23 Mai

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 139

Der Abend vor dem großen Fest auf Kreta.

Europas Puls geht doch viel schneller als sie gedacht hatte. Sie hatten heute eine Generalprobe mit allen Höhen und Tiefen.

„Das ist auch gut so!“ hatte Chandaraissa die Pannen, die den Tänzerinnen unterliefen, kommentiert.

„Auch das Wetter wird wohl gut werden, morgen“, mischt sich Belursa kleinlaut ein; sie ist voller Schuldgefühle, war sie doch unglücklich über ihr Gewand gestolpert, als sie ihr Solo hatte.

„Belursa, du wirst morgen schöner und besser sein als je, da bin ich ganz sicher“, erwidert mit strahlendem Gesicht Europa. Kichernd zieht Sarsa, ihre Freundin, sie zur Seite, beide knallrot vor Verlegenheit und Freude.

„Kommt, gehen wir alle zusammen in den Innenhof. Da versammeln sich gerade die Ratsherren und Archaikos vor dem Altar der großen Göttin. Sie wollen sie für das große Ereignis gewogen machen, kommt!“ ruft Chandaraissa in die Runde der tratschenden Priesterinnen, „kommt!“

Die Abendsonne wirft lange Schatten über den Platz, den hohe Säulen nach allen drei Seiten begrenzen, während die vierte Seite, die Fassade des Tempels, noch golden angestrahlt wird.

Der Minos von Kreta hat drei Priester vom Zeustempel mitgebracht, die gerade mit Weihrauchschalen den Altar murmelnd umschreiten. Die alten Ratsherren auf den Knien mit vorgebeugtem Oberkörper – so gut sie das noch in ihrem hohen Alter hin bekommen – murmeln ebenfalls Gebete vor sich hin. Vielleicht auch Flüche auf Archaikos oder die Hohepriesterin. Jedenfalls geben sie sich Mühe, so etwas wie Harmonie zu signalisieren. Das Feuer im flachen Feuertopf auf dem Altar lodert jetzt hoch, als ein Priester Gewürze hinein streut. Oben am Rand der Fassade sitzen wie immer die Raben, tippeln jetzt nervös hin und her, weil da unten so viele Menschen versammelt sind. Dann fliegen sie in lautem Geschrei und wie auf Kommando auf und in großem Bogen über den Platz Richtung mehr.

Überrascht blicken alle nach oben. Viele von ihnen werden jetzt denken: das ist ein Zeichen der Göttin, sie meint es gut mit der Insel. Viele aber werden auch ängstlich dagegen halten: das ist ein schlechtes Zeichen, die Götter schicken uns ein warnendes Zeichen. Was braut sich da vielleicht über Nacht zusammen, was wird der morgige Tag bringen, mit diesem unbekannten Festtanz, über den nun schon seit Wochen geredet, gemunkelt und orakelt wird.

Auch die jungen Priesterinnen waren erschrocken zusammen gefahren, als die Vogelschar so laut krächzend abhob. Sie werfen sich gegenseitig ängstliche Blicke zu. Steht ihr Tanz vielleicht doch nicht unter einem guten Stern? Nur Europa strahlt Hoffnung und Zuversicht aus. Die letzten Sonnenstrahlen spiegeln sich vielfarbig in ihren lachenden Augen. Endlich ist es so weit, endlich, denkt sie dankbar und stolz zugleich.

20 Mai

Europa – Meditation # 339

Es waren zwei Königskinder…

die lebten in Frieden friedlich nebeneinander, spielten am Meer und fanden Lebensfreude ein leichtes Ziel, bis sie über Nacht die Angst packte, weil ein schlimmer Dämon am Horizont erschien.

So liefen sie zu den Verwandten im Westen. Die versprechen ihnen, sie gegen diesen Dämon zu schützen. So geschieht es vielleicht im Märchen.

In der Realität allerdings sind es Schweden und Finnland – zwei Länder, die schon lange über die zufriedensten Bürger der ganzen Welt verfügen. Trotz der langen und dunklen Winter ist deren Lebensfreude und Freundlichkeit geradezu sprichwörtlich geworden. Ein Königreich und ein Republik, beide stabile Demokratien und fürsorgliche Staaten – die sich nun aus ihrer gelassenen Randlage in ein Militärbündnis begeben, das sich zwar ein Verteidigungsbündnis nennt, das sich aber auch in der Vergangenheit immer wieder vor den Karren eines raffsüchtigen und alle Welt beglücken wollenden Systems spannen ließ.

Da geht es beileibe nicht um hehre Werte, sondern um massive militärische Vormachtstellung und wirtschaftliche Dominanz. Und Konsum ohne Ende mit all seinen tödlichen Nebenwirkungen.

Auch die EU lässt sich voreilig wieder vor diesen Karren spannen. Der Krieg in der Ukraine veränderte über Nacht alle eigenen Pläne in Sachen Klimapolitik und ökologischen Umbau. Alles wird jetzt der militärischen Agenda untergeordnet und die ist maßgeblich weder von den ehemaligen Königskindern, noch von der EU bestimmt, sondern vom Pentagon, der amerikanischen Rüstungsindustrie und hegemonialer Sehnsucht.

Die nun hastig aufgelegte Panzer- , Haubitzen- und Drohnenproduktion (von Munition und Minen ganz zu schweigen) neuester Provenienz in den USA und der BRD, machen über Nacht blind für die Eigendynamik solcher Anstrengungen. Denn Waffen und Munition werden immer produziert, um sie wirkungsvoll zu benutzen, um zu zerstören, um Angst und Schrecken zu erzeugen. Und daraus erwächst dann wieder das Elend einer elenden Rachespirale, die beide Kriegsparteien (die „Guten“ gegen die „Bösen“) auf Jahrzehnte zusammen schmiedet.

Dabei ist es doch längst an der Zeit, den amerikanischen Freund als das zu sehen, was er ist: Ein auf Rassismus und Gewalt nach innen und außen ausgerichtetes System, das sich gebetsmühlenartig als friedlich, kooperativ und demokratisch rühmt, wenn auch die beiden großen ideologischen Lager sich gegenseitig verachten und mit Häme überschütten – die Medien und die social media willfährige Helfershelfer dabei.

Der Augenblick der Krise – Neujahr 2022 – war dazu angetan, aus alten Mustern auszusteigen: Jenseits einer krankmachenden Wachstumssucht endlich zu einer bedarfsdeckenden, lokale Strukturen nutzenden und regionale Stärken wiederbelebenden Politik der Europäer für das gesamte Europa zurück zu finden – die großen Tiger: China, Russland, Amerika auf Distanz haltend. Warum das Tagträumereien schimpfen, träumen die Broker an den Börsen der Welt nicht ebenfalls Tag und Nacht von irgendwelchen steigenden Kursen? Und deren Prognosen werden dann unbesehen als Tatsachen verkauft. Wenn aber wirklich Neues geträumt werden will, dann sind das entweder Kindsköpfe oder ideologische Besserwisser. Auch hier wie überall: „Wir“ sind die Klugen, „Die“ sind die Dummen!

Ein wirklich zu schlichtes Denkmuster, um die Gefahren und Chancen der Stunde halbwegs brauchbar zu verorten.

12 Mai

Europa – Meditation # 338

Wenn der Tobi mit dem Marke markige Sprüche schnitzt.

Steht doch heute in einer überregionalen Zeitung ein Artikel von den beiden Printmännern Tobi und Marke, die unbedingt auch einen ordentlichen Beitrag zur Steigerung der Auflage abliefern wollten, dass es schon ziemlich peinlich war, wenn „unsere Verteidigungsministerin“ (ach waren das noch gute Zeiten, als ein gestandener Mann dieses Amt innehatte, dem missgünstige Journalisten am Zeug flicken mussten, weil er seine Diss etwas zu elegant aufgepeppt hatte!), wenn also unsere Ministerin für Verteidigung in Mali keine Kampfstiefel anhatte, wenn sie einen wichtigen terminus technikus der Marine falsch rüber brachte und jetzt auch noch ihren Sohn im Hubschrauber mitnahm.

Eine Schande, echt – oder?

Also haben diese Jungmänner wirklich keine anderen Themen angesichts der chaotischen Weltzustände im überhitzten Indien oder im schwitzenden Eismeer – um nur zwei Randthemen (verglichen mit Pumps und Flugregeln und Begriffsfeinheiten) zu nennen – oder im strangulierten Donbass?

Am liebsten möchten sie wahrscheinlich wieder so jemanden wie Angela Merkel: kinderlos, quasi mannlos und damit Tag und Nacht für staatliche Pflichten bis zum Anschlag ausbeutbar? Oder vielleicht wäre es ja auch besser – hier sei kurz noch einmal an Anne Spiegel erinnert (schon vergessen?!), die doch tatsächlich ihre Kinder und ihren Mann ins Spiel brachte, um ihre Pflichten zu relativieren – oder wäre es nicht am besten, wenn in unserer Verfassung (ähnlich wie im Regelwerk des heiligen Bernards von Clairvaux) für die Repräsentanten unserer Interessen das Zölibat eingeführt würde?

Auf jeden Fall Erbsen zählen. Das ist bodenständig, volksnah und auflagengünstig. Dass sich diese Printgrößen dabei verhalten wie die Zuschauer beim Fußballspiel, muss wohl gar nicht erst erwähnt werden: Da wissen nämlich auch alle alles besser als der Schiri und der Libero, der wieder mal nicht den langen Diagonalpass gespielt hat, sondern einfach nur quer rüber. Wahrscheinlich hat der auch zu lange mit seiner Ische in der letzten Nacht rumgemacht und ist einfach noch nicht bei der Sache. Geht gar nicht: Geschlechtsverkehr wird nur noch in den Ferien erlaubt – bei den Gehältern darf man das doch wohl fordern – oder?

Und vielleicht wäre es auf beiden Seiten der Krieg führenden Parteien zum Anbahnen von Friedensgesprächen hilfreich, wenn sich die Frauen hüben wie drüben alle in Lysistratas umtaufen ließen und sich bis auf weiteres jeder Annäherung verweigerten?!