26 Aug

Europa – Meditation # 285

Deutschland erlebt jetzt sein Vietnam….

O d e r

Pinocchio, unser allerliebstes Kuchelkind! Nr. 1

Haben die Soldaten aus den europäischen Ländern, die brav an der Seite des großen Bruders nach Afghanistan zogen, sich etwas in die Tasche gelogen? Oder wollten sie nur treue Vasallen sein – vor allem Deutschland, das ja im Irak-Krieg nicht mitmachen wollte? Es scheint so.

Aber der Schein trügt. Es ging um

n a t i o n – b u i l d i n g

damals und in Deutschland und Japan hätten die Amis das doch richtig gut hin bekommen. Warum nicht auch jetzt in Afghanistan? Zwei Fliegen mit einer Klappe: Böse Buben bestrafen und Unwissende mit dem westlichen

n a t i o n – m o d e l

beglücken. Klang doch vernünftig – oder? Auch die Medien sprangen auf diesen Zug auf – natürlich mit entsprechend kritischer Distanz, aber doch im Grundsatz einverstanden: Nach und nach sollte eben die ganze Welt mit dem

n a t i o n – b u i l d i n g / m o d e l – w e s t

versorgt werden. Die im Westen sorgten sich halt um die restliche Welt, ist doch ehrenwert – oder? Also hatten die Soldaten und ihre Generalität eine hehre Aufgabe. Und die interessierte Öffentlichkeit nickte wohlwollend ihr p l a c e t dazu oder eben auch – wie die Linke – ihr NEIN. Dann rollten nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Dollars und nicht zu knapp.

Zu aller erst haben dann diese Soldaten nichts anderes getan, als was zu ihrem Grundverhalten gehört: Sie haben gehorcht. Denn ihre gewählten Vertreter hatten mehrheitlich beschlossen, dass „unsere Freiheit auch am Hindukusch zu verteidigen“ wäre. Und nun nach zwanzig Jahren so ein Fiasko! Die vielen Toten und Verletzten, das viele Geld! Was ist da falsch gelaufen? Zumal es jetzt so aussieht, als hätten es „eigentlich“ alle schon immer gewusst, dass es ein Fehler, ein großer Fehler war, sich in Afghanistan so zu engagieren.

Nehmen wir dazu als erstes ein Zitat aus der Presse:

„Deutschland erlebt jetzt sein Vietnam“.

Wieder haben die Medien als Speerspitze westlicher Demokratien ein schönes Bild zur Hand, das sie – wie sich das für gebildete Zeitgenossen gehört – nun dem geneigten Leser anbieten:

Hatten nicht damals in Vietnam – unter Kennedy 1961 hatte das amerikanische Engagement richtig Fahrt aufgenommen – die westlichen Freiheitskämpfer jahrelang nicht verstanden, wie dieses fremde Land tickt, dessen Sprache und Kultur sie nicht kannten? Hatten sie nicht blindlings ihren modernen Waffen, ihrer technischen Überlegenheit vertraut und ihrem so blendenden Weltbild? Wer würde dem widerstehen können? Niemand! Wie es endete, ist hinreichend bebildert und erzählt worden. Und wenn man nun liest, dass „Deutschland … jetzt sein Vietnam“ erlebt, dann klingt das zwar etwas sehr pathetisch, trifft aber wohl auch den Kern des Problems: Auch die Bundesrepublikaner hatten keine Ahnung von der Sprache und der Kultur am Hindukusch, auch sie glaubten doch tatsächlich, das westliche Gesellschaftsmodell dort von oben herab und mit militärischem Druck implantieren zu können. Als säkularer Messias sozusagen. Was für ein Missverständnis! Ist uns Europäern denn schon in Vergessenheit geraten, wie lange es in Europa gedauert hat, ehe die Herrschaft des Volkes als politisches Modell tragfähig wurde? Und ist uns Europäern angesichts der Verwerfungen aus der Kolonialzeit immer noch nicht klar geworden, wie dumm – ja, wirklich einfach dumm – es ist, anderen Kulturräumen die eigenen Bilder einfach überstülpen zu können, weil man sie für die erfolgreicheren hält?

Ein Monte Schibolini, höher als der Turmbau zu Babel – ist nun weltweit zu besichtigen.

Hochmut kommt immer vor dem Fall (Die Sprüche Salomos 16,18) oder bei den Griechen: Hybris wird von den Göttern stets unnachsichtig gestraft.

Angesichts der weltweiten Pandemie, angesichts der Flüchtlingsströme und angesichts der rasant wachsenden globalen Klimakrise: wäre es da nicht angeraten, wenn wir Europäer aufhörten, uns weiter etwas in die Tasche zu lügen und wohlig mit Pinocchio zu kuscheln und den amerikanischen „Traum“ endlich als das zu beschreiben, was er eigentlich war und ist: eine völlig überteuerte Lügenmaschine, der wir wie Lemminge immer noch unseren Tribut zollen? Wir zeigen zwar gerne mit spitzem Finger auf all die, die Afghanistan in Korruption versinken ließen, sehen aber den Balken im eigenen Auge ganz und gar nicht, weil die Dauerschleife der Werbespots uns selbst korrupt den eigenen Planeten weiter zu plündern einflüstert, Tag für Tag den Kotau vor der Börsenkurve zu machen…Die Nase kippt mit uns nach vorne in ein Nichts – sonst schon bald.

23 Aug

Europa – Meditation # 284

Europa sagt uns ungeschminkt die Wahrheit.

Was habt ihr Europäer doch für ein atemberaubendes Selbstbewusstsein! „Macht euch die Erde untertan!“ – das war das Motto der letzten zweitausend Jahre. Notfalls mit Gewalt, immer aber mit Köpfchen! Männerbündisch. Dabei benutzt ihr die Erzählungen des alten und neuen Testaments, das vor langer Zeit in Palästina von alten Männern aus Quellen des Zweistromlands zusammengeschrieben worden war, um mit Hilfe einer monotheistischen Herrschaftsreligion und einer reichen Institution, geleitet von Männern, die schon immer ein großes Problem mit Frauen hatten, alle Alternativen, die ihr beim Untertan-Machen antraft, als Kinderkram zu verbrennen und stattdessen kirchliche Statthalter einzusetzen, die die Herrschaft europäischer Krieger zu festigen hatten. Ebenso die Herrschaft über Frauen.

Ist euch eigentlich klar, dass all diese Bilder, Narrative und Gesetze aus dem Osten in den Westen importiert wurden und völlig dem kulturellen Erbe Europas wesensfremd waren?

Nein?

Wie auch.

Seit so lange schon beherrschen die Europäer und nach ihnen die ausgewanderten Europäer mit ihrem patriarchalischen Programm in Übersee als ihre „genialen Vollstrecker“ andere Kulturen. Die sogenannten Indianer und die Zwangsarbeiter aus Afrika können bis heute ein traurig Lied davon singen. Bis das Fass zum Überlaufen kam. Dann flog wie ein Bumerang das Leid, die Entfremdung und die Gewalt von überall her nach Europa zurück. Nun würdet ihr am liebsten hohe Zäune und Mauern errichten, um Europa abzuriegeln. Ein Flüchtlings-Tsunami scheint anzurollen. ( Straft jetzt – wie im alten Testament – der strenge Gott sein „Volk“ mit tausend Plagen, mit Feuer und Schwert? )

Aber nicht nur das. Habt ihr nicht mit eurem gewalttätigem Weltbild eure eigenen sozialen Beziehungen untereinander nach und nach demontiert und geglaubt, an deren Stelle materiellen Belohnung installieren zu können, in dem jeder immer mehr und immer mehr Wohlstand haben sollte? Jede Wohnung vollgestopft mit Sachen, Werten, Dingen? Und habt ihr nicht mit diesem materiellen Reichtum eine soziale Armut heraufbeschworen, die nun alle niederdrückt? Denn der Ersatz – die flimmernde Figurenwelt der digitalen 1/0 – Formate – erweist sich als üble Leer-Droge: Jeder braucht jederzeit und überall immer mehr davon, bis selbst der Schlaf zum Feind wird. Einsamer Wolf, heulend jede Nacht.

Und habt ihr dabei nicht gänzlich vergessen, dass die Menschen schon immer eine radikal soziale Natur haben, die durch nichts zu ersetzen ist?

Und fürchtet ihr Europäer euch inzwischen nicht mehr vor der Einsamkeit als vor dem Tod, könnt und dürft es aber nicht zugeben?

Und müssen wirklich erst solch schlimmen Erschütterungen – wie Brände, Fluten, Hitzewellen – den Planeten beuteln, damit auch dem letzten klugen Kopf im stolzen Europa klar wird, dass wir alle auf alle angewiesen sind und das Horten von Dingen nur in mörderischen Sackgassen endet?

22 Aug

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 123

Musik und Tanz verzaubern sie alle.

„Meine Beine sind so müde“, flüstert Sarsa. Belursa schaut sie erschrocken an. Müde Beine? Jetzt? Gleich ist ihr großer Auftritt.

„Sarsa, das ist nur die Aufregung“, versucht Belursa ihre Freundin die Angst zu nehmen.

Von draußen hören sie die vielen Stimmen der wartenden Menge. Gleich ist es so weit, gleich. Endlich. Was hatten sie geübt und geübt. Wie oft hatte Europa mit ihnen geschimpft. Sie seien zu langsam, zu zaghaft, zu leidenschaftslos. Da kommt Chandaraissa in den kleinen Saal.

„Gleich ist es so weit! Schaut noch einmal, ob eure Schleier und Tücher ordentlich verknotet sind.“

Kichern und Tuscheln unter den jungen Tänzerinnen wie in einem Taubenschlag.

„Wenn der Gong ertönt, lauft ihr so, wie wir es geübt haben schnell auf den Vorplatz, stellt euch auf und wartet auf das Trommelzeichen, dann zeigt ihnen, was ihr könnt!“ dabei strahlt die Hohepriesterin sie aus großen Augen an. Jetzt tritt auch Europa zu ihr hin.

„Die große Göttin schenkt uns einen wolkenlosen, warmen Abend. Sellbt der Minos und auch der Rat der Alten sind gekommen. Verzaubert sie mit eurem Tanz!Alle!“

Die Tänzerinnen nehmen sich alle an die leicht zitternden Hände, ihre Herzen klopfen ihnen bis zum Hals. Dann hören sie das tiefe Dröhnen des Gongs. Kreischend heben oben auf dem Tempeldach die Möwen ab.

Die Zuschauer halten den Atem an: Aus dem Inneren des großen Tempels kommen da bunt gewandete junge Frauen gelaufen, mit Kränzen im Haar und vielfarbigen Schleiern um den Hals und die Handgelenke. Sie gruppieren sich zu sieben langen Reihen, fassen sich an den Händen, schließen die Augen. Dann der Trommelwirbel. Plötzlich geht ein Zittern durch die schlanken Leiber der Tänzerinnen. Alle heben gleichzeitig die linken Arme, drehen sich hin und her, gehen in die Knie und springen mit dem Einsetzen der Flöten gleichzeitig hoch und laufen wie Perlen auf einem seidenen Faden aufgezogen schräg durch die sieben Reihen, die sich dadurch auflösen und in neue Formen umbilden. Jetzt – durch das Laufen und schnelle Drehen – geraten die bunten Tücher, die sie um ihre schlanken Körper drapiert haben ins Wehen, lassen die Zuschauer Formen für Augenblicke erkennen, die sie erregen, heftig atmen, Münder staunen lassen. Musik, das sich steigernde Trommeln, das wehmütige Schwanken der Flötentöne, die flackernden Fackeln an den Säulen in der milden Abenddämmerung, die fast lautlosen Bewegungen der Tänzerinnen, das Wiegen der Körper, das Flattern der Tücher, das Schimmern der nackten Arme und Beine, alles Bilder und Töne, die die Zuschauer noch nie zuvor gesehen haben, vor einem unendlichen Abendhimmel, all das verzaubert sie alle, ohne dass sie es bemerken. Selbst die alten Männer schauen wie verwandelt auf die Tanzenden. So viel Schönheit schwebt da zu allen herab und durch sie hindurch. Wunderbar. Wie eine Erlösung. Wovon?