08 Mrz

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 154

Das geheime Treffen der Ratsherren. (Teil 1)

„Ist das wirklich wahr?“ zischelt Gromdas am Ohr von Pallnemvus, dem Ratsherrn und reichsten Mann auf der Insel. Gromdas ist bekannt für seine Intrigen. Deshalb tobt er gerade innerlich, weil da anscheinend eine heftige Intrige des Palastes an ihm vorbei geschnürt worden ist. Pallnemvus verzieht keine Miene, denn gerade betreten auch die anderen Ratsherren den Saal. Berberdus, der Vorsitzende der erlesenen Runde, hatte geladen – ohne Frist, sofort sollten alle erscheinen – ohne Absprache mit dem Minos, also geheim sozusagen. Das hatte es noch nie auf der Insel der großen Göttin gegeben. Es musste also wichtig sein, sehr wichtig.

Berberdus räuspert sich sehr vernehmlich, bittet alle mit seiner allen hinreichend bekannten Geste sich zu setzen und beginnt dann in die gespannte Stille hinein, die Katze aus dem Sack zu lassen.

„Werte Ratsherren, es freut mich, dass sie alle meiner Einladung umgehend Folge geleistet haben…“

Da unterbricht ihn recht barsch Zygmontis, der so gerne der nächste Minos von Kreta sein möchte (was alle in der Runde wissen, was aber fast allen zuwider ist):

„Berberdus, lass diese Höflichkeitsfloskeln, sag einfach, ob es stimmt oder nicht!“

Keltberias, der Ratsherr mit dem besten Draht zu Archaikos und in den Palast (selbst die Hohepriesterin Chandaraissa pflegt ihn mit Interna im Vorfeld zu versorgen), grinst in die Runde. Alle sollen ruhig meinen, dass er geradewegs vom Krankenbett des Archaikos kommt und damit auch über die neuesten Nachrichten aus dem Palast verfügt und deshalb auch Zygmontis‘ Frage sofort beantworten könnte, wenn er gefragt würde. So aber schweigt er vielsagend und ist gespannt, was Berberdus Zygmontis forschem Zwischenruf als Antwort entgegensetzen wird.

„Darf ich vielleicht einmal ausreden, Zygmontis?“ faucht nun Berberdus in dessen Richtung.

„Ich habe eben erst aus gut unterrichteten Quellen erfahren, dass die schwere Erkrankung des Minos Mitglieder des Palastes anscheinend veranlasst sieht, ohne Rücksprache mit dem Rat der Alten…“

Empörtes „Hört, hört!“ fliegt von allen Seiten dazwischen, „hört, hört!“

„ich wiederhole, ohne Rücksprache mit uns eine nie dagewesene Übergangslösung zu installieren!“

„Nein!“ Es ist wie e i n Aufschrei, obwohl alle durcheinander brüllen.

07 Mrz

Europa – Meditation # 383

Die Tage des Westens sind gezählt

oder

Endlich im Windschatten der Überwältiger.

Die inzwischen schon oft beschworene sogenannte „Zeitenwende“ könnte man in noch viel größerem Maßstab ausrufen:

Waren Antike, Mittelalter und Neuzeit den Europäern nur als europäische Zeitalter geläufig und erinnert – die Kulturen der restlichen Welt kamen danach ja nur aus einer Sicht der zivilisatorischen Überlegenheit in den Blick – so geriet die Moderne doch über den Ost-West-Konflikt zunehmend in eine amerikanische Perspektive; anfangs als Retter des guten, alten Europas, dann als Vorbild – wirtschaftlich, kulturell und militärisch – immer in der Tradition des „manifest destiny“ von 1845 – und immer als Hegemon.

Und als dann sogar die Vision vom „Ende der Geschichte“ – mit seinem Promotor Francis Fukuyama 1989 – die Runde machte, fühlte sich der Westen (mit den Europäern in der Westentasche) als Weltbeglückungs-Unternehmen. Die Kosten ließen sich längst in den katastrophalen Zahlen der Klimakrise ablesen. Aber immerhin schien ein erneuter Weltkrieg – dank des Overkill-Drohszenarios – obsolet zu sein.

Da hatten aber die gut bezahlten Think-Tanks der großen social-media-player ihre Rechnungen ohne den Wirt gemacht: Anstatt den Ausstieg aus dem Wachstumswahn-Konzept konzeptionell, ökonomisch wie politisch gemeinsam anzugehen, wurden alte Hegemonial-Phantasien global massiv neu befeuert: Alte Feindbilder reaktiviert, alte Allianzen mobilisiert. Mit der Folge, dass tatsächlich eine Zeitenwende vor der Tür zu stehen scheint: Mit dem glücklichen Zufall, dass Europa dabei keine Rolle mehr spielen wird.

So könnten die europäischen Völker erstmals nachhaltig Abschied nehmen von ihren eigenen ideologischen Machtphantasien und klug im Windschatten der globalen Hegemon-Konkurrenten Bergen, Tälern, Flüssen und Seen Europas – von der Luft und den Meeren ganz zu schweigen – die bewahrende Aufmerksamkeit und Sorge schenken, die sie so dringend nötig haben.

Dazu bedarf es keiner internationalen Allianzen, in denen man sowie so nur die zweite oder dritte Geige zu spielen hätte, dazu bedarf er lediglich der Solidarität der Nachbarn landauf, landab, europaweit. Der Regionalismus würde dann der Zukunft seine wohltuende Handschrift verleihen – zum Wohle der Natur, deren Teil die Menschen waren, sind und sein werden.

06 Mrz

Europa – Meditation # 382

Das tiefe All und die tiefe See

Selbst die sogenannte Relativitätstheorie müssen die Erdlinge immer wieder überarbeiten, verschlimmbessern. Die Sprache, dieses Januskind menschlicher Erfindungsgabe, bemüht für die Entstehung des Unvorstellbaren, des Alls, ein so kindliches Wort wie den „Urknall“. Allein bis zu diesem selbsterfundenen Datum stolpert die Astronomie über Phänomene, die sie zwar in Worte zu pressen vermag, nicht aber ins Verstehen begleiten kann. Es ist zu groß, zu viel und zu alt, das Weltall.

Ähnliches lässt sich auch über die Tiefsee sagen: Obwohl sie längst nicht so alt ist wie das All um sie herum, aus dem sie neulich herabgetropft ist, aber doch so etwas wie unsere engste Nachbarin ist – relativ groß und unheimlich zwar – haben die Erdlinge auch „hier“ eher Vermutungen, Thesen, Bilder parat, als wirklich handfeste Kenntnisse.

In beiden Bereiche haben wir allerdings bereits unsere Handschrift hinterlassen: Müll. Berge von Müll, im All genauso wie im Meer.

Das Experiment, das die Natur seit ein paar Tausend Jahren mit einem vierbeinigen Lebewesen auf diesem Mini-Planeten durchspielt, scheint wohl an einen kritischen Punkt gelangt zu sein: Von einer win-win-Situation kann keine Rede sein. Gerade finden sicher (in der Tiefsee, bzw. im Weltall – der Schwarm lässt grüßen!) schon „Gespräche“ statt, ob man das Experiment nicht besser abbrechen sollte, weil die krassen Nebenwirkungen doch sehr, sehr zu denken geben.

Wenn in diesen Tage on TV gerade eine Variante solcher Korrektur-Maßnahmen der Natur – um es einmal euphemistische zu umschreiben – opulent inszeniert werden (das Buch ist allemal besser – ohne Frage), dann zeigt das leider nur allzu deutlich, wie wenig ernst die Erdlinge ihre eigene Sackgassen-Agenda nehmen; lieber sägen sie weiter an dem Ast, auf dem sie zitternd hocken, überschätzen weiter ihr Wissen und Können, als dass sie sich besännen, um den wahren Reichtum der Natur – ihre endlose Varianz im Hervorbringen neuer Verhältnisse und Wesen – einfach nur zu bestaunen und zu erleben, anstatt sie kalt und gierig auszubeuten.

Wenn die Europäer so stolz über ihre Epoche der sogenannte Aufklärung und Moderne strunzen und dozieren, sollten sie kurz vor Geschäftsschluss besser einen Kassensturz ansetzen und nicht dem alten lateinischen Satz huldigen: Errare humanum est, sed in errore perseverare dementis.

Demenz ist das zu diagnostizierende Krankheitsbild des Erdlings, fortgeschrittene Demenz. Was tun?