Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 130
Die Audienz beim Minos von Kreta.
„Kapitän Chaturo und die Priesterin Athanama aus dem zerstörten Sidon bitten dem Minos ihre Aufwartung machen zu dürfen!“
So klingt tief tönend die Stimme des Hofmeisters durch die Empfangshalle. Archaikos sitzt auf seinem marmornen Thron und winkt die Gäste gnädig herein. Vier kräftige Matrosen legen prall gefüllte Säcke vor dem Thron ab, dahinter verneigen sich Chaturo und Athanama. Die alten Ratsmitglieder beäugen von ihren Plätzen an den Längswänden der Halle misstrauisch die Szene.
„Nun, nun. Was habt ihr mir denn da mitgebracht und wer seid ihr überhaupt und was wollt ihr von mir?“
Chaturo spürt den drohenden Unterton sehr wohl. Er muss vorsichtig sein. Außerdem meint er gesehen zu haben, mit welch gierigen Blicken er kurz Athanama begafft hat.
„Hoch verehrter Archaikos, Minos von Kreta, wir kommen mit Öl, Wein und Oliven und natürlich auch mit Weihrauch vom fernen Phönizien, das über den Tod seines Königs Agenor trauert.“
Archaikos hält den Atem an. Agenor? Das ist doch Europas Vater. Blass und sprachlos versucht Archaikos so zu wirken, als wenn ihn das alles gar nicht interessierte. Er schweigt. Lässt die Gäste einfach warten. Athanama aber spürt genau, was da in ihm vorgeht. Sie hat seinen Blick eben wohl gemerkt. Einige Ratsmitglieder beginnen gleich zu tuscheln. Das holt den Minos aus seiner Starre zurück. Er winkt in die Richtung des Getuschels, das auch gleich verstummt.
„Das sind gute und schlechte Nachrichten, die ihr da bringt, wohl wahr, wohl wahr.“
Seine Stimme wirkt unsicher, heiser. Ihm will einfach nichts einfallen, was er sagen könnte. So gibt er ihnen einfach zu verstehen, dass damit die Audienz beendet ist.
Chaturo und Athanama verbeugen sich, die Matrosen desgleichen. Sie wenden sich zu gehen. Da fällt Archaikos doch noch etwas ein:
„Übrigens, bleibt doch bis zum Neumond, da geben wir ein großes Fest, das mit einer prachtvollen Tanz- und Musikvorführung endet. Seid unsere Gäste, wir würden uns freuen!“
Der Kapitän und die Hohepriesterin aus Sidon verbeugen sich erneut:
„Gerne nehmen wir eure Einladung an!“ ruft Athanama in die Halle. Nicht nur die alten Ratsherren, nein, auch der Minos von Kreta halten den Atem an: Diese Stimme, dieser Klang, diese Melodie! Als wäre ein Zauber von den Göttern auf sie herabgefallen und hätte sie alle in ihren Bann gezogen.
„Die Audienz ist beendet!“ schnarrt da die Stimme des Hofmeisters dazwischen. Die alten Männer, aber auch Archaikos verlassen fast fluchtartig die hohe Halle.
„Was war das denn?“ fragt Chaturo ratlos Athanama.