23 Jan.

Europa – Meditation Nr. 483

Endlich lösen die Europäer den gordischen Knoten!

Fast ist es wie nach einem heftigen Albtraum: Man schreckt überrascht hoch, der Angstschweiß auf der Stirn erinnert an die furchterregenden Bilder und Begebenheiten, aber das Bewusstsein des gerade erwachenden deutschen Europäers schaltet schnell um auf Normal-Modus, durchatmen und auf zu neuen Ufern – Flucht nach vorne sozusagen:

Nach 80 Jahren, die im Rückblick nun wie das peinliche Theaterstück eines Pubertierenden anmutet, erwacht endlich ein europäisches Selbstbewusstsein, das rückblickend die acht Jahrzehnten mit dem „Befreier“ und „Erlöser“ von übelstem Ungemach nun nicht mehr als selbstlose Rettungsaktion idealisiert, sondern als strategisches Konzept zur Stabilisierung der eigenen Macht gegenüber dem ideologischen und ökonomischen Gegner, Sowjetunion, ein Konzept, in dem die „Befreiten“ eine stets untergeordnete und weisungsgebundene Rolle zu spielen hatten, die sie – nach dem eigenen wüsten Irrweg – verständlicherweise als Junior-Partnerschaft schönredeten. Doch die Zugeständnisse aus heutiger Sicht waren fast alle erosionstypische: eigene kulturelle, philosophische und historische Wurzeln wurden nach und nach gekappt und aufgepfropft wurde von „hymnischen“ Tönen begleitet das gnadenlose Dollar-Konzept einer Wachstumsindustrie, die keine Alternativen duldet. Im gerade verabschiedeten Albtraum feierten die Kollateralschäden eben dieses Konzeptes eine Orgie nach der anderen, zuletzt mit Hilfe des social-media-sounds: das eigene Vokabular längst amerikanisiert, mehr zu verbrauchen als man braucht, Verträge nur so lange einzuhalten, wie sie einem nützen, Egoismus als Maß aller Dinge (der neue Präsident erscheint nun auch noch als Inkarnation all dieser Selbst-Entfremdungs-Euphorie – wie ein Zerrbild des eigenen Irrwegs).

Und was eröffnet uns der neue, erstmals ungetrübte Blick über den eigenen Tellerrand und auf den ehemaligen großen Bruder von Übersee?

Europa ist zwar ziemlich gefleddert nach diesen 80 Jahren, aber auch gleichzeitig erstmals „ready for take-of“.

So viele Völker, so viele Sprachen, so viele Religionen, so viele Kraftzentren – ökonomische, kulturelle, soziale, historische. Ein atemberaubendes Netzwerk der Vielfalt.

Angesichts der verfahrenen Kriegssituation in der Ukraine und im ehemaligen Palästina sollten die Europäer nun unbedingt an e i n e m Strang ziehen: helfen, die Streitenden auseinander zu bringen, den großen Bruder draußen vor lassen, Frieden als alternativlose Perspektive nachhaltig einfordern und Hilfe beim Wiederaufbau anbieten.

Eine neue Ära einläuten: Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, neue Bündnisse.

Europa als begehbare, bunte Brücke zwischen Ost und West, ein offener Marktplatz der Meinungen, Güter und Konzepte.

Europa gleichzeitig als Vordenker und Betreiber einer ökologischen Wende, in die KI zwar massiv eingebaut ist, aber völlig unter Kontrolle der Betreiber in Europa – amerikanische Anbieter: nein, danke. Zu unseriös, zu biestig, zu sehr nur im Momentum sich tummelnd.

Die fast 500 Millionen Menschen in Europa: eine üppige Verwandtschaft, die um ihre eigenen Qualitäten weiß, weil sie sich auch auf ihre eigene Geschichte besinnt, die aber stolz und selbstbewusst der allzu langen transatlantischen Bevormundung Adieu sagt.

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