Europa – Meditation # 101 Heimat-Text Nr. 18
Die schier unstillbare Sehnsucht nach H E I M A T
Das Karussell der Eitelkeiten und leerlaufenden Floskeln und Slogans dreht sich und dreht sich immer weiter. „Masterplan“ – war für ein abstraktes Wortmonstrum! Europaweit, weltweit Wortgeklingel nur. Gleichzeitig lässt sich der Zeitgenosse dieses Jahrmarktes gerne ablenken mit Ballspielen, Tempo, teuren Sachen, virtuellen Achterbahnfahrten und Opium. Das kostet natürlich – nicht nur Geld, sondern auch ungelebte Lebenszeit. Das rächt sich, denn die innere Stimme hört nicht auf zu maulen, will lebendiges Leben, will wirkliche Wirklichkeiten und keine Ersatzstoffe.
Als kleiner Ausweg bietet sich einem solchen Zeitgenossen die Sehnsucht nach heimatlichen Gefühlen an: bedingungslose Gemeinschaft zum Beispiel in vertrautem Rahmen, mit vertrauten Leuten. War es nicht die B-Jugend-Mannschaft, die nicht nur gegen Langeweile, sondern auch gegen Sinnlosigkeit half, weil man zusammen trainierte, zusammen zu Punktspielen los fuhr, gewann oder verlor – je nach dem – und so ein wirkliches Erlebnis an das andere reihen konnte. Und was war das doch für ein peinlicher Tanzkurs, mannoman! Jetzt darüber lachen tut so gut. Oder im Schachclub oder bei der Freiwilligen Feuerwehr…Das schafft ein gutes Identitätsgefühl und die Symbole dazu lieferte eine vertraute Umgebung von Freunden, Freundinnen und Gegnern.
Im Mitfiebern bei den Spielen der Nationalmannschaft scheint sich noch einmal dieses Gefühl zu wiederholen, wenn man mit Gleichgesinnten dabei ist. Im sogenannten Sommermärchen – es war aber eine wirklich erlebte Geschichte und kein Märchen, sondern nur fast märchenhaft wohltuend – verwischten sich sogar für solche Momente die sozialen Unterschiede; man duzte wildfremde Menschen und keiner war pikiert. Das erzeugte ein gutes Lebensgefühl – weil man gemeinsam dem Gegner auf die Verliererspur helfen wollte, Aggressionen hatten so ein solidarisierendes Ziel. Strahlende Gesichter, lachende Münder, freundliche Wortwechsel, Geflaxe. Möglichst in schnoddrigem Ton, im Tonfall des erlernten Dialektes und natürlich wahnsinnig kompetent!
Das nur als kleines Beispiel für die Kraft, aus der wir schöpfen, wenn wir optimistisch in die Welt blicken sollen/wollen.
Hinter Abstraktionen wie Nation, EU, UNO oder TTIP lässt sich kein Heimatgefühl finden. Das sind zu große, zu leere Begriffe. Dahinter verbirgt sich für den Zeitgenossen nichts, dem er sich anvertrauen möchte, überhaupt nichts. Höchstens als Bedrohung seiner Existenz nimmt er sie unbewusst wahr.
Aber die Sehnsucht nach diesem Heimatgefühl will weiter gestillt werden. Weder die Medien, noch die Parteien, weder die VIPS noch die Aktienkurse können da punkten.