31 Aug

Europa – Meditation # 409

Leistungssport: Ein Spiegel von was? (Teil II)

Wie in Teil I dargestellt haben Verwöhnung, Überhütung und Berieselung unserer Kleinsten mit dazu beigetragen, dass auf lange Sicht latent im Sport Leistungswille, Ehrgeiz, Ausdauer und Routinen inzwischen Fremdwörter im Sprachschatz der Großen größtenteils zu sein scheinen.

Und werfen wir einen kritischen Blick vom Leistungssport hinüber zur Leistungsgesellschaft, so bietet sich dort ein erstaunlich ähnliches Bild. Wenn man einmal die internationalen Faktoren – wie Weltmarktpreise, Monopole, Subventionen – draußen vorlässt und sich mit den nationalen beschäftigt, so schreiben sich minimalistischer Einsatz bei möglichst maximalen Lohn fort. Es fehlen überall Fachkräfte, lautet der Refrain der Besserwisser. Aber warum fehlen sie? Wem wird der schwarze Peter zugeschoben? Der Jugend: Sie sei nicht mehr bereit, die Lehrzeit durchzuhalten – nach dem Schulabschluss, dem äußerst mäßigen, melde man sich lieber arbeitslos oder probiere noch ein paar andere Weiterbildungsangebote aus, die der Staat finanziert. Und bei schrumpfenden Jahrgängen müssten man eigentlich ausländische Fachkräfte anwerben. Aber da sind die Hürden für Interessenten nach wie vor viel zu hoch. Exportweltmeister? Nicht nur bei der Weiterentwicklung von Elektromotoren, beziehungsweise effizienteren Batteriesystemen hinken wir weit hinterher. Dass die Automobilindustrie unter der schützenden Hand einer wortkargen Frau so lange vor sich hin schlafen durfte – Gewinne, Gewinne, Gewinne – erscheint rückblickend einfach nur dumm dreist. Die Folgen sind, dass uns unser Exportweltmeister-Abo beim Lamentieren (schuld sind natürlich die Grünen, wer sonst!) unter der Hand abhanden gekommen ist.

Die Kräfte, die jede Generation in sich trägt, versiegen unerkannt und ungenutzt in den Sofas und Liegen der müden Zeitgenossen, weil die digitalen Angebote wunderbar ablenken (wie groß ist die Verweildauer vor den Pixelscheibchen nun?) von den Mühen des Alltags, den doch bitte die anderen bearbeiten sollen.

Aber selbst im Dienstleistungssektor haben sich viele verabschiedet – während und nach der Pandemie. Und auf den Applaus, den man einst den helfenden Händen in den Krankenhäusern und Altenheimen spendete, folgten zwar Absichtserklärungen, aber keine substantiellen Verbesserungen. Allein die Bauwirtschaft könnte ordentlich profitieren, wenn endlich angemessene und ausreichende Bauten für Schulen und Kitas in Auftrag gegeben würden.

29 Aug

Europa – Meditation # 408

Leistungssport: Ein Spiegel von was? (Teil I)

Hilft nichts, es muss wohl einfach mal gesagt werden:

Jeder ist seines Glückes Schmied, so auch die Deutschen des ihren. Wie gerne wären sie Weltmeister, so wie sie es früher gerne waren – mindestens in der einen oder anderen Sportart, vom Export ganz zu schweigen. Die derzeitige Zwischenbilanz dagegen sieht ziemlich düster aus:

Bei den Männern meilenweit entfernt von einem Fußballweltmeistertitel, U 21 versenkt, die Frauen stolpern in einer sogenannten „leichten Gruppe“ über lauter scheinbare Außenseiter und fahren mit leeren Händen heim. Und in Budapest, bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2023? Da erscheint tatsächlich nicht einmal nur einer auf einem der drei Treppchen, nicht nur mal einer. (tja, könnte ein dreimal Schlauer am Rande anmerken: Wenn der DLV – obwohl ein riesiger Verein – pro Jahr soviel Geld in den Leistungssport investiert wie eine einzige Uni in den USA, dann wundert das doch niemanden wirklich. Als wenn es am Geld alleine läge!)

Sollte man sich Sorgen machen?

Fürwahr, das sollte man.

Und wenn man nach den Ursachen sucht, dann hilft auch nicht die Randbemerkung: na ja, es sind eben gerade die Besten verletzt – von Neuer bis Mihambo und so.

Nein, die Ursachen sind nicht nur hausgemacht, sie sind auch von langer Hand entstanden und mit Inbrunst installiert worden.

Ginge es vielleicht ein bisschen klarer?

Aber gerne doch.

Zwei große Strömungen haben sich da zu einer unguten Allianz vereint:

Die fortschrittlichen Erziehungsmethoden und die social medias.

Nun ja, sicher zwei nützliche Stichworte, aber wieso Ursachen für den Niedergang in Sport und Wirtschaft?

In Teil I soll hier nun das Feld Bildung und Erziehung in den Focus kommen:

Weil wir unsere nachwachsenden Generationen überversorgen mit Fürsorge, Zuwendung, Vorsorge, vorauseilender Hindernisbeseitigung und ihnen möglichst jedwede Frustration, Geduld und Erwartungshaltung ersparen, damit sie ja nicht allzu früh verunsichert und belastet werden.

(Das könnte ja traumatische Folgen haben). Jedes Ritual, jede zeitnahe Verpflichtung soll ihnen erspart werden, falls sie sich gerade nicht wohlfühlen oder keine Lust haben. Das kann doch warten. Hauptsache unsere Jüngsten sind gut bei Laune und bekommen eine Limo – ok, auch zwei – gegen vorstellbare Ängste!

Andererseits helfen wie ihnen sehr beflissen bei der Einübung in den Gebrauch der social medias. Wie schnell sie da auf einmal lernen, wie selbstständig sie ihr kleines Gerät bedienen und nutzen können. Ist das nicht zauberhaft? Und wie glücklich da ihre Augen glänzen.

Klar, nur für eine begrenzte Zeit, klar!

Dass aber der Anspruch, das eigene Kind jederzeit und überall erreichen zu können, um Unheil abwenden und Hilfe bringen zu können, dazu führt, dass die Kinder jederzeit und überall ihre Filmchen gucken und ihre kleinen Botschaften samt Bilder senden, das wird billigend in Kauf genommen. Hauptsache, unser Kind fühlt sich wohl.

Die brillante Wunscherfüllungsmaschine, die da pausenlos die Kinder zu unterhalten weiß (es gibt genügend talentierte Erwachsene in der digitalen Branche, die pausenlos neue Spiele etc. für die Kleinen erfinden und dadurch für Freudenschreie an der Börse sorgen), lässt so Zeit und Raum völlig ins Periphere versinken.

Und die Folgen (als die Ursachen für Fata-Morgana-Frau-Weltmeisterin)?

Man lässt sich lieber unterhalten, schaut lieber zu, gibt schneller auf, meldet sich krank, taucht ab bei Freunden: Die Bedingungen stimmen nicht, die Chefs taugen nicht, der gewählte Bereich erweist sich als langweilig und wenn ich wollte, würde ich die natürlich alle in die Tasche stecken, aber vielleicht später…

Die Klassen sind zu groß für individuelle Förderung.

Die Lehrerschaft ist zu klein für die vielfältigen Aufgaben.

Die Eltern haben keine Zeit diese Defizite aufzufangen, auszubügeln.

Die Gesellschaft ist zu egoistisch, aus dem Topf der verteilten Pfründe umzuverteilen, weil die Priorität natürlich bei der Stärkung der Talente liegen müsste, was die meisten zwar einsehen, aber resigniert abwinken. So zahlen sie die Zeche dann im Ausbau des Polizeiapparates, der Gefängnisse und der psychiatrischen Kliniken. Und die sowieso überlasteten Gerichte arbeiten die leichten und schweren Fälle, die aus den oben genannten Ursachen in einer Konsumgesellschaft massenhaft entstehen, geduldig und stöhnend ab.

Während die Ursachenbekämpfung weiter einfach zu teuer scheint.

21 Aug

Europa – Meditation # 407

So wursteln sie weiter, die Bildungshengste…

Die Sommerferien sind um, wieder wurde ordentlich Geld in die Hand genommen, um die Kinder mit Zeugs für den Schulalltag zu versorgen, und wieder sitzen hoffnungsfroh, neugierig und voller Vertrauen die Jüngsten auf ihren Stühlchen im Stuhlkreis: Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Orchestriert von professionellen Erwachsenen, die von sich meinen, sie wissen, wie der Hase läuft und was gut ist für die Kleinen. Und in den Gymnasien sowie so. Fokus natürlich auf der Beschleunigung der Digitalisierung. Die da anklopfen und um Wissen nachfragen, kennen aber schon längst die Finessen dieses globalen Systems, denn die Mütter wollen ja ihre Jüngsten j e d e r z e i t erreichen. Fürsorge hoch n…! Hubschrauber sind nichts dagegen.

Aber sie kennen nicht nur die Finessen, sondern müssen auch mit den Folgen leben lernen: Pausenlose Bereitschaft im Freundeskreis, neue Bilder und „personal events“ zu posten, eigene Sprache einzunorden auf den Jargon des Internets und ein Filmchen nach dem anderen zu konsumieren. So vergeht die Zeit wie im Fluge. Kommt dennoch Langeweile auf, dann gleich wieder etwas posten oder ein altes Filmchen kreativ bearbeiten. Essen und schlafen werden eher in schlafwandlerischer Manier in Kauf genommen oder ganz am Rande notgedrungen wahrgenommen. Und gleich vor dem Spiegel klären, ob die Frisur mit den Fußball-Idolen mithalten kann. Lesen und Schreiben üben? Wie bitte? Gibt es da nicht eine App, die das für mich erledigen könnte?

Der digitale Tsunami, der da scheinbar freundlich zugewandt über diese Generationen schwappt und schwappt, wird von den Verursachern nur als steigende Kurslinie an der Börse wahrgenommen, nicht aber als ungeheuer liebloser Bereicherungsakt der großen Vier weiltweit, dem a l l e Tribut zollen.

Und dass Lehrpläne und Lehrmethoden längst von den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft überrollt worden sind, wird von den Bildungshengsten und – stuten scheinbar kompetent weg gelächelt. Die eigentliche Ratlosigkeit den radikalen Veränderungen gegenüber ist staunend bei Präsentationen – mit hochkarätiger medialer Flankierung – zu besichtigen, bei denen es im Grunde aber nur um Pluspunkte im eigenen Karriereplan geht und nicht um die Kinder, die wir so zu verlieren drohen.

So aber werden die unnachsichtigen Verhältnisse mit Gewalt die Verhältnisse schaffen, die ihnen zu dienen haben.