03 Dez

Europa – Meditation # 366

Krise der Demokratie – welche Krise?

Das Geschäftsmodell, das die Neuzeit favorisierte, lautete: statt Bedarf decken kann man mit Mehr als nötig mehr verdienen, wenn man die Leute dazu erzieht, mehr zu verbrauchen als sie eigentlich brauchten. Den ökonomischen Begriff, der sich dazu einbürgerte, sollte man heutzutage tunlichst gar nicht erst nennen, weil sonst alle Überlegungen ideologisch gleich wieder ins Abseits gedrängt werden. Natürlich erfanden sich die geschäftstüchtigen Menschen auch gleich ein Gesellschaftsmodell dazu, das den Tüchtigen nicht nur begünstigte, sondern auch – so er Steuer zahlen konnte – einen Staat dazu lieferte, der solche Wirtschaften besonders belohnte. Später durften dann noch weniger Betuchte ihre Stimmen dazu abgeben – waren sie doch längst in Schulen einschlägig eingenordet, in der besten aller Welten zu leben.

So wurde ein eigentlich unnatürliches und wenig sinnvolles Modell perfektioniert und weltweit exportiert, das nunmehr umstellt ist von lauter Apparaten und Menschen, die rot sehen und nur noch ein Wort gebetsmühlenartig wiederholen: Error, error, error.

Junge Leute, die sich sarkastisch die „letzte Generation“ nennen müssen, benutzen nun ihre gut durchtrainierten Gehirne nicht länger für Altlasten-Litaneien-Gesänge, sondern demonstrieren mit ihrer Solidarität untereinander und gegen das Auslaufmodell der Alten: Beschönigungen und Pflege der Privilegierten verfangen nicht mehr, selbst wenn Hochglanz-Werbe-Hefte dieser Tage auch so tun, als wäre die Konsumskala nach oben weiter offen. Und die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung steht für sie in keinem Verhältnis mehr zu der Zukunftsangst, dass die Wachstums-Orgien-Gesänge schnurstracks in den Abgrund führen. Ihnen ist auch klar, dass die Organe dieses Gesellschaftsmodells „natürlich“ jeden kriminalisieren müssen, der den herkömmlichen Gesellschaftsvertrag grundsätzlich infrage stellt. Doch so viele Gefängnisse und Prozesse können die Oldies gar nicht auf die Beine stellen, die nötig wären, wenn immer mehr junge Leute sich dem Modell verweigern. Denn auch da wird es dann demnächst einen „Kipppunkt“ geben, der alles bisherige auf den Kopf stellen wird.

Dann erst wird der Erfindungsgeist der Erdlinge so gefordert sein, dass er ganz neue, kleine und solidarische Modelle neu erfindet, die dann plötzlich als c o o l gelten, weil sie die Erde abkühlen werden. Vielleicht sollten sich die Alten schon mal prophylaktisch warm anziehen.

02 Dez

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 148

Europas Zwillinge kommen zur Welt.

„Warum Phaistys? Warum ohne Archaikos an ihrer Seite?“ fragt Gortheus, der Fischer, seinen Kollegen.

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich weil da mehr Wind weht als hier oben bei uns.“

Beide müssen lachen. Im Hafen wird viel über die bevorstehende Geburt getuschelt.

„Haben der Minos und diese Europa bereits ihren ersten Streit?“

„Soll die Geburt bei Vollmond stattfinden?“

„Hat Chandaraissa, die Hohepriesterin, von der großen Göttin den Auftrag bekommen, die Geburt in den Höhlen in der Bucht von Mathalla zu erwarten?

Vor Tagen war die neue Gattin des Minos, diese Europa, mit ihren Dienerinnen abgereist. Jeden Tag sieht man Archaikos im Tempel der Göttin opfern. Ob das hilft? Witze kursieren im Hafenviertel.

Der Minos schickt täglich Boten zwischen Phaistys und seinem Palast hin und her.

Doch heute früh – das weite Tal entlang der Höhlen zum Meer schwimmt noch in weichem, weißen Nebel – hört man im Palast von Phaistys Schreie. Immer wieder. Dann verlässt ein Eilbote den Ort.

„Es sind Zwillinge, es sind Zwillinge!“ ruft er heftig pochend am Doppeltor. Die Wachen hatten mal wieder geschlafen. So dauert es, bis der Eilbote vor dem Minos steht:

„Mein Herr, eure Gemahlin hat Zwillinge zur Welt gebracht, zwei gesunde Jungen!“

Archaikos strahlt. Gleich zwei Jungen. Da muss er sich um seine Nachkommenschaft keine Sorgen machen.

„Hermaios, bereite alles vor, ich will in einer Stunde los!“ Sein Hofmeister verneigt sich und eilt davon.

„Und benachrichtige auch die Hohepriesterin!“ ruft er ihm noch hinterher.

Dann geht es auch schon wie ein Leuchtfeuer durch den Palast und auch den Hafen unten. Europa und Archaikos haben Zwillinge bekommen. Was für Namen werden sie wohl bekommen? Die Fischer und ihre Frauen behaupten natürlich gleich es zu wissen.

Dann stehen sie neugierig an der Straße, die nach Phaistys führt, um ja nicht zu verpassen, wer alles an der Seite des Minos mit darf. Auch das gibt wieder reichlich Anlass für neue Gerüchte um die Geburt der Zwillinge.