09 Mrz

Europa – Meditation # 184

Warten, Weniger Wollen und  besser Wählen     oder:

The American Way of Life – ein Auslaufmodell in Europa. Überlebt. Für zu leicht befunden.

Wir haben immer die Wahl. Das hatten wir nur vergessen.

Bisher hieß es allerdings durchweg: Mehr wählen, mehr. Denn Wachstum sei der einzige Garant für Fortschritt ohne Ende.

Nun scheint sich dieser Glaubenssatz als bloße Behauptung zu entpuppen:

Wir Europäer haben in unseren Wetten wohl auf das falsche Pferd gesetzt. Jetzt wird vielleicht sogar das ganze Rennen abgesagt. Das kann doch nicht wahr sein!

Wir haben immer die Wahl. Die Not der Stunde erinnert uns wieder daran.

Vielleicht gibt es doch eine Alternative zur alternativlosen Fortschrittssaga. Und die wäre dann?

Wir wählen nachhaltiges Brauchen und Verbrauchen und auf jeden Fall weniger als bisher.

Wir erinnern uns daran, dass gegenseitige Unterstützung weniger Lügen und Bluffen nötig macht und wir dennoch gemeinsame Versorgung sicher stellen können in Europa.

Wir haben immer die Wahl. Wir können endlich auf eigenen Füßen stehen.

Die schicksalhafte Verquickung der vielen Volkswirtschaften muss nicht unbedingt in fatale Abhängigkeiten führen – finanziell, energiewirtschaftlich und ökologisch.

Angesichts der offenkundigen globalen Abhängigkeiten werden kurze Wege und regionale Verbindungen auf einmal wieder interessant und günstiger, verlässlicher. Wer hätte das gedacht?

Angesichts der plötzlich eingeschränkten Bewegungsfreiheit wird das Naheliegende doch tatsächlich wieder attraktiv. Muss denn die Reise immer mindestens um die halbe Welt gehen? Nein.

Wir haben immer die Wahl. Europa hat eigene Wurzeln.

Wählen wir den langsamen Takt beim Reisen und Anschauen, wird die Bilderfülle so opulent, dass der weite Weg gar nicht mehr nötig ist. Wählen wir die Erinnerung an vergessene Muster des Herstellens, Verteilens, Brauchens und Verbrauchens als wertvollen Ratgeber aus, dann öffnen sich völlig neue Wege – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Und auf einmal sind die vertrauten Muster nur eine von vielen Varianten der Lebensgestaltung, die wir für absolut nötig, weil fortschrittlich hielten.

Wir haben immer die Wahl. Europa eine lebendige Vielfalt und Einheit zugleich.

Keiner möchte sich da noch brüsten mit Tempo, Verschwendung und Wegwerfmustern.

09 Mrz

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 94

Der fremde Gott gibt sich zu erkennen.

Chandaraissa und Europa stolpern durch die enge Gasse, fühlen sich – eingehüllt in eine braune Staubwolke – geschoben und gedrängt. Aber von wem? Hustend wischen sie sich den feinen Sand von Augen, Mund und Nase. Europa hat ein ungutes Gefühl im Magen. Ist das jetzt der nächste Angriff ihres Entführers? Als sie jetzt in einer Hausnische an die Wand gedrückt dastehen, ist die plötzliche Windböe zerblasen.

Mir blieb nichts anderes übrig“, sagt die Gestalt, die sich aus der Sandwolke herausschält. Chandaraissa denkt: Der sieht aber richtig gut aus. Wer könnte das sein? Auch Europa ist erleichtert bei diesem Anblick.

Wer bist du und was hat das zu bedeuten?“ fragt sie den jungen Fremden.

Der schaut sich kurz um, ob die anderen Männer ihnen gefolgt sind, und sagt dann:

Ich tauche manchmal auf, um dem Glück auf die Beine zu helfen. Ihr wart in Gefahr. Da hab ich einfach etwas Wind gemacht.“

Er schmunzelt vielsagend und gibt mit einer Geste den beiden Frauen zu verstehen, schnell weiter zu gehen. Chandaraissa ahnt bereits, wer der Fremde sein könnte, sagt aber nichts, als sie los laufen. Dionysos? Auch Europa ist eigentlich mit seiner Antwort unzufrieden.

Woltónos, Thórtys und Németos stehen gleichzeitig sprachlos und mit offenem Mund da und glotzen die drei Wächter an. Wo sind die beiden Frauen? Der plötzliche Sandsturm hat sie weggeblasen. Einfach weg. Und die drei Wächter machen einen ziemlich schlecht gelaunten Eindruck.

Na, da habt ihr aber euren ersten wichtigen Auftrag echt in den Sand gesetzt oder besser gepustet, was?!“ mault sie der eine an, der ihnen eben den Mordbefehl gegeben hatte. Die beiden anderen nicken böse dazu.

Das kann man wohl sagen!“

Woltónos weiß nicht, was er dazu sagen soll. Zu viele Gedanken stolpern gerade durch seinen Kopf. Nichts läuft zur Zeit nach Plan, nichts. Archaikos, der Minos von Kreta, darf auf keinen Fall erfahren, dass er jetzt zur Palastwache gehört, auf keinen Fall. Also muss er irgendwie den Rückzug einleiten. Aber wie? Seine beiden Mitstreiter scheinen da keine Hilfe zu sein. Dümmlich starren sie vor sich hin, zittern, sabbern. Eklig.

Drei Gassen weiter hat der Fremde die beiden Frauen in einen kleinen Garten geführt, lädt sie ein, sich zu setzen. Er will ihnen alles erklären.

08 Mrz

Europa – Meditation # 183

Die Pharisäer unter sich.

Natürlich gelten nach wie vor die humanen Ideale europäischer Kulturgeschichte. Die Würde des Menschen ist unantastbar, klar.

Natürlich werden die Europäer – in ihrer vorlauten Schrumpfform mit 27 Staaten (EU) und etwas mehr als 440 Millionen Einwohnern – grundsätzlich weiter notleidenden Menschen in der Welt helfen, klar.

Natürlich finden alle in Europa – das 47 Staaten umfasst und etwas mehr als 746 Millionen Menschen beherbergt – die Verhältnisse im Nahen Osten menschenverachtend und mit ihren eigenen Standards unvereinbar, klar.

Natürlich unterstützt die EU alle Institutionen, die Flüchtlingen helfen, klar.

Natürlich wäre ein Marschall-Plan 2020 ein gute Sache – schließlich hat man vor 70 Jahren selbst auf Trümmern gesessen, waren viele Millionen Menschen auf der Flucht gewesen, traumatisiert, klar.

Aber bitte nicht alle von Lesbos auf die Staaten der EU verteilen, bitte nicht die Millionen Syrer in der Türkei und im Libanon aufnehmen. Das verkraften unsere fragilen sozialen Systeme nicht.

Haben wir denn nicht sehen müssen, wie die Geflohenen Angst und Schrecken erzeugten?

Haben wir denn nicht erleben müssen, wie gewaltbereite Menschen diese Angst mit Gewalt auszuleben begannen?

So wäre es nun vielen in der EU lieber, außerhalb der Grenzen der EU die Flüchtlinge mit Geld zu versorgen, damit nicht neue Ängste und vielleicht sogar noch größere das eigene Land fluten?

Natürlich lassen die Vertreter der EU auch mit sich reden, wenn es auf kleiner Flamme um die Aufnahme von unbegleiteten Kindern gehen sollte, natürlich. Wir Europäer sind doch keine Unmenschen, also bitte!

Außerdem – was ist mit den restlichen Ländern Europas (20), die nicht in der EU sind? Leben die nicht auch nach den hehren Grundsätzen europäischer Kulturgeschichte?

Und übrigens:

Waffenlieferungen aus Staaten Europas auf den Weltmarkt sind doch nun wirklich ein völlig anderes Thema, also bitte!