Europa – Meditation # 207
Neues Spiel, neues Glück?
Die Erdlinge tun so, als wäre ihr Platz am Spieltisch save…
In Europa tun die Europäer so, als begänne nun eine neue Runde der Wachstums-Wette. Stolz werfen sie Zahlenreihen in die Runde. Wir können sogar noch mehr! So versuchen sie sich selbst Mut zu machen, denn Ungemach braut sich global zusammen: Das Kräfte Messen stolpert in eine neue Runde, neue potentielle Großmeister springen in den Ring, die alten lecken in der Ecke ihre Wunden. Die Medien, die analogen wie die digitalen, befeuern die Phantasie der Zuschauer weltweit mit spannenden Prognosen:
„Wir glauben, dass…“
„Wir glauben, dass…“
Und so einer phantastischer als der andere, nur um mehr Aufmerksamkeit zu erhaschen – für einen Moment.
Gerne bedient man den neugierigen Kunden mit alten Bildern, damit es so aussieht, als wäre alle schon einmal da gewesen, alles das gleiche, nur in neuem Gewande:
Erinnert ihr euch noch?
Juni 1947 – der stolze Sieger reicht den Besiegten die Hand und bietet sogar langfristige Darlehen für den Wiederaufbau an in Europa. Der Marschall-Plan. Wie schön.
Juli 2020 – der stolze Fremde bietet Darlehen an zu günstigsten Bedingungen. Wer wollte da nicht zugreifen? Das Reich der Mitte ist inzwischen schon der größte staatliche Gläubiger der Welt. Und ist das nicht ein beruhigendes Bild? Von der Mitte her wird nun an die Peripherien verteilt, fast gleichmäßig schliddern die klammen Länder so in eine neue Zukunft, die nicht mehr von der Weltbank gelenkt wird, sondern von der Mitte eben.
Wie schön.
Und für Zahlenfetischisten hier noch ein kleines Zückerchen, das wie Sahne auf der Zunge zerschmilzt: Die Gruppe der sogenannten Entwicklungsländer – was für ein kränkender Terminus für die Betroffenen – schuldet dem Land der Mitte bereits so um die 400 Milliarden Goldtaler, oh, pardon, Dollar.
Und die Mitbewerber um die Gunst des Weltpublikums dieser Tage, Russland, Indien und fast schon in aussichtsloser Position die USA, singen gemeinsam das Lied vom fair-play…in den Jahrzehnten davor, als die USA unangefochten number one waren, diktierten sie den Abhängigen, was mit fair-play gemeint war. Jetzt schwimmen ihnen die Felle davon und stimmen ein in den Chor der Jammernden: Wir werden betrogen, wir werden über den Tisch gezogen, wir werden überwacht, wir werden umzingelt…oh, die Armen aber auch!
Und die EU? Die verpasst den günstigen Augenblick der Geschichte, zu einem eigenständigen Kontinent zusammenzuwachsen, der gerade über seine Vielfalt so kraftvoll sein könnte.
Flüchtlinge lehren sie das Fürchten.
Fluten stimmen sie nachdenklich.
Flächen, die veröden, machen sie sprachlos.
Aber die entscheidende und Not wendende Neuorientierung trauen sie sich einfach nicht zu.
Wie schade.
Nein, wie dumm.
Denn nicht nur werden in diesen Tagen die Karten weltweit neu verteilt, ein NEW DEAL aus dem Füllhorn des Landes der Mitte, nein, auch der so mit weichgespülten Anglozismen klein geredete Klima-Kollaps wird immer wahrscheinlicher.
Wie dumm ist das denn?
Europa, die weitsichtige Frau, reitet auf einem lahmenden grauen Stier in eine düstere Zukunft. Weitsichtig?
Zwei Frauen in Europa haben für einen Moment vielleicht die Möglichkeit, etwas von der Weitsicht der mythischen Europa umzusetzen, in dem sie vom Stier abspringen, langsam Hand in Hand – und ohne sich nach Sodom und Gomorrha umzudrehen – neue Wege gehen, die sowieso auf der Hand liegen. Dann könnte vielleicht Europa – als kleiner Kontinent bei der Neuverteilung der Karten – Vorbild werden in einem gewaltfreien Sinne und jenseits der machtgierigen Umverteilungspläne großer Spieler.