18 Aug

Europa – Meditation # 282

„Dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden,

ist einfach nicht realistisch“,

sagt in einem Interview ein gewisser Herr Woelki, als wäre es ein ganz normaler Satz in deutscher Sprache. Ist es aber nicht. Es ist lediglich der Text aus einer Blase einer Priesterkaste, die seit ein paar Jahrhunderten – wie eben in einer ordentlichen Litanei – monoton wiederholt, dass ein gewisser unsichtbarer Mann-Gott keinen Spielraum gibt für eine andere Position (wobei inzwischen doch jeder weiß, dass es lediglich ein paar alte Männer im 4. Jh. unserer Zeitrechnung in Nicäa waren, die mit knappster Mehrheit beschlossen hatten (so ähnlich wie der Beschluss zum Bonn-Berlin-Umzug neulich), dass ihr frauenfeindlicher Drei-Mann-Gott nicht nur keine anderen Götter neben sich duldet, sondern auch die Frau als aus der krummen Rippe des Mannes entstanden in der Gemeinschaft der Menschen nur zweite Geige spielen dürfe. Doch damit die Frauen nicht völlig aus dem Ruder laufen – denn wer lässt sich schon gern einfach so von alten Männern unterbuttern? – entschloss sich später wieder so ein Club alter Männer eine Mini-Göttin zuzulassen. Die sollte aber auf alle Fälle steril und a-sexuell sein, damit sie keine Unruhe unter den geilen Männern stiften könnte. Mit ordentlich verhülltem Körper, möglichst auch mit Kopftuch. Die Kirche aber wuchs dank zahlloser Erbschaftsschenkungen zu einem kolossalen Herrschaftsinstrument heran, das mal gegen, aber meistens mit der herrschenden Clique den Rest schön zu absolutem Gehorsam zu konditionieren wusste. Abweichler wurden gnadenlos verfolgt, gefoltert, gevierteilt und mit Lust verbrannt. Vor allem Frauen. Fußnote: Bei den peinlichen Verhören und Folterungen konnten die geilen Männer auch noch ihre Lust auf perverse Weise befriedigen: Nackte, gequälte und fürchtlich schreiende Frauen als religiös verbrämte Fleischschau.

Seit aber Lesen und Schreiben und das Vervielfältigen von Schriften Allgemeingut geworden war, bröselte die Botschaft des alten Männerclubs bedenklich, von Jahrhundert zu Jahrhundert.

Nun, in der Gegenwart angekommen, klingt das Woelki-Zitat wie eine Witz-Volte aus einem zweitrangigen Kabarett. Die massenhaften Austritte aus den Kirchen – vor allem von Frauen – sprechen da eine klare Sprache: Was wir glauben, lassen wir uns nicht länger von einer völlig verstaubten und unglaubwürdigen Firma, die sich euphemistisch „Kirche“ nennt, vorschreiben. Unsere Spiritualität erreicht die Menschen von unten um vieles wirkungsvoller.

Europa, die weitsichtige, kann da nur schmunzeln: „Leute, ihr hier in Europa habt aber wirklich ziemlich lange gebraucht, bis ihr die fast schon vergessene Botschaft vom Glück auf Erden wieder entdeckt habt. Kirche und ihre zölibatären Knechte wollen sich einfach nicht dem vitalen Leben zuwenden.

Gemeinsame Sorge und gemeinsames Teilen zwischen Frauen und Männern schaffen gemeinsam ein Morgen, das Leben gestaltet, nicht zerstört.

15 Aug

Europa – Meditation # 281

„Keine Demokratie entsteht aus einer militärischen Besetzung.“

Das sagt Malalai Joya (43) – afghanische Politikerin und Aktivistin. „Ob dieser zwanzigjährige Einsatz umsonst war? Definitiv ja, die amerikanischen und und die westlichen Truppen sind gescheitert. Sie sind aus ihren eigenen geopolitischen Interessen gekommen, aus ihren eigenen innenpolitischen Interessen gehen sie nun wieder weg.“

Ein vernichtendes Urteil. Aber die Bilder vom Abzug der Truppen in Vietnam und die vom Abzug in Afghanistan erzählen die gleichen fatalen Geschichten: Man wollte in Vietnam die Werte des Westens verteidigen (dabei gab es dort nur eine korrupte Clique von Politikern, die sich um einen starken Mann geschart hatten), doch was blieb, war nichts anderes als ein biologisches Desaster à la „verbrannte Erde“ , und auch in Afghanistan wollte man die westlichen Werte verteidigen – als Rachefeldzug wegen der Zerstörung der beiden Türme des World-Trade-Centre – da musste dann auch die BW mitmachen, obwohl sie im Irak-Desaster noch gewagt hatte zu sagen, „es gäbe keine hinreichenden Beweise für eine Kriegserklärung“. Und was ist in den zwanzig Jahren im Sinne der Verwirklichung dieses hehren Zieles in Afghanistan passiert? Viele, viel zu viele tote Soldaten, Kollateralschäden en masse und Unsummen an Entwicklungshilfegeldern. Und wo sind die geblieben? Der größte Teil verschwand in den Taschen der War-Lords, die man still stellen musste, damit im Umfeld der militärischen Lager so etwas wie Grabesruhe aufrecht zu erhalten war, was in den westlichen Medien dann als Politik der kleinen Schritte in Richtung Demokratisierung und Befriedung des Landes verkauft wurde. Kritische Stimmen innerhalb der Medien waren demgegenüber höchstens so etwas wie zaghafte Piepser, mehr nicht.

Und jetzt der große Katzenjammer, jetzt wird rückblickend nach den Schuldigen gesucht, die es ermöglicht hatten, in den westlichen Demokratien Geld und Menschen zu gewinnen, die man dort heroisch „verbrennen“ konnte. Es gab und gibt Orden für Tapferkeit vor dem Feind, doch der Taliban kämpfte – ähnlich wie einst der Vietcong – aus dem Hinterhalt und dem Untergrund und den zerklüfteten Bergen und war nicht zu fassen.

Jetzt quillen sie wieder hervor aus ihren Rückzugsgebieten; die ehemaligen Lager der NATO bieten sich nun an als strategische Punkte zum Erobern von Provinzstädten, die War-Lords haben in der Porto-Kasse noch den einen oder anderen Dollar, um die Kämpfer mit Nachschub zu versorgen – sie möchten aber nicht genannt werden.

Was hätte mit dem verschleuderten Geld nicht alles in den Heimatländern der müden Krieger der NATO an sinnvollen Projekten aus dem Boden gestampft werden können: Kindergärten, Krankenhäuser, Wohnungen, Schulen, Schwimmbäder, Altersheime…Milliarden und aber Milliarden…Und die Gefallenen: so viele ungelebte Leben, so viel Trauer, Schmerz, Zorn…

14 Aug

Europa – Meditation # 280

Europas Erinnerungen.

Schon die Überschrift führt uns in die Irre. Von wem ist die Rede? Von Europa. Doch wer ist Europa? Ein Sammelbegriff für einen Mini-Erdteil oder der Name einer mythischen Frau?

Beim Sammelbegriff wird es gleich schön unübersichtlich, denn so viele Länder, so viele Erinnerungen. Auch wenn sie sich auf gemeinsame „Taten“ beziehen, bleiben sie doch immer völlig verschieden in der Erinnerung verankert. Aber ein Anker kann sich auch losreißen, das Erinnerungsboot gerät ins Schwanken, in eine Strömung…Beispiele?

Die Kelten, die Römer und ihre Heiligtümer. Wie haben sie sich damals erlebt, wie erinnern wir Europäer sie heute, gestern, morgen?

Die unselige Christianisierung des Abendlandes vom Morgenland her. Der Monotheismus – für alles erfindet uns die Sprache brave Begriffe, an denen wir uns – wie Rettungsanker – festhalten können. In Portugal zum Beispiel glaubt man, den Kopf des Evangelisten Jakobus als Strandgut gefunden zu haben. Seitdem gibt es von dort her strahlend eine uferlose Bilderwelt von Muscheln, von Pilgerwegen, von Erinnerungsstätten. Bis heute.

In Frankreich zum Beispiel der Wald von Broceliande in der Bretagne: dort glaubt man, dass Merlin von Morgane in einen Baum verzaubert wurde. Viele Erinnerungen verbinden sich mit dieser Geschichte. Bis heute.

Oder die vielen Kriege, die die Heere verschiedener Länder Europas in den letzten tausend Jahren gegeneinander führten: spätestens alle fünfzig Jahre werden dazu die Geschichtsbücher für die Schulen überarbeitet, mit neuen Bildern versehen, damit in den Köpfen der Bilderwald ordentlich ins Rauschen kommen kann.

Und seit den letzten beiden großen Kriegen in Europa (1914 und 1939) nimmt die Arbeit an den Erinnerungen erst so richtig Fahrt auf: Wer war schuld, wer hat gewonnen? Den zahllosen jungen Männern, die dabei gewaltsam ihr Leben verloren, dürfte das zwar gleich sein, aber die Hinterbliebenen wollen es nun einmal wissen.

Und nun – in der Gegenwart im europäischen Erinnern angekommen – wird mit Leidenschaft (von „sine ira et studio“ keine Spur!) wortreich darüber gestritten, ob es so etwas wie Erinnerung I und Erinnerung II geben muss. Denn wie soll man sonst die jeweilige Gewaltbereitschaft unter den Völkern Europas von einander unterscheiden?

Aber wozu das? Ist es nicht eher einfach nur besser-wisserisch, dass der eine (natürlich alles strenge Wissenschaftler – als ob das vor Vorurteile zu schützen vermöchte! ) im „richtigen“ Strom der Bilder driftet, der andere aber nicht? Die geschwollene Ader auf der Stirn beim Argumentieren zeigt doch bloß, wie sehr Gefühlswallungen das Sagen haben – auf der einen wie auf der anderen Seite.

Wäre es nicht sinnvoller (also mit einer Fülle an Sinn beschenkt), als gemeinsamen Nennern da die VORLÄUFIGKEIT als probates Bild anzubieten?