Europa – Ist das nicht wahres Weltbürgertum? – Meditation # 79
Zwei Großaktionäre machen sich Sorgen um unsere Kinder
Zwei Großaktionäre eines Schnurlostelefonherstellers mit eingebautem Endlosunterhaltungs-Programm machen sich echt Sorgen um die kindlichen Nutzer – Wie kann das Unternehmen etwas dagegen tun, dass weltweit dem sich anbahnenden Suchtverhalten dieser kleinen Kunden Gegenkräfte implantiert werden – vielleicht so etwas wie eine mentale Obseleszenz?
So viel Weitsicht und kindbezogenes Einfühlungsvermögen haben sicher nur die wenigsten solchen Großaktionären zugetraut. Wie man sich täuschen kann. Oder sind die selber einfach die besseren Täuscher?
Nun, später in ihrer sorgenvollen Anfrage beim kalifornischen Macher wird natürlich doch noch klar, dass es im Grunde nicht um das Kindeswohl geht, sondern um stabile Wachstumsraten. Dass man also eigentlich den Bock zum Gärtner machen möchte, ist jedem halbwegs kritischen Zeitgenossen nicht verborgen geblieben.
Die großen „Spieler“ (um die deutsche Übersetzung des englischen Strahlebegriffs zu nutzen) sind längst solch biederen Fragestellungen entwachsen. Zu sehr berauscht sie der eigene Erfolg und die offensichtliche Unangreifbarkeit durch Staat und Gesellschaft oder nationale Gesetze (auf dem Feld des Steuern Zahlens liefern sie ja bereits anschauliche und eindrucksvolle Beispiele ihrer außerordentlichen Rolle)
Aber die angesprochene Sorge ist allerdings sehr ernst zu nehmen.
Nur kann sie nicht am Tisch irgendwelcher von sich selbst berauschter „Think Tanks“ zielgerichtet verhandelt werden, sondern nur am Tisch der Familie, während sie gemeinsame Rituale zu retten versucht: Gemeinsames Essen, gemeinsames Spielen, gemeinsames Reden, gemeinsames Arbeiten, gemeinsames Nach-Denken.
Wenn sich allerdings jeder dabei hinter seinem kleinen Zauberkästchen verschanzt, ist von gemeinsamem Leben keine Spur mehr da. Die Verlockungen anonymer Digital-Partner, die keine sind, bleiben einfach durchweg die Sieger. Sie haben den längeren Atem (so etwas wie Geduld kommt in deren Pseudowelt gar nicht erst vor).
Was das mit Europa zu tun hat, könnte nun der geduldige Leser des blogs zurecht fragen.
Einiges, vieles.
Denn die Verlockungen aus dem Äther, die ja den Großaktionären weitere Kurssteigerungen garantieren sollen, sind nun wirklich absolut jenseits all dessen, was europäische Lebensweltgeschichten kennzeichnete. Und hier ist nicht die Rede von der EU, sondern von den vielen Regionen in Europa, in denen seit so vielen Jahrhunderten schon Kinder in vielerlei Sprachen und Sitten groß gezogen wurden, weil sie umgeben waren von Eltern und Großeltern, die Zeit für ihre Kinder hatten und Ansprüche an sie stellten. Daran konnten die Kinder wachsen und sich reiben, bis sie selbst zu kritischen Individuen herangewachsen waren. Umstellt blieben sie aber stets vom vertrauten Rahmen der Familien, Verwandten und Bekannten ihrer Gegend. Das gab so etwas wie Urvertrauen und Sicherheit. Alles Begriffe und Werte, die den Großaktionären im fernen Kalifornien völlig gleichgültig sind, den Produzenten ihrer Produkte ebenfalls. Alle beten den Götzen dieses haltlosen Spielzeugs an – schwärmen von globaler Vernetzung und totaler Verfügbarkeit. Schlafen, Regenerieren müssen sich diese Dinge nicht, sie sind verlässlich immer da für jeden, der sie nutzen will, Tag und Nacht. Und alle, die das nicht gut finden können, sind in ihren Augen bloß Spielverderber oder lebensuntüchtige ewig Gestrige. So einfach ist das heute. Und Kinder haben natürlich keine Lust auf Grufties dieser Art und laufen – wie Lemminge – jauchzend den Rattenfängern hinterher, als gäbe es da etwas zu gewinnen, als böte man ihnen dort das pralle Leben.
Auch die EU setzt 100% auf völlige Digitalisierung der Arbeitswelt und des Lebens überhaupt – immer unter der Flagge von mehr Teilhabe, mehr Freiheit, mehr Selbstverwirklichung. Jetzt sind die Schulen dran: Auch das wird die Großaktionäre freuen (hinter vorgehaltener Hand werden sie süffisant säuseln: Wurde aber auch wirklich Zeit, dass diese abgehängten Europäer noch auf den Zug aufspringen!). Bald ist nicht nur das Kinderzimmer, sondern auch der Klassenraum voll vernetzt und alle Daten schön gespeichert, damit die Kinder mit staunenden Augen bei jedem Klick fasziniert stammeln: „Ne, das glaub ich jetzt nicht! Woher wissen die denn, was mein Lieblingslolly ist?“ Der neue Weltbürger lässt sich gerne bedienen. Alles so einfach, endlich. Europa? Hä?