14 Aug

Europa – Meditation # 280

Europas Erinnerungen.

Schon die Überschrift führt uns in die Irre. Von wem ist die Rede? Von Europa. Doch wer ist Europa? Ein Sammelbegriff für einen Mini-Erdteil oder der Name einer mythischen Frau?

Beim Sammelbegriff wird es gleich schön unübersichtlich, denn so viele Länder, so viele Erinnerungen. Auch wenn sie sich auf gemeinsame „Taten“ beziehen, bleiben sie doch immer völlig verschieden in der Erinnerung verankert. Aber ein Anker kann sich auch losreißen, das Erinnerungsboot gerät ins Schwanken, in eine Strömung…Beispiele?

Die Kelten, die Römer und ihre Heiligtümer. Wie haben sie sich damals erlebt, wie erinnern wir Europäer sie heute, gestern, morgen?

Die unselige Christianisierung des Abendlandes vom Morgenland her. Der Monotheismus – für alles erfindet uns die Sprache brave Begriffe, an denen wir uns – wie Rettungsanker – festhalten können. In Portugal zum Beispiel glaubt man, den Kopf des Evangelisten Jakobus als Strandgut gefunden zu haben. Seitdem gibt es von dort her strahlend eine uferlose Bilderwelt von Muscheln, von Pilgerwegen, von Erinnerungsstätten. Bis heute.

In Frankreich zum Beispiel der Wald von Broceliande in der Bretagne: dort glaubt man, dass Merlin von Morgane in einen Baum verzaubert wurde. Viele Erinnerungen verbinden sich mit dieser Geschichte. Bis heute.

Oder die vielen Kriege, die die Heere verschiedener Länder Europas in den letzten tausend Jahren gegeneinander führten: spätestens alle fünfzig Jahre werden dazu die Geschichtsbücher für die Schulen überarbeitet, mit neuen Bildern versehen, damit in den Köpfen der Bilderwald ordentlich ins Rauschen kommen kann.

Und seit den letzten beiden großen Kriegen in Europa (1914 und 1939) nimmt die Arbeit an den Erinnerungen erst so richtig Fahrt auf: Wer war schuld, wer hat gewonnen? Den zahllosen jungen Männern, die dabei gewaltsam ihr Leben verloren, dürfte das zwar gleich sein, aber die Hinterbliebenen wollen es nun einmal wissen.

Und nun – in der Gegenwart im europäischen Erinnern angekommen – wird mit Leidenschaft (von „sine ira et studio“ keine Spur!) wortreich darüber gestritten, ob es so etwas wie Erinnerung I und Erinnerung II geben muss. Denn wie soll man sonst die jeweilige Gewaltbereitschaft unter den Völkern Europas von einander unterscheiden?

Aber wozu das? Ist es nicht eher einfach nur besser-wisserisch, dass der eine (natürlich alles strenge Wissenschaftler – als ob das vor Vorurteile zu schützen vermöchte! ) im „richtigen“ Strom der Bilder driftet, der andere aber nicht? Die geschwollene Ader auf der Stirn beim Argumentieren zeigt doch bloß, wie sehr Gefühlswallungen das Sagen haben – auf der einen wie auf der anderen Seite.

Wäre es nicht sinnvoller (also mit einer Fülle an Sinn beschenkt), als gemeinsamen Nennern da die VORLÄUFIGKEIT als probates Bild anzubieten?

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