31 Aug

Europa – der Faden ist gerissen (Meditation # 71)

Der Faden ist gerissen

Zu den bekannten mythischen Erzählungen Europas gehört auch der Faden der Ariadne, die trotz der Hilfe, die sie dem fremden Helden gewährte, um den Minotaurus zu töten, von diesem schmählichst allein gelassen wurde. Dabei hatte er ihr ein großes Versprechen einer gemeinsamen Zukunft gemacht.

Ein Füllhorn falscher Versprechen scheinen auch die um ihre Jobs bangenden Politiker in diesen Tagen über dem Wahlvolk auszuschütten:

Wir werden alles daran setzen, den Klimawandel auszubremsen

Wir werden alles daran setzen, der nachwachsenden Generation angemessene Ausbildungsstätten anzubieten – mit genügend motivierten Menschen, die gerne unterrichten und beim Selbstfinden helfen wollen

Wir werden alles daran setzen, motivierten jungen Menschen interessante und innovative Berufe anbieten zu können, um die Jugendarbeitslosigkeit europaweit zu minimieren

Wir werden alles daran setzen, die EU weiter zu stärken trotz Brexit und südeuropäischer Erosionserscheinungen

Wir werden alles daran setzen, die Altenpflege und die Altersvorsorge voran zu bringen, damit die Ängste vor der Zukunft gemindert werden können

Wir werden alles daran setzen, die innovativen Kräfte in unserer Gesellschaft zu stärken, damit der Verbrennungsmotor und fossile Energieversorgung schon bald der Vergangenheit angehören

Wir werden alles daran setzen, dem unseligen Terrortreiben verirrter junger Menschen nachhaltig und europaweit Einhalt zu bieten – mit mehr Kontrolle, mehr Überwachung und mehr Datenspeicherung und -austausch

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Was für ein Strauß blendender Werbetexte!

Aber die Angst sitzt den Werbern in den Knochen. Der Wähler – das souveräne Volk – scheint nicht mehr verlässlich sein Kreuzchen dort machen zu wollen, wo es für gewöhnlich wohl bisher immer gemacht wurde.

Und der Wähler ist angesichts der Uniformität der Programme der etablierten Parteien so enttäuscht und frustriert, dass er den sowieso immer dünner gewordenen Faden zu den Vertretern ihrer Interessen empört zerreißt

Und was hat er stattdessen vor?

Er verabredet mit seinen Nachbarn und Freunden eigene Initiativen: überschaubar, machbar und vor allem ehrlich. Dazu brauchen sie dann keine Vertreter mehr. Damit wäre dann auch die Zeit der Selbstbedienung und Bestechung an ihr längst fälliges Ende gelangt. Und die EU in der Mottenkiste.  Und Europa endlich am Anfang  seiner neuen eigenen Geschichte.

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