Europa – Meditation # 213
Das Geschäftsmodell des Anthropozäns ist insolvent!
Der Nabel der Welt von einst wird die Geister, die er rief, nun nicht mehr los. Je weiter sich in Europa das Denken – und danach auch das Tun – vom gemeinsamen Überlebenswillen entfernte, desto atemberaubender wurden auch die Konzepte, die sich im Gehirn der denkenden Menschen aufblähten. Je mehr der Europäer von den Abläufen der Dinge zu verstehen schien, umso mehr glaubte er die Dinge auch beherrschen und in seine Dienste nehmen zu können. Am offensichtlichsten in der Erfindung der Zähmung der Atomkraft. Ein Irrtum, der trotz aller Desaster und Restposten als großer Sieg des Denkens und Gestaltens gefeiert wird. So häuften die Europäer Erfindung und Erkenntnis auf einander. Das Selbstbewusstsein wuchs, schließlich nimmt er sich selbst zum Gegenstand seiner Untersuchungen und erfindet mit Hilfe der Sprache Konzepte, die sein Denken und Handeln logisch erklären sollen.
Und allen auf diesem Planeten sollen die Ergebnisse zugute kommen, meinten die Europäer großherzig. Großherzig? Nein, es ist nicht die Empathie, es ist die Gier, die sie rücksichtslos voran trieb.
Es gipfelt in dem kühnen Gedanken, dass jeder für sich und zuerst seine eigene Existenz planen und durchsetzen kann und soll. Die Konkurrenz dabei belebe nur das Geschäft – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Herrschaft des Volkes (Demokratie) und freier Handel und Wandel überall – das sind die Eckpfeiler dieses Evangeliums – und gerne auch im Hintergrund weiter das Evangelium transzendentaler Ausweitung. Und mit Hilfe der neuesten Apparate und deren Vernetzung kann dieses unterhaltsame Spiel in Dauerschleife jedem zu seiner eigenen Selbstverwirklichung dienlich sein. Gewissermaßen paradiesische Verhältnisse habe der Mensch sich da geschaffen – nicht irgendwelche Götter seien es also, die ihn von fast allen Beschränkungen frei mache. Nur Krankheit und Tod sind noch nicht genügend eingehegt. Aber was wäre der Mensch auch ohne weitere große Herausforderungen?
In diesen Tagen allerdings ist es in Europa Zeit für einen Kassensturz. Zu offensichtlich sind die Erosionserscheinungen im Politischen wie im Ökonomischen. Die Folgen der ungebremsten Individualisierung weltweit führt uns nun die Pandemie vor Augen. Und in Tagträumen können die Europäer nun weiter ihre Visionen „leben“.
Da war noch nie eine Herrschaft des Volkes (wo es tatsächlich Tagträumer versuchten, wurden sie schnell von den Schergen der Stellvertreter der Herrschaft des Volkes kassiert) und da war auch noch nie eine Wirtschaft, der es genügte, genug zu haben – seit den Jägern und Sammlern. Von dem Amoklauf wider die Anonymität von Milliarden von isolierten Erdlingen seitdem ganz zu schweigen.
Jetzt erst – in allerletzter Sekunde – schwant den Selbstbetrügern und den Betrogenen, dass das Geschäftsmodell des Anthropozäns insolvent ist. Angeschoben von der Denkwut der Europäer stehen sie nun vor einem Weltladen, der pleite ist. Seit Monaten haben die Erdlinge schon ihre Jahresration verbraucht und tun immer noch so, als wäre da mehr – aber die Epochen des unabhängigen Individuums waren lauter Luftnummern, die allzu vielen Menschen das Leben kosteten. Jetzt sind sie selber an der Reihe und wundern sich.
Endlich gelangen sie doch zu Aristoteles zurück, dass wir eben nur als Gemeinschaftswesen zu so etwas wie Sinn des Lebens gelangen können – in überschaubaren Gruppen, mit überschaubaren Plänen in überschaubaren Gegenden. Wie zum Beispiel in den Regionen Europas.
Vieles ist da zu entdecken und Not die Treue zur Natur, die uns zum Abenteuer Leben losschickt, es zu nutzen in überschaubarer Zeit.