Europa – Meditation # 159
Kleiner Nachtrag zum letzten Text (#158)
Klar, j e d e r kennt „natürlich“ den Artikel 23 im GG von 1949, klar. Aber eigentlich ging es jedoch um die nicht genutzte Chance von Artikel 146 im GG von 1949.
In einem Text aus dem Jahr 1999 fast das Wolfgang Ullmann so zusammen:
„…noch viel wichtiger war uns der Artikel 146, der eben für diesen
Moment der Geschichte, wo alle Deutschen die Möglichkeit hatten,
gemeinsam zu handeln, einen verfassungsgebenden Akt vorsah….
Von der damaligen Diskussion ist nicht allzu viel übrig geblieben in der Verfassung des Vereinten Deutschland. Alle Bestrebungen, wenigstens einzelne Elemente unterzubringen, waren letztlich vergeblich.“
Nun ist der wehmütige Blick zurück – oh, da haben wir wohl eine riesige Chance verpasst – ja wohltuend im rührigen Topf des Selbstmitleids, aber das wäre nur ein weiteres Bausteinchen im Narrativ „Stellt euch nicht so an, schaut lieber auf das, was wir geschafft haben“ oder so ähnlich. Da dreht das Miss-Verstehen-Wollen doch nur auf der Stelle. Not tut aber das Verstehen-Wollen des anderen, der andere Bilder für die gleiche Geschichte in seinem historischen Gedächtnis gespeichert hat.
So ist es übrigens überall in Europa, wo Menschen um das „richtige“ Bild ihrer regionalen Geschichten ringen – ganz gleich, ob in Irland, im Baskenland, in der Bretagne, im ehemaligen Sudetenland, in Sizilien, auf Korsika, im Kosovo, in Schottland oder bei den Jurassen, um nur einige zu nennen , von den Friesen und den Bayern ganz zu schweigen. Und schon kommen auch die Rheinländer angerannt…
Jetzt wäre ein wirklich günstiger Zeitpunkt mitten in Europa: Abschied zu nehmen von vertrauten Schuldzuweisungen, innezuhalten und zu sagen:
„Jetzt können wir auf Augenhöhe und aus der Distanz von dreißig Jahren endlich mal Klartext reden, uns an einen großen runden Tisch setzen und dem hastig zusammengeflickten Neuland endlich eine gemeinsam erarbeitete Verfasung geben.“
Da fließen dann – sine ira et studio – alle Erfahrungen ein, die die Deutschen in der Zwischenzeit miteinander gemacht haben; die brauchbaren und die schädlichen genauso wie die unnützen oder nützlichen.
Wie wäre das denn?
Artikel 146 im Jahre 2019 wiederbeleben – also 30 Jahre nach dem Mauerfall – erstmals gemeinsam ernst nehmen und kreativ für eine gemeinsame Zukunft umsetzen?
Das könnte dann für ganz Europa eine neue Brücke sein, über die gerne die Europäer gemeinsam gehen könnten. Ohne Vorbehalte und Ängste und öde Besserwisserei.
Die Clowns an der Themse und am Potomac zeigen doch allzu deutlich, wohin Hass, Häme und übertriebene Eigenliebe führen.