02 Juni

Europa – Meditation Nr. 503

Das Nationalstaatsprinzip gehört längst zum Altmüll (Teil II)

Selbst das Römische Reich – das alte Europa also – verzichtete auf Nationalstaats-Räson – das Zentrum versammelte um sich herum lauter Satelliten, die nicht nur ihre jeweilige Religion, sondern auch ihre soziale Strukturen beibehalten durften – sie mussten nur Steuern und Soldaten abführen, um das gesamte Große Ganze nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern auch prosperieren zu lassen. Ein kluges Modell, dass die Peripherie genauso wachsen ließ wie das Zentrum. Und die maßgeblichen Macher kamen mehr und mehr auch vom Rand, brachten frische Gedanken und neue Typen in die Bürokratie, Philosophie und in das Wissen über Straßen- und Kuppelbau, von kilometerlangen Viadukten ganz zu schweigen.

Dieses Wissen und dieses kluge Konzept ging im Mittelalter scheinbar verloren. Man setzte auf Stammeszugehörigkeit, überwölbt von nur noch e i n e m Gott, der keine fremden Götter mehr neben sich duldete. Entsprechend kriegerisch verhielt man sich jedem potentiellen Konkurrenten gegenüber. Kriege über Kriege, Massaker über Massaker, Elend auf Elend Jahrhunderte lang.

In der Neuzeit kamen die Europäer dann auf die unselige Idee, dass die Stämme und Völker in übergeordneten Nationalstaaten zu sortieren seien. Von kleinauf wurde dieses unerbittliche Zwangshemd „Nation“ wie ein Krebsgeschwür als Raster über den gesamten Kontinent ausgeweitet. Darunter brodelte es mächtig – dem wusste man aber entgegenzutreten, indem man nach außen ablenkte: sich „unterentwickelten Landstriche“ einverleibte, sie ausbeutete und in gewaltsamer Abhängigkeit hielt. Sich selbst stilisierte man zur erfolgreichen Species, die gewissermaßen ein Recht auf solche Knebelung zu haben schien – wenn nötig auch mit Gottes Segen. Vom Platz an der Sonne bis zur „Entwicklungshilfe“ schuf man sich Raum für Unterdrückung und Vorherrschaft – alles im glitzernden Spiegelbild einer nationalen Ideologie von Vorrang und gottgewolltem Tun.

Als man aber in Übersee auf die europäischen Konkurrenten stieß, musste der Nationalgedanke noch einmal überhöht werden: auch innerhalb der verschiedenen Nationen musste doch jedem vernünftigen Menschen einsichtig sein, dass es eine Hierarchie der Nationen gab, die sich nicht zuletzt am kriegerischen Erfolg festmachen ließ.

1945 waren dann mehr als 52 Millionen Tote zu beklagen – alle „natürlich“ ehrenhaft für die eigene Nation gefallen. Selbstverständlich gab es da auch die guten und die bösen Nationen.

Die regionalen Strukturen aber hatten sich jenseits dieser nationalen Auswüchse weiter erhalten. Jetzt können sie endlich wieder zu sich selbst finden, ein Wir leben, das auf friedlicher Nachbarschaft basiert, das nach der arroganten Bevormundung durch die Vereinigten Staaten von Amerika sich in einem neuen Bündnis von gleichwertigen Partner europaweit organisiert: die eigenen regionalen Stärken systematisch ausbaut und die notwendigen Zugeständnisse zur gemeinsamen Verteidigung dieses auf Diversität basierenden Modells gegen das Auslaufmodell „Nation“ mutig favorisiert, um gemeinsam nicht nur den Kontinent, sondern auch den Planeten aus den selbst zu verantwortenden Krisen herauszumanövrieren mithilft. „Gebt Europa, was Europa zum friedlichen Wachsen braucht!“ – damit der Rest regional blühen und gedeihen kann!

02 Juni

Europa – Meditation Nr. 502

Das Nationalstaatsprinzip gehört längst zum Altmüll. (Teil I)

Über Nacht sind scheinbar eherne Vorbilder wie schüttere Kartenhäuser zerbröselt – atemberaubend schnell, aber mit viel tamtam. (Schon vergessen? – erst neulich: Mauerfall/Ende des Ostwestkonflikt/Ende des EINE-WELT-KONZEPTS – obwohl sie in der damaligen Wahrnehmung und politischen Großwetterlage als Langzeitphänomene angesehen wurden!)

Die sogenannte transatlantische Brüderschaft entpuppt sich bei Tageslicht als das, was sie wirklich immer war: ein knallhartes Zweckbündnis für die Interessen der amerikanischen Industrie und die Aktien der Börse.

Als die frommen Pilgrim-Väter aus dem feudal-protestantischen Europa in die „NEUE WELT“ flohen, wollten sie dort ein neues Jerusalem gründen – ohne Privilegien (vom Geld natürlich abgesehen, versteht sich von selbst) und in einer „splendid isolation“, um nicht vom alten Denken Europas infiziert zu werden. Sie hielt ihre weiße Haut wie ihr weißes Gewissen vor Gott und der Welt als einmalig. Ja, sie waren sich sogar sicher, dass ihr Gott sie auserwählt hatte, dieses neue, schier unendlich weite Land sich untertan zu machen – manifest destiiny – und alles, was sich dem nicht unterwerfen wollte, durfte im Namen dieser neuen Heilsbotschaft ausgemerzt werden.

Der neue Gott auf Erden war nun der Dollar, gepaart mit einen strengen und prüden Korsage moralischer Engstirnigkeit, die jeden, der ein ansehnliches Haus errichten konnte, als von Gott im vorhinein auserwählt betrachtete. Und von den Kriegen in Europa wollte man sich fern halten, für immer.

Erst als sie sich 1917 selbst angegriffen fühlten, traten sie in den Weltkrieg I ein. Genauso wie sie erst spät zum Weltkrieg II stießen. Die unheilige Allianz mit dem roten Teufel im Osten hielt auch nur so lange, wie es nötig war, bis der Faschismus niedergerungen war.

Der dann als Feind schlechthin auserkorene antikapitalistische Ungeist musste nun weltweit bekämpft werden – wider die unamerikanischen Umtriebe, notfalls auch mit agent orange – und die frisch hinzugekommenen Juniorpartner mussten sich erst einmal in Bündnistreue üben, gleichzeitig galt es auch die materiellen Gesetzmäßigkeiten des Dollars zu inhalieren, damit alle an einem Strang ziehen, dem „make America bigger and bigger world wide“.

Die an diesem Erfolgsmodell angedockten Nationalstaaten (NATO) schienen – vor allem unter einem furchterregenden Waffenschirm – es besser gar nicht hätten treffen können, so blähte sich die Dollarblase auf – weltweit.

Bis das „Reich der Mitte“ aus seinem opiumverseuchten Alptraum nach und nach erwachte, schnell von den gierigen Dollar-Leuten zu lernen wusste und sie inzwischen sogar zu übertreffen beginnt.

Und schon mutiert der ehemalige „große Bruder“ wieder zum schonungslosen Egoisten, dem seine ehemaligen Familienangehörigen so was von egal sind, wenn es um die Dollar-Stärke geht – schön verbrämt mit dem alten Gott-Idol, das vor jeden Geldwagen gespannt werden kann, seit die Puritaner ihn mit nach Übersee genommen hatten.