14 Nov

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 147

Der Tag der vielen Abschiede von Kreta.

„Wo auch immer ihr an Land gehen werdet, seid ehrfürchtig vor ihren Göttern. Die große Göttin will es so. Sie tanzt mit allen den Welttanz, einträchtig.“

So spricht die Hohepriesterin Chandaraissa zu ihren jungen Priesterinnen am Morgen des Abschied Nehmens. Die meisten haben Tränen in den Augen. Und die Gefühle spielen verrückt: Was wird aus mir werden? Wie kann ich der großen Göttin am besten dienen? Wen werde ich auswählen? Werde ich der großen Göttin gerecht werden? Werde ich meine Freundinnen je wiedersehen? Und meine Eltern? Die Hohepriesterin?

Dann die Prozession zum Hafen. Ihre wenigen Habseligkeiten in einem Sack auf dem Rücken. Um sich Mut zu machen, singen sie ihre Kinderlieder. Dann sehen sie die vielen Masten im Hafen. Neugierige Kreter stehen bei den Schiffen.

Bald sind sie verteilt auf die Boote. Sie wissen, wer wohin segeln wird:

Amirta soll in den Westen, nach Hesperien mitreisen.

Turguta wird mit dem Schiff reisen, das Olivenöl geladen hat: es geht weit in den Nordosten, in ein fernes Meer, das Aksaena genannt wird, was so viel heißt wie das Dunkle, das Schwarze.

Sahalaia fährt mit einem breiten Segler nach Eryx, zu den Elymern

Sarsa mit Kräutern und Geräten aus der Schmiede nach Alalia

Belursa wäre so gerne mit Sarsa zusammen geblieben; aber die Hohepriesterin macht keine Ausnahmen; so wird ihr Schiff sie – bei hoffentlich günstigen Winden – nach Moncodonja bringen.

Athanama, die Priesterin aus Sidon und neue Freundin von Europa, steht jetzt neben Chandaraissa am Hafenbecken und umarmt die Abreisenden – eine nach der anderen. Dabei gibt sie jeder ein kleines Amulett mit – es ist geformt wie die große Statue der großen Göttin, oben in ihrem Tempel.

Die Mannschaften auf den Booten starren die jungen Frauen an, als wären sie Traumgestalten. Ein leidenschaftliches Begehren wühlt ihr Blut auf. Aber sie halten sich zurück. Denn schon nur als Tagtraum mit ihnen zusammen zu sein, ist ihnen Wonne und Seligkeit. Als umgäbe die jungen Priesterinnen eine besondere Aura, die sie schützt und wunderbar wirken lässt. Friedvoll. Sanft. Gewogen. Sind das die Folgen des großen Tanzes? Ist das das Wirken der großen Göttin? Ist sie mitten unter ihnen?

Sie nehmen es mit auf ihre große Reise ins Unbekannte, wollen es dort weitergeben, überallhin. Günstige Winde kommen auf. Ein Zeichen?

14 Nov

Europa – Meditation # 363

Wenn dein starker Arm es will…!

Ist es nicht eigenartig? Da geht der Konsument doch massenhaft in die Opposition, um sein Missfallen kundzutun. Und die Medien müssen sich Sorgen machen, dass die Einschaltquoten mickrig ausfallen könnten. Der Zuschauer über Nacht mutiert zum Akteur! Da könnte doch tatsächlich das internet zum befreienden Medium werden, das von den Nutzern auf völlig originelle Weise genutzt wird:

Man spricht sich ab. Europaweit.

Man ist solidarisch. Weltweit.

Man hat Lust auf Widerstand. Tag und Nacht.

Man fühlt sich betrogen und steigt aus aus dem Geschäft! Nein, danke.

So wird der Fußballfan zum aktiven Kritiker einer miesen Geldmaschinen-Geschichte.

Die Massen fühlen sich verantwortlich, den Tod vieler Arbeiter und die Korruption weniger Funktionäre zu brandmarken als das, was es ist:

eine große Sauerei!

Und dafür soll man nun auch noch als Zuschauer applaudieren? Nein, nein!

Der gesunde Menschenverstand und ein manipuliertes Gemeinschaftsgefühl gehen in den Ausstand:

„Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen,

wir lieben Fußball, wir lieben Weltmeisterschaften,

aber nicht über Leichen und massive Korruption!

Nicht mit uns! – Ein machtvolles Statement!

Da sollte es auch den Spielern eiskalt über den Rücken herunterlaufen: erinnert euch nur an die Geisterspiele während der Pandemie – das hohl klingende Geschrei der Spieler und Trainer in gähnend leeren Stadien! Wenn jetzt auch viele tausend Zuschauer aus aller Welt angelockt werden von dem Spektakel in Katar, und in Doha selbst Millionen Katarer von den Medien mit Süßholz vertäfelt sind und verdutzt fragen:

„Wo soll es denn hier Tote gegeben haben? Wir sehen keine!“

so könnte über mickrige internationale Einschaltquoten der Sportfan zum Advokat der Namenlosen werden, die diesen glitzernden Popanz schlecht bezahlt und mit Gefahr für Leib und Leben aufrichten mussten.

Was wäre das für ein Gefühl von Sieg auf ganzer Linie! Die nicht korrumpierbaren Zuschauer gewinnen den Weltpokal im Einig Sein!

Was wäre das für eine Genugtuung den reichen Bonzen gegenüber, die sich in ihren Villen und vollklimatisierten Eigentumswohnungen von Dienstmägden bedienen lassen! Wie erbärmlich sind solche Nabobs denn?

09 Nov

Europa – Meditation # 362

Nach den erbärmlichen Interventionen nun endlich

wieder ein großer Gegner!

Wir Europäer mit unserer eitlen Nabelschau halten die europäischen Emigranten nach Übersee immer noch für die besten Freunde. Nach „No-Fraternization“ 1945 arbeiteten sich vor allem die besiegten Westdeutschen fleißig in die Rolle eines braven Juniorpartners, der gegebenenfalls die Russen am Rhein federnd auffangen durfte, um dem großen Bruder genügend Zeit zu geben, westlich des Rheins eine mächtige Gegenfront aufzubauen. Das war in den 60er Jahren. Später konnten die großen Industrie-Giganten – hüben wie drüben – im Export-Import-Spiel bei Rüstungsaufträgen oder chemischen Großkeulen für die Landwirtschaft ordentlich punkten.

Kriege führte man anderenorts. Vietnam, Irak, Afghanistan, Syrien. Die Erfolge hielten sich in Grenzen, die Amerikanische Militärmaschinerie träumt seit dem 2. Weltkrieg von einem wirklich großen Gegner, den man groß besiegen könnte, nicht von Guerilla-Kämpfen und zermürbenden Terror-Miliz-Schlägen und Gegenschlägen. Der Amerikaner mit seiner „Welt-Missions-Vision und seinem globalen Dominanz-Anspruch geht selbstverständlich davon aus, dass Europa da ordentlich logistisch, aber auch sonst mitspielt.

Natürlich dürfen die Europäer und die leutseligen Deutschen gerne meinen, es gehe um europäische Ziele – so lange sie vor das größere Ziel eingespannt bleiben, das hinter vorgehaltener Hand in den amerikanischen Militär-Akademien selbstverständlich wie der heilige Gral beschworen wird.

Eine solch eher kritische Sehweise darf „natürlich“ auf gar keinen Fall ernst genommen werden. Jeder, der so denkt, wird sofort als aus der Zeit gefallen belächelt, bedauert oder aber auch beschimpft.

Dabei gibt es eine klare Aufteilung der Wertungen:

Alle, die die Devise der USA solidarisch mittragen, gelten selbstverständlich als wissenschaftlich fundierte und politisch korrekte Denker und Partner; alle, die diese Devise nicht mittragen und kritisch zu hinterfragen beginnen, gelten selbstverständlich als unwissenschaftliche und illoyale Querschläger. Und schon ist eine hysterische Stigmatisierung in Umlauf und macht alle die schlecht, die in solch eine Richtung analytisch und furchtlos unterwegs sind. Europa sollte sich aber immer die Freiheit nehmen, die jedem kritischen Denken gut tut. Denn ein Kriegsherr hatte noch nie selbstlose Ziele.