01 Feb

Europa – Meditation # 251

Brandbeschleuniger unterwegs?

Wenn wir Europäer uns mit unserer Geschichte befassen, dann benutzen wir immer wieder Bilder und Narrative aus der Antike, vor allem der römischen.

Viel Bücher befassen sich schon seit langem mit der Frage: Wie konnte solch ein gut funktionierendes System überhaupt zusammenbrechen und was waren die Faktoren?

Wir späteren haben „natürlich“ schwerwiegende Argumente parat, um die eine oder andere These als ziemlich glaubwürdig weiter zu erzählen.

Dabei steht im Mittelpunkt fast regelmäßig der Begriff der „K R I S E“ , der gesellschaftlichen, militärischen, philosophischen, ökonomischen und natürlich der Migranten, gemeinhin als „Völkerwanderung“ bezeichnet. Aber sie dauerte, die Krise. Im Innern sollen es wohl die Eliten gewesen sein, die nicht mehr die althergebrachte Moral der Vorväter im Augen hatten, sondern nur Genuss, Geld und exzessive Feste, Eliten, deren Besitzungen – von Sklaven bestellt – so große waren, dass sie im heutigen Maßstabe Nationen wären. Die auch körperliche Ertüchtigung und Bildung lieber in spektakulären Inszenierungen – panem et circenses – passiv genossen, als selbst ihren Kindern vorzuleben. So wie heute die osteuropäischen Schwarzgeld-Nannys und Krankenpfleger die Kernarbeit für die wohlhabenden und gestressten Westeuropäer erledigen, so taten es damals vor allem die gebildeten Sklaven aus Griechenland und Kleinasien oder Nordafrika. Und die Legionen rekrutierten sich mehr und mehr aus Ausländern, die im römischen Heer Karriere machen durften. Also war es im Innern der geistige Verfall, die Dekadenz, also etwas nicht wirklich Greifbares, Sichtbares, das den Boden für den eigenen Untergang bereitet haben soll, und im Äußeren – sehr sichtbar und militärisch präsent – die fremden Soldempfänger, die kein Latein sprachen, von Griechisch ganz zu schweigen, die nie etwas von Vitruv und seinen Büchern zur Architektur und Mörtelvarianten gehört hatten usw.

Heute scheint es eher umgekehrt: Die Äußere Bedrohung ist völlig unsichtbar, aber massenhaft unterwegs – fast wie ein Tsunami – und überspült die innere Substanz europäischer Kultur und Identität. Sichtbar in der ungerechten Vermögensverteilung, in der Chancenungleichheit der nachwachsenden Generationen, in den explodierenden Größtunternehmen, die über alle wichtigen Daten der kleinen Leute verfügen, die nicht mehr wissen, wie sie die nächsten Monaten finanziell überleben sollen, alles sehr sichtbar, offensichtlich, aber wie naturgegeben hingenommen, von denen, die es trifft. Die Kultur der sogenannten Post-Moderne stellt sich dar als ein nicht mehr zu überbietendes Fest der wenigen im Angesicht der vielen, denen der Sinn europäischer Kulturgeschichte vollkommen abhanden gekommen ist und die nun aus Angst vor dem unbekannten Äußeren, das ihnen überall aufzulauern scheint und wie ein Brandbeschleuniger wirkt, das kaputt machen wollen, was sie kaputt macht, und die nun bereit sind, das Auslaufmodell Europa ad acta zu legen. Auch ohne eine klare Perspektive. Wer so mit dem Rücken an der existentiellen Wand steht, dem helfen eben keine frommen Beteuerungen mehr, der ist einfach bereit sich zu verabschieden. Er hat ja sowieso nichts zu verlieren.

Wie wird das Narrativ aussehen, das künftige?

Angesichts der Klimakatastrophe, der Verschwendung von Steuergeldern für neue Atomwaffen- und -kraftwerke, der Zerstörung der Regenwälder und der Ozeane zielt ein neues Narrativ sicher gerne auf eine endgültige Abschaffung eines kulturellen Irrtums der Europäer, das zu viele erbärmlich hinter sich zurücklässt und den Strahlebegriff Demokratie als riesigen Betrug entlarvt, den man schnellstens hinter sich lassen sollte.

Gerade in den Familien mit Kindern, die mit digitalen Plastikbrosamen abgespeist werden, und in den schrägen Hallräumen von Single-Apartments wächst die Verzweiflung, die Wut, die sich nicht mehr lange wird besänftigen lassen mit Netflix und Tip-kik-Fußball, für den die Profis auch noch horrende Summe abkassieren dürfen.

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