Europa – Meditation Nr. 479
Als läge Syrien mitten in der Ukraine, benachbart von einem zerbröselnden Palästina…
2024/25
Wie zufällig mäandert der Zufall durch unzählbare Zeitstrahlen, als wäre es ein wunderbarer Funkenflug prächtiger Geminiden, übersieht dabei nicht einmal den kleinsten Schicksalswink, verteilt in schöner Willkür kleinste Paketchen originellster Lebensskizzen, einfach so und unablässig fort und fort. Kalt und fast völlig harmonisch verstummen nicht nur die endlosen Sphären des sich unermesslich weitenden Alls, auch der volle Mond lächelt scheinbar wissend dazu. Oder sind es nur sehr leise Klänge, die deshalb gerne überhört werden können oder immer schon vorüber sind, wenn im Erwachen des Winters Ein- und Ausatmen schwächer und schwächer wird, weil die Erschöpfung ihren weltumfassenden Tribut fordert? Und das nicht nur beim Versinken seeuntüchtiger Flüchtlingsboote, nein, auch beim Zerfallen mehrstöckiger Wohnblocks am großen Fluss im Osten oder in staubigen Dünenlandschaften gleich am mittleren Meer: große Augen kleiner Kinder schauen voller Angst in grelle Lichtblitze, Wellenberge und Feuer speiende Stahlrohre. Sind es nur falsche Träume, die den satten Zuschauern da zufällig im sicher falschen Programm über die Bildschirme flimmern, sind es bloß gut gemachte Filme oder hat sich die Wirklichkeit des ablaufenden Jahres einfach den fiktionalen Verhältnissen unmerklich angepasst, damit dem Verbraucher das Unterscheiden erspart bleibt, von Handlungsaufforderungen ganz zu schweigen?
Stille, Dunkelheit und Kälte geben den Ton an – und das nicht nur passend zur Jahreszeit, nein auch wie bestellt und umgehend abgeholt auch schön zubereitet zur sonstigen Gemengelage zufälliger Karambolagen, für die es auch keine Versicherungen gibt. So glimmen im Kleinen wie im Großen die heimlichen Glutnester still vor sich hin, wachsen mancherorts zu wahren Orgien der Gewalt und gnadenlosen Zerstörung, aber auch zu wärmender Stärke sich helfender Wesen, die im unerbittlich weiter strömenden Fluss der Zeit wie kleine Inseln Anker werfen, an denen sie sich wenigstens vorübergehend festhalten können.
War es ein Fest, ist es ein Fest oder wird es eins werden, bevor die zufälligen Zeitwinde wieder neue Lüfte bewegen, die wir für andauernde Wetterlagen halten wollen? Denkend schaffen wir so inmitten weiter zerbröselnder Gewissheiten eine kleine Dauerbleibe im unendlichen Fluss frei erfundener Deutungswelten, die wir bescheiden oder auch voller Selbstbewusstsein zum Gebrauch erkoren haben, weil sie einfach tragfähig sein sollen, weil wir meinen, es zu können und es so auch zu wollen mögen.