04 Feb

Europa – Meditation # 375

Warum übernehmen eigentlich nicht die Frauen weltweit?

Wäre es nicht an der Zeit – immerhin durften sich 50 000 Jahre lang die Männer versuchen, der Species auf die Beine zu helfen; leider hatten sie nur leere Versprechungen parat und die gewaltsame Unterdrückung nicht nur der Frauen, sondern auch der eigenen Geschlechtsgruppe; mit Monotheismus und Monogamie und Monarchie wurde der menschlichen Natur ein rigider Riegel vor den Latz geschoben, bis heute – wäre es nicht wirklich an der Zeit, dass die Frauen endlich solidarisch feststellen:

„Es reicht – wirklich. Ihr vergewaltigt nicht nur uns, sondern auch euch selbst seit tausenden von Jahren, und das massenweise Abschlachten als besondere Heldentat zu feiern, wäre selbst jedem Bonobo nicht mal einen Lacher wert!“

Hat nicht schon vor mehr als zweitausend Jahren Aristophanes dieses miese Mann-Bild lächerlich gemacht und mit Lysistrata eine Frauenfigur geschaffen, die genau wusste, wo der Schlüssel zum Umdenken der Männer zu suchen und zu finden ist? Und haben nicht in einem anderen lustigen Stück von Aristophanes die Frauen im Parlament das Mikro an sich gerissen, die Männer lustvoll vorgeführt und klar gemacht, dass Eigentum und Monogamie die Hebel seien, die den Frauen so lange schon schaden?

Aber eben nicht nur ihnen, den Frauen, sondern der gesamten Gesellschaft.

Wo sind denn heute diese mutigen und humorvollen, lebenslustigen Frauen geblieben, die den Männern einfach mal die rote Karte zeigen? Zumal die Männer inzwischen auf beiden Seiten der Frontlinie nur noch im Siegen-Wollen-Modus herum zappeln und nicht vor noch zurück wissen? Und hinter den Kulissen die Kriegsgewinnler (natürlich auch wieder lauter Männer!) mal wieder eine opulente open-end-party feiern?

Und sind nicht auch schon 1914 die Männer Europas, die den Reichtum ihrer Volkswirtschaften mit eigenen Händen und im Schweiße ihres Angesichts erwirtschafteten, sich selbst in den Rücken gefallen, als sie europaweit die Kriegskredite mit bewilligten – ganz blind vor giftigem Nationalismus? (Obwohl sie doch zuvor noch lautstark europaweit einen europaweiten Generalstreik verkündet hatten?)

Und sind es nicht auch in diesen Tagen die Grünen, die plötzlich keine Berührungsängste mehr mit der Rüstungsindustrie haben und das bellizistische Vokabular längst inhaliert zu haben scheinen?

Das einzig gewisse Resultat damals wie heute sind nur noch mehr Tote:

Keiner will nachgeben- als wenn das eine Tugend wäre! Soldaten wie Zivilisten. Männer wie Frauen. Tot. Wo sind die Frauen, die europaweit endlich genug haben von dieser Mono-Männer-Kultur?

02 Feb

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 152

Europas Zwillinge im Wirbelsturm der Machtkämpfe.

Als nun Europa die Tür zu den Räumen der Zwillinge aufstößt, bleibt sie – wie zu einer Salzsäule erstarrt – stehen. Ihr fehlen die Worte. Parsephon und Samadanthys am Boden, wild aufeinander einschlagend, schreiend, fluchend.

„Hört sofort auf, sofort!“ Europas Stimme überschlägt sich. Ihre beiden Söhne lassen unwillig voneinander ab, rappeln sich auf, atmen schwer, während ihre Augen weiter Blitze gegeneinander auszusenden scheinen.

Obwohl sie inzwischen junge Männer sind, ist ihre Mutter ihnen immer noch eine mächtige Autorität. Europa läuft aufgeregt vor ihnen hin und her. Sie ringt mit sich. Wie kann sie die beiden bändigen? Schließlich bleibt sie abrupt stehen, atmet tief durch und sagt dann:

„Archaikos liegt im Sterben, der Rat der Alten mauschelt unheilvoll vor sich hin, und ihr vergeudet eure Kräfte in kleinlichem Gerangel?“

Die beiden schauen sich nur verlegen an. Dann versucht Samadanthys ruhig zu antworten:

„Mutter, es tut uns leid. Sag, was du jetzt von uns erwartest, wir werden es tun.“ Dabei schaut er Hilfe suchend seinen Zwillingsbruder Parsephon an. Der nickt nur.

Europa ist erleichtert. Da ist sie wohl gerade im richtigen Augenblick dazwischen gekommen. Wer weiß, wie sich der Streit zwischen den beiden sonst entwickelt hätte.

„Setzt euch und hört mir zu. Die Zeit drängt.“

Im Stillen schickt sie ein Stoßgebet zur großen Göttin – gib mir jetzt die richtigen Worte ein, bitte, Göttin, bitte – die fast schon vergessene Botschaft vom Glück muss doch weitergegeben werden.

Erwartungsvoll schauen die Zwillinge ihre Mutter an. Denn anstatt sie – wie sie es verdient hätten – zurecht zu weisen, behandelt sie die beiden, als wären sie ergraute Ratsherren, mit denen sie eine Krise erörtern muss.

„Ich hatte heute ein sehr unangenehmes Gespräch mit Berberdus, dem Vorsitzenden des Rates der Alten.“

Warum kommt sie nicht gleich zur Sache, denkt Parsephon noch mehr verunsichert. Planen die vielleicht sogar einen Umsturz? Ist unser Leben in Gefahr? Wie in einem hohen Angstturm türmen sich nun die Ängste um die Fragen. Seine Hände zittern. Europa sieht es, geht aber nicht darauf ein.

„Es gibt unter ihnen eine Gruppe, die wollen unsere Familie vom Thron stoßen!“

„Nein, Mutter, nein, das dürfen wir nicht zulassen!“ unterbricht sie Samadanthys, als wäre er noch der kleine Junge, der trotzig seiner Mutter widerspricht.

Europa lächelt, obwohl ihr gar nicht zum Lachen zumute ist.

„Und Archaikos hat immer noch nicht sein Testament schriftlich aufgesetzt.“

Die Zwillinge können es nicht fassen.

„Was? Was sagst du da? Unser Vater, der Minos von Kreta, hat noch nicht…“

Europa unterbricht Parsephon:

„Der Schwächeanfall hat ihn völlig überraschend getroffen. Er hat bisher einfach nicht ans Sterben denken wollen. Jetzt hat er keine Zeit mehr zu zörgern. Und die Ratsherren versuchen ihn Tag für Tag zu beeinflussen. Er fiebert. Ich erreiche ihn kaum noch – als wäre er schon…“ hier bricht Europa ab. Ihr kommen die Tränen. Aber genau das möchte sie jetzt nicht. Vor ihren Kindern will sie stark scheinen. Stark.

Am liebsten würde sie ihren beiden Söhnen von ihrem Traum erzählen, den sie gestern Nacht geträumt hat. Aber sie ist sich nicht sicher, ob das gut wäre. Immerhin hatte sie sich in diesem Traum als Minos gesehen, als die Nachfolgerin von Archaikos, sie die fremde Prinzessin – zwar schon lange die Gattin des Minos, aber eben keine gebürtige Kreterin.

„Mutter, wir müssen handeln. Sofort. Sonst kommen die uns zuvor.“

Schon immer schwankt sie in ihrem Herzen, wer ihr lieber sei, aber jedesmal richtet sie streng über sich: Es gibt keine Unterschiede der Mutterliebe! Und jetzt spürt sie wieder, wie sehr Samadanthys in ihrem Herzen mitten drin wohnt, mittendrin.

„Das sehe ich genauso, Samadanthys. Aber der Rat der Alten wird niemals zustimmen, dass einer von euch beiden jetzt schon der Minos wird – ihr habt die Weihe zum Mann noch vor euch.“

Die Zwillinge schweigen zornig. So ein lächerliches Verfahren. Wir sind doch längst Männer, denken sie beide. Diese Weihe ist doch nur ein Ritual, nur…

„Aber wie sollte denn dann unser Handeln aussehen, wenn unser Vater…“da bricht Parsephon ab. Er will es nicht aussprechen.

„Eine Übergangslösung könnte alle überraschen. Ein Triumvirat sozusagen.“

Die Zwillinge halten die Luft an. Ein Triumvirat. Was denn für ein Triumvirat? Europa ist dieser Gedanken selber gerade erst in diesem Augenblick gekommen.

01 Feb

YRRLANTH – Historischer Roman II – Blatt 166 Leseprobe

Ein fatales Gelage in der Villa Marcellina.

Somythall, Pippa und die kleine Sumila sind längst Richtung Westen unterwegs. Und Rochwyns Leute reiten vorneweg und hinterher. Sie haben ihrem Duc geschworen, die Frauen heil in die Heimat zurück zu bringen. Dass Somythall abreisen musste, ohne Julianus noch einmal gesehen zu haben, schmerzt sie unentwegt. Wie gerne hätte sie ihn noch einmal im Tempel der Diana getroffen! Wir gerne…da unterbricht Thyrdys ihren Tagtraum:

„Frau, es dämmert, vor uns die Lichtung eignet sich sicher gut für einen Platz zum Rasten.“

Somythall nickt.

„Nur zu, Thyrdys, nur zu! Ich bin einverstanden.“

Sie ist froh, dass Thyrdys sie aus ihren Träumen gerissen hat. Denn da kommen auch schon wieder heimlich die Tränen.

„Somythall, was ist, geht es dir nicht gut?“

„Doch, doch, ich muss nur gerade an die Villa denken. Diese Aemihilth, die hat so eiskalte, hellblaue Augen. Ist dir das auch aufgefallen, Pippa?“

Und während sie nun beide absitzen, unterhalten sie sich weiter über die neue Favoritin des Königs.

„Und wie! Ich kenne sie noch aus der Zeit, als sie nicht die Favoritin des Königs war. Da musste sie noch Königin Adaliz bedienen. Sie war da immer so übertrieben unterwürfig. Ekelhaft. Aber dem König hat es wohl gefallen.“

„Was meinst du eigentlich, wie die Königin gestorben ist? So oder so?“

Pippa, die gerade Sumila in den Armen hält, schaut erschrocken Somythall an.

„Somythall, meinst du etwa, dass Aemihilth etwas damit zu tun haben könnte?“

Die verzieht nur die Lippen.

Währenddessen findet – schon einen Tagesritt entfernt – im Osten am Liger in der Villa Marcellina gerade ein kleines Festessen statt. Die neue Favoritin des Königs der Franken, Aemihilth ist seit Tagen zu Gast bei Marcellus, dem römischen Senator. Sie hat ein dunkelblaues, samtenes und sehr enges Gewand an. Marcellus kann sich gar nicht satt sehen an ihr. Die Sklaven bringen gerade Früchte herein. Die Favoritin des Königs ist bestens gelaunt. Bisher läuft alles nach Plan. Den ersten Gefallen hat sie – schneller

und einfacher, als sie gedacht hatte – bereits erfüllt: Königin Adaliz ist überraschend gestorben, beerdigt. Der König in Trauer. Seine Kinder noch zu klein, um zu verstehen, dass die Mutter nicht mehr wiederkommt. Und an dem zweiten Gefallen arbeitet sie gerade. Wenn sie die Blicke dieses Römers richtig deutet, dann ist er ihr bereits verfallen. Auch seinem Sohn, diesem Julianus, der gerade wegen wichtiger Gespräche mit dem Vater von seinen neuen Lehnsgütern auch in der Villa weilt, entgeht es nicht. Aemihilth lächelt lüstern. Sie weiß, wie man mit Männern verfährt, wenn man als Frau von ihnen etwas haben will.

Die Fackeln an den Wänden des Tricliniums flackern. Der Windzug, als die Sklaven wieder den Raum verlassen, spielt mit dem Feuer. Die Jagdszene, die in den Fresken an der Wand erzählt wird, zeigt die Göttin der Jagd, wie sie gerade einen Hirsch erlegt. Stolz und bar aller Kleider zielt sie mit ihrem Bogen auf das fliehende Tier. Der Augenblick vor dem Tod. Julianus, Marcellus und Aemihilth – bequem hingestreckt auf ihren Liegen – scheinen den Abend sehr zu genießen. Jetzt ergreift der Herr der Villa seinen goldverzierten Pokal:

„Hier, schöne Frau, nehmt meinen Pokal und trinkt mit mir auf die Zukunft des Frankenreichs!“

Aemihilth – innerlich wie zu Eis gefroren – lächelt, nimmt den Pokal und wartet mit dem Trinken, bis Marcellus von seinem Sohn dessen Gefäß übernimmt. Gut, denkt sie dabei, so werde ich auch den zweiten Gefallen des Königs erfüllen – nur etwas anders, als ich gedacht hatte. Beide nehmen einen kräftigen Schluck, bevor sie ihre Pokale wieder abstellen.

„Wollt ihr nicht noch ein paar Tage bleiben?“ fragt Marcellus so beiläufig wie es nur irgend geht.

Na, ich habe ihn. So einfach. Dabei dachte ich, die Römer seinen aus einem anderen Holz geschnitzt. Nur nutzt mir diese Einsicht nun nichts mehr. Scheinbar zufällig stößt sie ihren Pokal um, als sie jetzt nach einem Apfel greift. Schon kommt ein Sklave herein, wischt den Wein von Tisch und Boden auf und füllt die leeren Gefäße erneut mit Wein. Nur der Sohn ist davon gekommen. Schade. Wenn ich Königin geworden wäre, geht es ihr nun durch den Kopf, dann hätte ich den auch noch leicht zu beseitigen gewusst. Schade.

„Wenn ihr mir weiter eure so großherzige Gastfreundschaft zukommen lasst, will ich gerne noch länger bleiben.“ Dabei spürt sie nun auch das erste Grimmen in ihrem Bauch. Der Römer tut noch so, als wenn nichts wäre.