Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 122
Das plötzliche Ende der drei Brüder der Europa.
„He, wer sind denn die drei, die da tuschelnd auf den Trümmern des Königspalastes stehen?“
„Sehen ziemlich verdächtig aus. Fremde, bestimmt!“
„Los, kommt, die schauen wir uns mal aus den Nähe an!“ ruft der nächste aus der Gruppe der vom Beben verschreckten Männer.
Die drei Brüder der Europa, Kilix, Kadmos und Phoinix, die unverrichteter Dinge von der Suche nach ihrer Schwester Europa nach Sidon, ihrer Geburtsstadt, zurückgekehrt waren, wollen sich aus dem Staub machen. Die Horde wütender Männer, die da angerannt kommt, lässt sie Böses ahnen.
„Kadmos, Phoinix, nichts wie weg hier“, ruft Kilix leise. Und schon stolpern sie los. Aber vergeblich. Da ist kein Weg mehr, keine Straße, nichts, nur Trümmerberge, die im Wege stehen.
In den Köpfen des Männertrupps, der nichts mehr ist als ein Bündel aus Angst und Schrecken – ihre Stadt gleich zweimal zerstört, erst dieser blutrünstige König Ufroras aus Assyrien, dann das Beben, das die Götter hinterher schickten – schreit alles nach einem Sündenbock. Und sie spüren atemlos vor Zorn und Rage, dass die drei fliehenden Männer wie von den Göttern geschickt scheinen: Die müssen wir kriegen, die müssen wir opfern, dann wird alles wieder gut! Kurzer Prozess, klar. Auf sie mit Gebrüll!
Auf Kreta hat währenddessen Europa Albträume: Diese Giftanschläge, dieses Beben! Sind es Warnungen der großen Göttin oder sind es nur Zufälle? Der eine von missgünstigen Männern, der andere von neidischen Göttern? Warum muss ich gerade jetzt an meine Familie denken? An meine strenge Mutter, meinen herrschsüchtigen Vater, meine lustigen Brüder? Sie weiß es nicht.
Phoinix, der hinter seinen beiden Brüdern her rennt, stolpert, fällt.
„He, so wartet doch, he!“ ruft er. Er hat sich den Fuß umgeknickt. Kilix zerrt Kadmos am zerrissenen Hemd zurück.
„Komm, Bruder, wir müssen ihm helfen!“
„Nein, da kommen sie doch schon, die werden uns umbringen!“ schreit Kadmos und will sich losreißen. Vergeblich. Kilix zwingt ihn mit zum stöhnenden Bruder.
Dann geht alles furchtbar schnell: Der Mob ist da, über ihnen, schreit, schlägt, tritt, flucht, lacht grässlich; die Brüder flehen um Gnade. Sie seien doch des Königs Söhne, Prinzen alle drei.
„Habt ihr das gehört? Ist das nicht dreist?“
„Die wollen uns wohl noch belügen, diese Fremden, Mistkerle, aber auch!“
„Ne, ne, hört mal, die Gesichter kenn ich, die sind wirklich…“
Aber der erstaunte Mann kommt gar nicht mehr dazu zu sagen, was er meint. Die anderen haben schon Steine aufgehoben, werfen nun voller Wut auf die drei Männer, was sie in die Hände bekommen. Steinflug, fast wie Hagelschlag. Es dauert aber, bis sich keiner von den dreien mehr regt.