29 Mai

Europa – Mythos – Audio-Beitrag # 2 : BROT UND WEIN von Friedrich Hölderlin

Dieser audio-Beitrag soll die begonnene Erzählung vom anderen EUROPA-MYTHOS mit neuen Bilderangeboten befeuern; denn Hölderlin träumte von einer neuen Rolle Europas nach den vielen Revolutionskriegen und Eroberungsfeldzügen Napoleons.  Er glaubte, Europa könne nun anknüpfen an ein humaneres Lebenskonzept, das aus den Angeboten der Antike (verbildlicht in der Figur des DIONYSOS) und denen des bescheidenen Wanderpredigers JESUS  ein Neues, Drittes würde schaffen können, das weder Angst noch Schrecken in die Welt zu bringen wüsste, sondern Frieden, Freundschaft und Eintracht auch mit dem Fremden, dem ganz anderen in Europa und in der Welt.

Nach den Kriegen des 20. Jahrhunderts und denen der letzten Jahre im fernen und mittleren Osten scheint es vielleicht der richtige Zeitpunkt zu sein – kairos – aus den geistigen und materiellen Trümmern der Gegenwart auszusteigen…

Dazu würde dann auch die begonnene Erzählung von der phönizischen Prinzessin Europa gut passen, die als Botin der fast schon vergessenen Botschaft vom Glück Menschen zu verbinden weiß – über jedwede Grenzen hinaus; seien es nun Sprachgrenzen, Kulturgrenzen, Glaubensgrenzen oder Geschichtsgrenzen…

29 Mai

Europa – Meditation # 93 – erster audiobeitrag 2018

Nach den anregenden Tagen in Tübingen – dorthin hatte die Hölderlin-Gesellschaft zu ihrer Jahrestagung eingeladen – und mit den Botschaften aus BROT UND WEIN noch in den Ohren fuhren meine Frau Salome und ich über Worms zurück nach Bonn.

In Worms – es was Samstagabend, die Glocken hatten die Gemeinde zum Gottesdienst gerufen – stolperten wir in die Predigt eines alten Mannes, der im Tone selbstgewisser Glaubenssicherheit dem kleinen Häufchen Zuhörer, die in dem riesigen alten Raum wie ein vergessenes Überbleibsel von was auch immer wirkten, einzureden versuchte, wie wenig tauglich doch all die anderen Glaubensentwürfe auf der Welt neben dem des Alten und Neuen Testaments seien, wo ein strenger Gott doch klar die Botschaft verkünde, dass nur er der wahre Gott sei, der keine anderen neben sich dulde! Das klingt bis heute wie eine Drohung und in der europäischen Geschichte beweist die lange Liste unseliger Glaubenskriege, wer alles dem zum Opfer fiel.

Wieder zuhause ist es mir nun wirklich ein Bedürfnis, dem die bescheidene und vorsichtige Botschaft aus Brot und Wein entgegen zu setzen, damit man vielleicht doch noch einen Ausblick aus dieser allzu langen Gewaltgeschichte der Europäer gewahr wird, der Europa nun – jenseits aller hegemonialer Ansprüche – einen neuen Weg eröffnen könnte, denn oft ist es ja gerade auch die Krise, aus der das Rettende zu wachsen vermag!

Bevor ich nun selber in diese Richtung weiter öffentlich denken und reden möchte, lade ich alle interessierten Leser ein, in der benachbarten Kategorie „Europa-Mythos“ vorbei zu schauen, weil ich dort als audio-Beitrag Hölderlins BROT  UND  WEIN  vorlese.

12 Mai

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 61

Zeus versucht mit einem neuen Anschlag Europa zu vernichten

Trasopas, der alte Fischer, sitzt in seinem schaukelnden Boot und blinzelt ins Leere. Bisher kein einziger Fisch an der Angel, auch im Netz kein Meerleben. Nichts. Mein Alte wird wieder meckern. Und die Abgaben an den Minos von Kreta wollen auch noch gefischt werden. Ob es das Durcheinander im Palast ist, das ihm Unglück bringt? Trasopas wird Thiala sagen, dass er es im Traum genau gesehen hat: Archaikos treibt es mit einer fremden Frau, die Hohepriesterin auch. Da müssen die Götter doch Unheil als Strafe schicken. Aber warum trifft es gerade mich? Jetzt meint er über dem Wasser im Geflimmer jemanden gehen zu sehen. Winkt er ihm? Wer ist das? Trasopas reibt sich die Augen. Aber der Mann kommt einfach immer näher. Jetzt glaubt er sogar, ihn schon zu hören. Er scheint zu grinsen, als er gönnerisch säuselt: „Läuft wohl gerade nicht so gut, stimmt‘s?“ Erschrocken nickt Trasopas. Das Grinsen wird breiter. Die Sonne blendet unerbittlich, das Schaukeln schläfert ihn fast ein. Trotzdem spitzt er seine Ohren: „Ich könnte dir unter die Arme greifen – einmal mit einem Netz voller Fische und mit guter Laune deiner Thiala. Wär das was?“ Trasopas läuft es eiskalt den Rücken herunter. Woher kennt der meine Frau, was will der von mir? Die Antwort kommt ihm vor wie ein kühlender Regen: „Deine Sorgen hast du wirklich zu Unrecht. Diese Fremde, die ist an allem schuld. Sie tut ganz Kreta nicht gut.“ Trasopas ist es, als wäre es ein vertraute Stimme, die da so eindringlich auf ihn einredet. Recht hat er. Der Schweiß läuft ihm in vielen Rinnsalen am Körper herunter. Mit den Händen hält er krampfhaft die Angel. Er blinzelt weiter übers Wasser. Weiß nicht, was er sagen soll. Thiala wird ihm kein Wort glauben, kein Wort. Da ist er sich ganz sicher. „Die Fremde, über die alle gerade reden, lästern und fluchen, wohnt bei der Hohenpriesterin. Bring ihr von deinen Fischen – so als Geschenk. Ich werde dafür sorgen, dass sie ihr nicht bekommen.“

Trasopas schluckt verängstigt. Was geht hier vor, was soll er tun? Aber während er grübelt, sieht er sich das Netz erneut ins Meer werfen. Von dem Mann auf dem Wasser kein Flimmern mehr. Nichts zu sehen, nichts zu hören. War wohl Einbildung. Ein bleiernes Gefühl legt sich ihm langsam auf den dicken Bauch. Was für ein Blödsinn auch, denkt er. Die Hitze.

Später – sein Boot schaukelt immer noch lustlos auf den flachen Wellen hin und her – zieht er missmutig das Netz wieder hoch. Er weiß, es wird leer sein. Was sonst? So nimmt er auch nicht wahr, dass ihm das Herausziehen schwerer fällt. Das Boot neigt sich gefährlich zur Seite. Dann zieht er den Fang über Bord.

Als er später im kleinen Hafenbecken anlegt, hat er sich bereits an den Anblick des Unglaublichen gewöhnt. Also doch keine Einbildung das Ganze?