17 Dez.

Europa – Meditation Nr. 477

Zuschauen beim Zerfall von Parteiendemokratie-Theaterszenen.

Was für eine Tragik-Komödie! Und alle schauen zu. Den Spitzenleuten der jeweiligen Partei-Pyramide fällt angesichts großer Sorgen der meisten Menschen nichts anderes ein, als lauter rote Karten an die Rivalen zu verteilen. Im Anzug und in Schlips und Kragen, fast alle. Auch die Frauen nicht nur in ihrer Diktion, nein auch in der Kleidung, zumeist brav am patriarchalischen Muster orientiert. Wie unklug ist das denn? Und solch ein schlichtes Muster: „WIR“ werden alles besser machen (also wählt uns!), die Gegenseite ist an allem schuld. In einer Kita im Sandkasten könnte das vielleicht wie ein spannendes Kinderspiel anmuten, in der politischen Realität im Winter 2024/25 allerdings wenden sich die ratsuchenden Menschen nur angewidert ab. Denn zu durchsichtig und plakativ wirken die verbalen Angebote; es geht um Stimmenfang, damit man nach der Wahl seine eigene Partei als „stärkste Kraft“ in Stellung bringen kann (da locken einige lukrative Jobs im Hintergrund!).

Und mit welchem rhetorischen Mittel will man das so richtig in Fahrt bringen? Mit der Angst-Keule: einmal dass der politische Gegner ein Versager sei, der den Karren nur noch tiefer in den Schlamassel fährt, und zum anderen dass sowohl die ökonomische Lage – global betrachtet – als auch die politische dermaßen gefahrvoll sei, dass nur die Entschlossenheit (welche Entschlossenheit?) der eigenen Partei garantieren könne, doch noch alles wieder zum Guten zu wenden. Phrasen, nichts als Phrasen in schnödem Angstpapier verpackt. Wen soll das denn noch hinter den Ofen hervor holen können? Wen?

So verlässt der Zuschauer enttäuscht die Szene, schaltet um auf spannende Unterhaltungsprogramme und denkt sich seinen Teil: „Die sind doch alle gleich: die wollen doch nur meine Stimme, damit sie Macht ausüben können – zum Vorteil der eigenen Partei – aber die wirklichen Probleme wie Klimakrise, Energiekrise, Mobilitätskrise, Wohnbaukrise und die durch die Decke gehenden Lebensmittelpreise, die bleiben unbearbeitet zum Nachteil – von den internationalen Krisen einmal völlig abgesehen – des Volkes.

Der Vertreter des Wählers ist einfach nicht mehr sein Interessenvertreter. So braucht er ihn auch nicht mehr, es sei denn, er spielt dessen Machtspiel einfach mit – als Stimmvieh sozusagen.

Ansonsten wird gerade in diesen Tagen nur zu deutlich, dass sich die Parteien-Demokratie überlebt hat, dass sie ausgedient hat; denn der Bürger würde nun lieber selbst die Dinge in die Hand nehmen. Das Argument von der Komplexität der Probleme hat sich sowieso in nichts aufgelöst: Die sogenannten Spezialisten verbergen sich nur hinter diesem Totschlagargument, damit sie im Verborgenen ungestört ihr Süppchen kochen können.

Die Probleme sind inzwischen jedem interessierten Zeitgenossen offensichtlich und deren Bewältigung hat weder etwas mit Zauberei zu tun, noch mit komplexen Insider-Wissen, sondern lediglich mit M U T: Mut nicht mehr dem Tempo des Algorithmus zu folgen und dessen biederen Quantifizierungsmustern (der Anzahl von likes und followern), sondern in überschaubarem Rahmen – geographisch wie sozial – die offenkundigen Forderungen der selbst geschaffenen Engpässe solidarisch mit den Menschen aus dem eigenen Kiez anzunehmen und in ihren Ansprüchen abzuarbeiten.

Die sogenannte „Herrschaft des Volkes“ ( d e m o k r a t i a ) war in der Vergangenheit ein System, das das Volk zum applaudierenden Zuschauer degradierte und das alle vier Jahre der Fortsetzung dieses Systems per Wahlbeteiligung zustimmen durfte.

Das Volk hat genug davon. Die Menschen wollen endlich selbst bestimmen und selbst tun, was getan werden muss. Ein Parlament von 700 Mitgliedern ist viel zu groß für ein ernsthaftes Gespräch über schwerwiegende Probleme der viel zu großen Ansammlungen von Menschen in viel zu großen Ballungsräumen.

Europa in seiner faszinierenden Vielfalt könnte das Modell werden für die Abschaffung der großformatigen Demokratie – hin zu einer kleinformatigen Vielfalt vernetzter Gemeinschaften.

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