Europa – Meditation # 313
Europa – die Spitze des Eisbergs.
Der homo sapiens sapiens hat sich das Sprechen in Bildern von Anfang an selbst beigebracht; die Europäer bauten darauf auf und bebilderten sich die Welt mit Wortschöpfungen, an denen sie sich selbst berauschen konnten. So eben dann auch nicht nur das Bild vom Wüstenschiff oder vom Drahtesel, nein, auch das von der Spitze des Eisberges wurde solch ein Sprachbild, mit dem sich trefflich Vermeintes scheinbar anschaulich verdeutlichen lässt.
Europa – die Spitze des Eisbergs?
Wie könnte dieses Bild gemeint sein?
Es geht dabei um die zur Zeit europaweit wabernde Debatte um das Thema Gewalt gegen Frauen und Missbrauch in all seinen Varianten. Zur Zeit scheint diese Spitze dieses eiskalten Berges „nur“ die Kirche zu sein, bis hinauf zu ihren Päpsten.
Neben der inzwischen ermüdenden Auseinandersetzung um die wirkungsvollste Bekämpfung der Pandemie und dem 5-nach-zwölf-Klima-Katastrophen-Notruf des Globus‘ kreist in diesen Tagen nun die mediale Aufmerksamkeitskampagne träge um das Missbrauchs-Thema.
Da aber ist es – fokussiert auf die Kirche und ihre höchsten Repräsentanten – zwar ein schönes Beispiel für die sogenannte Fall-Höhe („Nur wer hoch steht, kann auch tief fallen“) – eine nicht hinnehmbare Verengung der Anstrengungen unserer Medien und der Gerichte:
Denn in einer patriarchalischen Gesellschaft, die u.a. auf einem körperfeindlichen Gesellschafts- und Moralmodell basiert, ist es europaweit nach wie vor so, dass zu viele Männer mit ihrer Sexualität nicht gewaltfrei umgehen können. Ein Kompensationskanal dabei ist auch die Gewalt gegen Frauen oder deren Diskriminierung mit Hilfe der Prostitution, die sie heimlich intensivst gleichzeitig nutzen.
Der Eisberg, der unter der Spitze des Missbrauchs in den Kirchen, unter der Oberfläche mächtig zu Buche schlägt, wird so gerne ausgeblendet, bzw. seine Kälte gegenüber den Opfer nicht als solche benannt. Denn neben der sexuellen Überhitzung frustrierter Männer meldet sich als geiler Partner gerne die Gewalt zu Wort, verbal genauso wie brachial – sei es nun in Polizeirevieren, Bundeswehrkasernen, Ausbildungsschiffen der Marine, oder eben auch Universitäten, Sportakademien, Schulen und Chören, um nur einige zu erwähnen – von Familien soll hier gar nicht erst die Rede sein.
Wie groß dieser Eisberg der Patrix unter der Wasseroberfläche, sprich unterhalb des öffentlichen Bewusstsein ist, lässt sich nur schwer ermessen, da die sogenannten Dunkelziffern europaweit kaum annähernd ordentlich beziffert werden können.
Aber das Bild von der Spitze des Eisbergs und dem, was darunter nicht zu sehen, aber immens gefährlich groß gleichzeitig präsent ist, sollte eben nicht nur als Sprachbild vor Augen stehen, sondern auch unablässiger Antreiber für unerbittliche Verfolgung und Bestrafung sein.