Europa – Meditation # 264
Alles fließt – auch in Europa, Heraklits Heimat.
Wären es Ameisen oder Termiten, sie würden bei ihren Leisten bleiben und nach alter Weise ihre Dinge tun: Arbeiten, Sich Fortpflanzen, Schützen, Helfen, Vorsorgen, Sichern – ein ruhiger Wechsel von Werden und Vergehen. Da aber die Erdlinge eine Versuchs-Species ist, die so etwas wie die Dinos des Anthropozäns sind, meinen sie wohl auch, sich anders profilieren zu müssen als ihre kleine Artgenossen auf und unter der Erde.
Unser Gehirn – die Neurologie in Europa wie in Übersee arbeitet akribisch daran, endlich herauszubekommen, wie Bewusstsein entsteht und sich wandelt (Sisyphus lässt grüßen!) – versorgt uns Tag und Nacht mit Erinnerungskombinationen, damit wir uns ein-bild-en können, Herr dessen zu sein, was wir Vergangenheit Gegenwart und Zukunft zu nennen uns gewöhnt haben.
Dabei sind es alles nur Probeläufe, die in einem winzigen „Labor“ einer der unzähligen Galaxien gerade stattfinden – wie ein Spiel mit lauter Unbekannten, denen wir aber mutwillig ein-deutige Namen glauben geben zu können. So beharren wir Erdlinge dickköpfig darauf, zu wissen wie der Hase läuft, während uns gleichzeitig die Zeit davon läuft: Das kleine interstellare Experiment wird über kurz oder lang als Error abgeschaltet werden. Denn Denken und Bewusstsein erweisen sich als zerstörerisch, als Fehlentwicklung eben.
Dass Heraklit das schon in seinem „PANTA RHEI“ – alles fließt – knackig auf den Punkt brachte, hat die europäische Philosophiegeschichte kurzerhand als „vorsokratische Position“ abgetan. Und damit scheinbar als bloßer Vorläufer von dem, was die Europäer sich alles noch aus denken wollten. Aber auch Lukrez hat in seinem „De Rerum Natura“ noch einmal bestätigt, wie fluid die Sachen wie das Nachdenken darüber sind, was ihm natürlich die Verbannung auf den INDEX einbrachte.
Und wenn heute nun – angesichts einer tödlichen Bedrohung – die klugen Geister in Europa tatsächlich den kühnen Satz auszusprechen wagen: „Es wird Verzicht vonnöten sein!“, so werden auch sie damit rechnen müssen, als Ketzer gebrandmarkt zu werden, obwohl es doch nichts anderes meint, als die Rückkehr zum natürlichen Gang von Werden und Vergehen. Hybride sind nämlich nicht zukunftsfähig. Punkt.
So ist unsere elaborierte Identität – homo sapiens – auch nichts anderes als ein zufälliges, sich permanent verflüssigendes Konstrukt unserer Ein-Bild-ungs-Kraft, die nichts anderes zu können scheint, als das für „wahr“ hypostasierte Modell in einer Unendlichschleife zu wiederholen – jetzt auch noch digital und damit scheinbar endlos und unverlierbar.
Die Erdlinge können also aufatmen: Selbst wenn sie selbst von sich selbst abgeschafft werden sollten (was nur Pessimisten für wahrscheinlich halten können!), werden sie digital weiterleben, leblos, aber fehlerarm und steril. Wie tröstlich.