29 Apr

Europa – Meditation # 198

Europa – die Weitsichtige

Wenn man ihren Namen aus dem Griechischen ins Deutsche überträgt, dann kommt eben: DIE WEITSICHTIGE, DIE GUTSICHTIGE heraus. Wenn das Programm ist für den ganzen Kontinent, dann ist klar, dass sie vorausgesehen hat, was die Europäer gerade erleben müssen, aber eben auch, dass es ein danach geben wird, das nicht – wie Kassandrasprüche – düster und beängstigend gedacht werden muss, sondern offen, hoffnungsvoll, erfahrener. Denn ein Mensch mit guter Weitsicht – so der Wortsinn – ist eben einer, der nicht als Angsthase oder Eintagsfliege Welt und Zukunft denkt, sondern als ausbaufähiges Gemeinschaftswerk, das aus der Erfahrung der Not, der Angst, der Katastrophe Schlüsse ziehen will, die ihm ein Weiter Leben leichter machen sollen. Denn in der Not macht der weitsichtige Mensch die Erfahrung, dass er nicht allein überleben kann, dass er immer angewiesen bleibt auf den Nächsten, und dass die Angst zugrunde zu gehen, keine Macht über ihn gewinnen kann, wenn er sich mit seinesgleichen zusammentut.

Und das ist weder abhängig von Sprache, Ort, Religion, Philosophie und Geschichte, sondern nur von dem grundlegenden Gefühl, dass jede Herausforderung, die das Schicksal an die Menschen hier in Europa stellt, gemeinsam zu schultern ist. In Cadiz genauso wie in Tromsoe. So ist die Angst ein guter Ratgeber, wenn sie uns sehen lehrt, dass wir allein verloren sind, solidarisch aber mit dem anderen, auch dem scheinbar Fremden, sehr wohl klug überleben können.

Und wenn wir dazu hier in Europa früher Bilder erdachten, dass da jemand Unsichtbarer für uns die Geschicke lenke, so war das ein verständlicher Versuch, der nach und nach aber an Gültigkeit verlor, bis dass die Europäer auf den Gedanken kamen, dass es keiner Priesterkaste bedarf (auch nicht im Gewande der Wissenschaft!), die uns vorgeben muss, wohin wir uns bewegen sollen. Die Weitsichtigen wissen auch so, wo begehbare Wege sind und wo die Fallen lauern.

Einblicke in solche Weitsicht und Übungen, selbst mit Weitblick zu denken und Handeln zu steuern, ist die erste Aufgabe von Lernen. Wenn dazu von klein auf die Großen die Kleinen anleiten und begleiten, wird weitsichtiges Denken wie zur zweiten Haut, die sich gut anfühlt, die verlässlich zu begleiten weiß, die zur zweiten Natur wird. Europa, die Weitsichtige, ist die große Lehrerin darin. Dann hat die Angst vor der Zukunft in Europa ganz schlechte Karten. Kein Stich mehr.

25 Apr

Europa – Meditation # 197

Was ich noch zu sagen hätte…

Der gesamten europäischen Sippschaft fliegen die Sachen nur so um die Ohren.

Europa, Eu, Europäer, Euro-Bonds, EZB…Exit…

Wie leid sind wir dieses Wortgerassel! Diese Beschwörungsformeln. Über Nacht wird uns Bewohner dieses kleinen Erdteils deutlich, wie klein wir selber sind.

„Es ist die natürliche Neigung des Menschen, sich und alle Welt mit sich zu ruinieren.“ (Albert Camus)

Na, nun wollen wir aber mal nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten, oder?

Gerade macht uns ein gefährlicher Bursche klar, dass wir doch alle im gleichen Boot sitzen: gechartert, ja, aber nicht Herr der Lage. Die Wellen gehen gerade ziemlich hoch, die Pessimisten haben Konjunktur, Weltuntergangsszenarien sind en vogue.

Aber nicht nur das.

Die Sippschaft schickt nun gerne den schwarzen Peter rum. Das Bild jetzt auf den leicht rassistischen Hintergrund abzuklopfen, ist momentan eher zweitrangig. Natürlich hat man es ja schon immer gewusst, dass der Onkel oben im Norden wenig vertrauenswürdig ist – von den Leichen in seinem Keller wollen wir jetzt gar nicht mal reden.

Und umgekehrt wird auch eine Nummer draus: Die Brüder im Süden wollten doch immer schon zeigen, dass sie mehr vom Leben verstünden als die Vettern im Land der Nordlichter – oder? Und von Leichen in deren Keller – also wirklich, da könnten die aber schon so einiges ans Tageslicht zerren. Aber man ist und bleibt ja doch verwandt. Außerdem geht es jetzt im Keller nicht mehr um Leichen, sondern ums Eingemachte.

Den Tanten, die zuletzt als altbacken und vorgestrig belächelt wurden, laufen jetzt die Enkel die Türen ein: „Sag mal, wie macht man das eigentlich mit Gurken im Glas, äh…keine Ahnung…öh…also…egal…kein Plan…?“

Und von Grenzen in diesen Tage zu reden, die zwischen den verschiedenen Zweigen der Sippschaft bestehen sollen, quält höchstens noch ein müdes Lächeln aufs maskierte Gesicht. Sieht ja sowieso keiner mehr. Ist doch selbstverständlich, dass man sich hilft, jetzt. Da können die alten Rechnungen auch noch so lang sein. Gut, und das mit dem Wachstum können wir jetzt auch endlich unter den Tisch fallen lassen. Die Alten haben es immer schon gesagt: was brauchen wir denn all das Zeug und wofür? Keine Ahnung. Genau. Es ist gar keine Floskel, es ist wahr. Nur merken wir es erst jetzt. Der Schwager in Gibraltar ist sich da total einig mit dem Schwippschwager in Tromsö. Hä? Keine Ahnung, viel mir gerade nur so ein. Der gesamte Reichtum der gesamten Sippschaft auf dem kleinen Kontinent Europa jedenfalls würde allemal ausreichen, dass alle aus der Schockstarre aufwachen und aufatmen können – wenn fair verteilt, klar.

Und auf der ISS stößt gerade die eine den anderen an: „Ey, schau dir das an: so scharf und klar haben wir das da unten aber noch nie gesehen – oder?“

20 Apr

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 97

Ein unvergesslicher Augenblick

Es ist die Stunde der leisen Klänge und klaren Farben, denn der Sonnengott kommt gerade mit seinem Wagen meerwärts gefahren, langsam. Hunde und Katzen brechen behutsam zu kleinen Abenteuern auf, schleichen lautlos durch schattige Gassen. Es ist die Stunde der Tagträume auf Kreta. Auch Chandaraissa und Europa haben das Gefühl durch einen Traum zu schlendern. Federleicht. Mal mit geschlossenen Augen, mal mit halb geöffneten Lidern lauschen sie der sanften Stimme des Fremden, der ihnen gerade so wunderbar stürmisch – ein kleiner Sandsturm war sein Gehilfe dabei – ihr Leben rettete.

Lange Schatten alter Olivenbäume und leicht gebogener Dachkanten liefern einfach so und von glitzernden Staubkörnchen begleitet ein kleines Fest schöner Bilder eines Gartens, in dem die beiden Priesterinnen gerade ihren Atem, ihre Haut, ihre Gewänder spüren wie freundliche Begleiter in einem traumhaften Klanggemälde, das sie nur zärtlich verwöhnen will. Und das, was sie dabei hören, ist halb Musik, halb Sprache, halb Gesang, halb Raunen. Der Fremde hat sie völlig in seinen Bann geschlagen:

„Ich bewundere euren Mut, schätze eure Tatkraft, kenne eure Träume und helfe euch gerne, den Widrigkeiten und Anschlägen zu widerstehen. Das Wirken eurer helfenden Hände macht es vielen leicht, euch zu schätzen, euch zu unterstützen. Und ich hülle euch heimlich mit einem wärmenden Umhang liebevoller Gunst, die euch stärkt und weiter wirken lässt zur Freude, zur Lust, zum Tanz, zum Gesang und zum Frieden.“

Chandaraissa und Europa können es nicht fassen. Wer spricht da zu ihnen? Und warum tut er das? Woher kennt er ihre Träume? Die Schatten werden langsam länger und länger. Ihr Mut wächst und wächst. Sie haben so viele Fragen an den Fremden. Sosyniod. So nennt er sich. Er muss sehr mächtig sein. Aber sie haben keine Angst. Im Gegenteil. Beide sind entflammt, ihr Blut wallt, ihr Atem geht schnell, sie träumen sich in leidenschaftliche Bilder hinein, genießen es und ihn. Der Fremde scheint es zu spüren. Aber statt sich ihnen zu nähern, steht er langsam auf, lächelt, winkt mit der rechten Hand und wird von einem zum anderen Augenblick Teil der glänzenden und tanzenden Körner, die ihr buntes Treiben und Tollen im stillen Innenhof einfach nicht enden wollen.

Aber wie der Gesang der Wale, die über so weite Strecken unter Wasser ihre Botschaften weiter geben können, sind auch die Worte Sosyniods durch den weiten Äther gewandert, leichtfüßig und schnell, bis dorthin, wo die drei göttlichen Brüder mürrisch auf der Insel der Göttin der Liebe hocken und sich maßlos ärgern, weil dieser Sosyniod ihnen mal wieder einen Strich durch ihre Pläne gemacht hat. Es ist zum Haare raufen! Zeus zittert vor Wut. Poseidon schüttelt sein algendurchflochtenes Haar und Hades stülpt seine dicken Lippen nach vorne und knurrt: „Lieber Bruder, so kann es doch nicht weiter gehen, das können wir uns nicht bieten lassen! Wir müssen jetzt durchgreifen – oder?