30 Jul

Europa – Mythos # 53

Europa durchschaut den faulen Zauber

Hatte sie nicht – im selben Augenblick, als ihr die Sinne schwanden – ein Blitzlicht-Wiedersehen mit dem Fremden in der Höhle gehabt? Natürlich, er musste es sein.  Und eben nicht irgendein ER, sondern eben ER.  Es war ein göttlicher Rausch gewesen,  in dem ihre Sinne badeten, damals. Sie beide. Dann war sie davongeschlichen. Zum Glück. Denn was wäre geschehen, wenn ER nach diesem Sinnenfest erlebt hätte, dass sie IHN überwältigt hatte, IHN etwas hatte fühlen lassen, das er in seiner berauschenden Sinnenfülle – triebgetrieben wie er ist – braucht wie jeden lebensnotwendigen Atemzug?

Wer aber sind die beiden anderen Männer an seiner Seite gewesen, denkt sie weiter. Doch da die jungen Tänzerinnen noch ganz außer Atem vor ihr stehen und eine Antwort brauchen, lächelt sie scheinbar völlig gelassen und sagt:

„Ihr Lieben. Ihr macht wunderbare Fortschritte. Archaikos und alle anderen Zuschauer werden überwältigt sein, wenn sie diesen neuen Tanz erlebt haben. Jetzt seid ihr entlassen. Morgen um die gleiche Zeit üben wir weiter.“

Ihre Gesichter spiegeln ihren inneren Zwiespalt: Schön, dass du uns freigibst, Europa, aber wir hätten auch gerne etwas erfahren über den Grund für deine Ohnmacht und…Aber darauf gibt sie ihnen keine Antwort. Schade, wirklich schade. Kichernd laufen sie davon.

Chandaraissa, die das ganze Theaterstück hautnah miterlebt hat, will natürlich mehr wissen. Mit großen Augen geht sie Europa entgegen. Sie umarmen sich innig. Dann flüstert Europa ihr ins Ohr, was eben eigentlich geschehen ist.  Sie erzählt ihr eine Geschichte, die ihr gerade in den Sinn kommt.

„Stell dir vor, ich gehe über den Strand und trage auf meine Schultern einen schlaffen Stier.“

Chanadaissa prustet wild: „Was ist das denn für ein Bild, Europa? Ein schlaffer Stier? Auf deinen Schultern?“

Es war ein Traum, versucht sich Europa aus ihrer Verlegenheit heraus zu schleichen, ein lustiger Traum, weiter nichts.

 

 

23 Jul

Europa – die Zeit der Bevormundung läuft aus – Meditation # 68

Europa kann auch ohne Hegemon produktiv wirtschaften und blühen

Das Vertrauen in die bestehenden politischen Verhältnisse geht mehr und mehr verloren. Und das nicht nur in der EU. Allzu offensichtlich – erinnert sei nur an abnehmende Wahlbeteiligungen, AfD und Korruptionsverdacht bei Banken und Konzernen (Libor, Ex-Cum, Immobilienblase…), an Jugendarbeitslosigkeit und die Bereicherungsabsprachen bei der Altenbetreuung und nicht zuletzt an die Verlogenheit in den oberen Etagen der Mobilitätsverkäufer. Gleichzeitig werden die Reichen immer reicher, und der strenge Spargroßmeister aus Deutschland macht sehr gute Zinsgewinne (1,34 Milliarden Euro) über Kredite und Anleihen im völlig überschuldeten Griechenland.  Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite wachsen auf lokaler und kommunaler Ebene in den Staaten Europas und anderenorts Alternativen heran, die es begabten und engagierten Menschen ermöglicht, sich auch jenseits der Angebote von Energiegiganten mit erschwinglichem Strom zu versorgen oder biologisch angebautes Gemüse aus der Region in der Region für realistische Preise zu produzieren und zu verkaufen.

Eine völlig neue Geschichte kann sich endlich aus der Welt des Raunens laut zu Wort melden: Wir Europäer lassen die alten Geschichten und ihre Erzähler einfach hinter uns – ohne Angst und Zagen – und bauen jenseits juristischer Zwänge oder ausbremsender Besserwisserei an einer neuen Gemeinschaft mit einem gemeinsamen neuen Horizont, der sehr wohl die dringend notwendigen Kehrtwenden im Klimaschutz mit einbezieht. Das ist kein Wolkenkuckucksheim, das ist kein Gesundbetenprogramm. Denn über die Verknüpfungen im Netz schaffen sich die verwandten Geister in Europa Rückmeldungen zuhauf, die Mut machen und Veränderungen durchführbar erscheinen lassen, weil sich genügend Menschen beteiligen, miteinander reden und sich ihre neuen Geschichten erzählen, die tragfähige kommunale Angebots- und Nachfragemuster möglich machen.

Ein Beziehungsnetz von verwandten Geistern kann so mit Hilfe der algorithmischen Maschinen und mit Hilfe des Netzes die Selbstbedienungsmechanismen der politischen Macher leicht unterlaufen und so auch überflüssig machen. So können die, die sich bisher noch gar nicht kannten, leichthin kennenlernen und konstruktiv zusammenarbeiten. Sie müssen nicht mehr Subventionslobbyisten in Brüssel aushalten. Sie müssen nicht mehr warten, bis hehre Wahlversprechen wieder nicht eingelöst werden. Sie können das bestehende Gefüge einfach durch Vertrauen in die eigene Kraft und das Bündnis mit den Gleichgesinnten unterhalb der scheinbar bestehenden Sachzwängen unterlaufen und sofort und mit Elan am machbaren anderen Gesellschaftsmodell zu denken, zu planen und zu arbeiten beginnen.

Ein anderes Europa – nicht am Reißbrett oder in einer politischen Kaderschmiede mit heißer Nadel gestrickt – wird so eine überaltertes Konzept (EU) ablösen, ohne dass auch nur ein Tropen Blut fließen muss oder bürokratische Vertröstungskonzepte wieder nur Sand in die Augen streuen.

10 Jul

Europa – Mythos # 52

Drei Männer, drei göttliche Spanner

„Hat ja gut geklappt, eben, beim Palast“, flüstert Hades seinem Bruder prustend ins Ohr.

„Pst!“, zischt Zeus zurück, „wir dürfen bei den Frauen keinen Verdacht erregen!“

„Schau dir die mal an, Bruderherz“, kann Poseidon sich nicht verkneifen zu sagen“, die sehen ja wie Göttinnen aus. Stimmt’s?“

Zeus legt seinen Zeigefinger auf die Lippen; dabei stiert auch er wie benommen auf die tanzenden Frauen. Etwas linkisch hocken die drei Götter im Gewand von Bettlern am Eingang zum Vorraum des Tempels der großen Göttin. Sie wissen nicht so recht, was sie tun sollen. Einfach weiter starren oder Hände emporstrecken, als ob sie beteten oder in der Nase bohren, am Oberschenkel kratzen oder…

Unter ihrer Verkleidung kocht ihnen schon ganz ordentlich das alte Blut.

„War eine gute Idee von dir, Zeus, mal kurz vorbei zu schauen, was die so planen“, wispert Hades jovial. Zeus nickt gönnerhaft. Alle drei tun so, als wären sie wirklich nur neugierig, was für ein Tanzstück da eingeübt wird. In Wirklichkeit würden sie am liebsten…gut, dass keiner weiß, wie menschlich auch die Götter sind.

Sie können sich gar nicht satt sehen an diesem Tanz. Wie bunte Libellen – so scheint es ihnen – fliegen sie fast über dem Boden dahin, ihre bunten dünnen Tücher, die sie sich um den Leib gewickelt haben, wehen verführerisch um sie herum. Und was sie da sonst noch so alles zu sehen bekommen! Das Lachen schallt so hell und lockend durch die hohe Halle, dass die drei Bettler vor Begeisterung am liebsten mitgelacht hätten. Aber sie müssen sich zusammenreißen. Wenn Hera Wind von dem heimlichen Ausflug nach Kreta bekäme, so wäre das für Zeus eine wahre Katastrophe. Sie würde sich natürlich eins und eins zusammenrechnen können.

Jetzt machen die jungen Priesterinnen eine Pause, und da Europa die drei längst entdeckt hat, geht sie scheinbar ganz zufällig auf sie zu um zu fragen, wer sie sind und ob sie ihnen helfen könne. Da geschieht allerdings etwas sehr Eigenartiges. Plötzlich wird ihr schwindlig, die Bettler verschwimmen vor ihren Augen, sie schwankt, sie muss sich an einer Säule stützen. Kurz durchatmen, Augen schließen und dann weiter, denkt sie dabei.

Als sie die Augen wieder aufschlägt – die Tänzerinnen sind schon auf sie aufmerksam geworden: Warum steht sie da so komisch an der Säule, wo will sie denn überhaupt hin – stutzt sie unwillkürlich. Sie muss sich getäuscht haben. Da sind gar keine drei Männer, unbehindert kann sie zwischen den Säulen in die Gärten schauen, die im heißen Sonnenlicht ihren Mittagsschlaf halten. So dreht sie sich wieder um, lacht, streckt die Arme aus und ruft:

„Also, meine Lieben, weil ihr es schon so gut könnt, machen wir es gleich noch einmal!“

Leichtes Gestöhn ist die Antwort, aber was sollen sie machen? Wenn Europa es so will, werden sie es wohl machen müssen. Und während sie immer wieder lobend die Frauen anfeuert, denkt sie gleichzeitig über die drei Bettler nach. Da stimmt doch etwas nicht. Später wird ihr ihre Göttin in einem Traum bilderreich verraten, was hinter diesem Auftritt für eine lächerliche Geschichte steckt.