der Magengrube will einfach nicht weichen. Gerade geben die düsteren Wolkenränder die Silberscheibe mit den grauen Flecken darauf wieder frei. Sardonius sieht es freudig erregt, denn das nimmt er gerne als ein Zeichen der Götter. Sie wollen, dass er Klarheit schafft. Nur so ist dieses Schauspiel am Himmel jetzt zu deuten. Nur so. Ein Lächeln breitet sich behäbig auf seinem Gesicht aus, als er tief einatmet und der Schwere in sich befiehlt endlich zu verschwinden. Ein fast berauschendes Gefühl in seiner Brust macht sich breit. Noch einmal atmet er tief durch. Dann ist er sich sicher: Der große Auftritt des vollen Mondes und der reine, kühle Äther sind die beiden Erscheinungen, die ihm seine Zweifel davon jagen. Es muss wahr sein. Er muss es sofort weitergeben.

Und aus diesem tief dunklen Äther schauen grinsend die drei göttlichen Brüder auf die zappelnden Erdlinge herab, reiben sich die Hände, sind sehr zufrieden. Ihr Fluch zeigt erste Wirkung. Denn nicht nur Europa wird büßen müssen, nein, auch die Frauen um sie herum, die scheinheiligen, mit ihrem ärgerlichen Lächeln und ihrer entwaffnenden Freundlichkeit. Es soll ihnen noch ordentlich vergehen. Und mit Schmerzen! Die Männer machen anscheinend gerne für sie die Drecksarbeit. Feine Sache, das.

Archaikos geht wie in einem traumhaften Lustgarten mit geschlossenen Augen in seinem großen Schlafraum hin und her und schwelgt in Bildern, die die neue Frau, diese Europa, beleben; wie sie ihn leicht verführt, ihn gerne schwach werden lässt, ihn beglückt mit ihrem Summen, ihrer wunderbar weichen Stimme, ihrem federleichten Streicheln, mit ihrer unwiderstehlichen Schönheit, Nacktheit und so noch nie erlebten Schamlosigkeit. Ein Fest der Sinne nach dem anderen erlebt er mit ihr. Jedes so stark, als wäre es das erste. So oft nun schon. Sie wird die neue Frau an seiner Seite werden. Sie soll ihm einen Sohn schenken. Dann ist seine Herrschaft gesichert. Er wird Sardonius auftragen, die weisen Frauen im Tempel, vor allem aber Chandaraissa zu befragen, ob die Zeichen für solch einen Schritt günstig sind. Die kühle Luft, die nach dem Gewitter nun durch die Gänge des Palastes streicht, erregt ihn auf eigenartige Weise neu. Klarheit, denkt er. Klarheit inmitten der Nacht. Warum soll ich das nicht schon als Vorzeichen nehmen?

Da wird er aus seinen hochfliegenden Gedanken gerissen. Ein Klopfen im Vorraum, wo seine Wächter hellwach ausharren müssen, damit der Minos von Kreta ungefährdet schlafen kann. Was hat das zu bedeuten? So spät noch?

„Tritt ein, Wachmann, was soll die unbotmäßige Störung jetzt?“

Der liegt schon auf den Knien, zitternd. Er kennt die Launen des Minos nur zu gut. Aber er glaubt einen entlastenden Grund vortragen zu können, leise, sehr leise:

„Mein Herr und Minos, der Herr der Hofhaltung will euch dringend, sehr dringend sprechen!“

Sardonius? Wie durch einen bösen Zauber ist sein Hochgefühl verflogen. Was will der denn jetzt? Den will er jetzt gar nicht sehen. Aber es muss wichtig sein, sonst würde er es nicht wagen, so spät noch vorgelassen zu werden!

19 Mrz

Europa – Verraten und verkauft (Meditation # 33)

…der werfe den ersten Stein…

Als wären es lauter bunte Kasperle-Figuren, die zappelnd in ihren Schubladen tanzen und toben wie wütende Rumpelstilzchen, so gebärden sich derzeit viele Zeitgenossen, die sich in kleinkarierter großer Geste von den „Abgehängten“ zu distanzieren versuchen – oder wie die selbstgefälligsten Pontius-Pilatus-Macker, die pathetisch das Tischtuch zerreißen zwischen „denen“ und sich!

Aber, was soll das Theater?

Selbstgerechte Beweihräucherung ist doch eher nur peinlich.

Fragen wir einfach nach dem Subtext, der unter all diesen Stellungnahmen in den Medien und Parlamenten derzeit wabert.

1. Vermutung – Die sich jetzt im Brustton echter Demokraten brüstenden Posauner wirken beim genauen Hingucken unsicher, fast schon in kleiner Panik sich wähnend! Könnte es sein, dass die bisher vom Wohlfahrtsstaat arg Begünstigten das Gespür für die ungerechte Verteilung der Chancen wegräsonieren, ähnlich wie „unsere Freunde, die Amerikaner“ es mit ihrer millionenfach verelendeten Wohnwagengeneration macht, die selber schuld sei, dass sie es nicht geschafft hat?(Schon die Quäker lieferten vor gut vierhundert Jahren das schlaue Argument: Gott zeige, wen er auserwählt habe, bereits auf Erden durch den materiellen Erfolg, den der fleißiger Mann zu erwirtschaften vermochte. Wer also Erfolg hat, der sei ein gottgefälliger Mann!) – wie praktisch, wie freisprechend, wie entlastend! Trump for president!

2. Vermutung – Könnte nicht auch das Wegschwimmen der eigenen Felle dabei eine Rolle spielen?

Die Mediendemokratie hat längst die Teilhabemöglichkeit der Bevölkerung nachhaltig vaporisiert – wie fernes Echo klingen Begriffe wie Demokratie, Gewaltenteilung, Vierte Gewalt und parlamentarische Kontrolle des Exekutive. Die Wahlen lassen einem keine Wahl mehr, weil die Unterschiede wegzuschmelzen drohen. Alles sei so kompliziert geworden, da brauche man eben Fachleute. Aber die Politiker scheinen keine Fachleute und Interessenvertreter der Wähler zu sein, sondern nur noch Pfründeverwalter und Besitzstandwahrer. Was ist da passiert? Wann hat sich das alles so gewandelt, warum versandet die Kritik daran im medialen Talk-show-Glamour?

3. Vermutung – Wie sich die Themen und Sorgen gleichen!

Ob in Rennes, in Bari, in Bamberg, in Riga oder in Gent und Dublin oder Salamanca, überall scheint das Unbehagen in doppelter Weise weggeredet zu werden: Am Stammtisch, im Stadion, am Arbeitsplatz oder im Park auf der Bank – wortlos lässt man die bunten Bilder fremder Sprachen, Gesichter und Kleider an sich abtropfen, man atmet tief durch, überschlägt kurz das Haben bis zum Monatsende und weiß sich keinen Rat. Am besten man könnte den ganzen Film zurückdrehen auf die Zeit vor…ja, vor was? Die Nachkriegsjahre, die waren doch die besten. Was für ein peinlicher Gedanken! Das darf doch nicht wahr sein! Wird uns Europäern jetzt eine alte Rechnung vorgehalten, wollten wir den Kuchen essen, ohne ihn zu bezahlen? Blödsinn! Man hat vielleicht einfach nur Glück gehabt und macht jetzt daraus einen maßgeschneiderten Anspruch, an dem eben nur die teilhaben können, die man kennt und versteht. Nein, nein, man ist kein Rechter. Das sind die anderen. Und dass die jetzt so im Kommen sind, heißt doch nur, dass man endlich selber den Mund aufmachen muss: Das Geschäft mit den anliegenden Problemen sollte man besser selbst in die Hand nehmen. Leider hat man aber keine Zeit. Die Sachzwänge. Kennt man doch.