12 Jan.

Europa – Meditation Nr. 480

Wie die Aufmerksamkeit längst zur WARE geworden ist. Brainrot.

Wenn der bayerische Ministerpräsident vor laufenden Kameras todernst Text macht derart, dass Herr Habeck „ja“ die De-Industrialisierung Deutschlands anstrebe und deshalb als Koalitionspartner nun wirklich nicht in Frage käme, so ist das eine Lüge großen Ausmaßes, mit der er allerdings durchzukommen scheint, obwohl doch jeder halbwegs informierte Zeitgenosse weiß, dass den Grünen gerade eine Modernisierung der Industrie am Herzen liegt. Natürlich wird sich der Verbreiter dieser Falschmeldung verbieten, mit Trump in eine Schublade gesteckt zu werden. Doch die Muster, die Söder bedient, sind beileibe gute Verwandte von „America first“- Diktion und diskreditieren sich „eigentlich“ selbst. Doch sie tun es nicht. Sie sind noch weit über der üblen Machart Trumpscher Prägung einzuordnen, weil sie sich in der Diktion so wahnsinnig als seriös anbiedern, aber nichts anderes sind als miese Taschenspielertricks der übelsten Sorte. Aber wo ist da jetzt der empörte Aufschrei resoluter Demokraten, wo die unabhängigen Medien, die besorgt die rote Karte zeigen? Wo? Nichts, weit und breit.

So kann einem nur Angst und Bange werden, wie die Sprüche sich in den nächsten Wochen bis zur Wahl noch entwickeln werden: Auf der sogenannten Sachebene einfach massiv – flankiert von kichernden Followern in den social media – den politischen Konkurrenten mit falschen Zuweisungen zuschütten und sich selbst als Mister Saubermann profilieren, der „um die Ängste der verunsicherten Bürger“ weiß und „alles tun wird, dass endlich wieder solide Politik für den Bürger“ gemacht wird.

Und wenn man sich vor Augen führt, wie falsch die Meinungsumfrage-Institute in den USA lagen, dann kann man nur hoffen, dass uns so etwas erspart bleibt: die Wechselwähler, die Jung- und Erstwähler und die „Last-Minute-Player“ könnten sich alle kurzfristig für die oder den entscheiden, der gerade einen „coolen Spruch“ im internet losgeschickt hat, der so viele likes und follower hat, dass man einfach mit dabei sein will, wenn die Sektkorken knallen. Als wäre der Wahlabend bloß ein „Event“, dass man medial so richtig abfeiern möchte – und natürlich als „winner“ .

Wenn dann in den Mühen des politischen Alltags die Gewinner sich plötzlich als Kleinbrettbohrer wiedersehen, können sie sich natürlich nicht mehr daran erinnern, was sie alles vollmundig vor der Wahl versprochen hatten. Und Lügen? Was denn für Lügen?

Da zitiert man dann gerne Konrad Adenauer: „Meine Damen und Herren, „wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“ Da können alle schön lauthals lachen, jovial Schulter klopfen, und die wirklich miesen Beiträge von damals sind kein Thema mehr. Natürlich auch die damit einher gehenden Kollateralschäden.

Was tun jetzt? Am besten die dreistesten Sprüche sammeln, auf großen Transparenten zu Markte tragen und die Lügner als solche brandmarken, gebetsmühlenartig. Denn wie in der Werbung hilft eben nur die Wiederholung. Am besten diese Transparente direkt neben den Ständen der Parteien aufbauen, die die Lügen in die Welt gesetzt haben. Wenn die dann Platzverweise erwirken wollen, statt zu argumentieren, wird wohl auch dem letzten unentschlossenen Wähler klar, dass man Tarnen und Täuschen angesichts der anstehenden Probleme wirklich nicht als „nach vorne weisende Politik“ bezeichnen kann.

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