10 Nov.

Europa – Meditation # 465

Lust auf eine neue Runde Doppelkopf?

Als die species homo sapiens sapiens für sich nach dem Gesang die Sprache erfand, schien es wie Zauberei zu sein. Nun – ein paar tausend Jahre später – lautet die Zauberformel F A K E – news! Mit Hilfe dieser Formel lässt sich trefflich streiten, denn so kann man easy dem Gegenüber den schwarzen Peter zuweisen und sich selbst das „Wahrheits-präsent“ unter den Nagel reißen.

Apropos Doppelkopf!

Da spielt jetzt der Trampel gegen den Ampel, bzw. Palästina gegen Ukraine.

„Ich kaufe Rheinmetall“. Gut. Und ich die Apple-Straße und wenn du über Tesla kommst, ab ins Gefängnis, es sei denn du googles mich…hihihi…

Wäre das schön, wenn es so einfach wäre. Aber die Wirklichkeit ist zur Zeit wahrlich ein Irrenhaus:

Eben erst – war da nicht eine Epidemie, die uns Todesängste einjagte – sahen wir Bilder von Toten auf einer Dorfstraße in der Ukraine, Zivilisten, brutal hingerichtet, dann explodierende Tunnelgänge im Gaza-Streifen (da lebten mehr als eine Millionen Menschen!), dann Schlammlawine nahe Valencia mit mehr als 200 Toten (schlimme Bilder aus dem Ahrtal ploppten hoch), getoppt von wilden Feuersbrünsten bei Los Angeles. Fake-News? Für das Trampel aus New York selbstverständlich: er will das Klimaabkommen von Paris canceln, dafür mehr fossiles Material freilegen lassen und auf dem Weltmarkt gewinnbringend verhökern, und hier in Europa (schon vergessen?) beglückten liberale Werber die unschlüssigen Wähler in den neuen Bundesländern neulich erst mit Ankündigungen über „mehr Parkplätze in den Innenstädten statt Fußgängerzonen“ und „mehr neue Verbrenner-Fahrzeuge“ !

Das klingt wie aus einer anderen Welt, wie Fake-News. Aber sie sind ernst gemeint, toternst. Dass wir aber bereits 2024 nicht mehr die 1,5° werden halten können, scheint kaum jemanden zu stören. Da können auch sogenannte „Starkregen“-Ereignisse und „Feuersbrünste“ nichts dran ändern.

Hinter all den Sprachkaskaden dieser Tage wabern selbstverständlich heftige Emotionen: Man will herrschen, man will mehr haben, man will der Stärkere sein. Und der eigenen Angst ein Schnippchen schlagen. Und hinter verschlossenen Türen tobt weiter der Ungeist patriarchalischer Gewalt gegen Frauen. Avignon lässt grüßen!

Solange man nur hinreichend privilegiert ist, den Gegenüber furchtlos attackiert, fühlt man sich auf dem erfolgreichen Pfad in Richtung „gewinnen“, ohne auch nur einen Moment zu bedenken, dass wir so a l l e auf der Verliererstraße vor uns hin taumeln, wie die Lemminge, die als chaotische Horde kopflos in Richtung Abgrund stürmen, als gäbe es da etwas umsonst. Ein Schnäppchen.

Wer hat denn nun die beiden Damen gehabt, wer hat mit wem gespielt? Ist doch egal. Hauptsache wir hatten Spaß und alle meinen, gewonnen zu haben. Ist doch ein Superspiel.

Und hör mir bloß auf mit dem ermüdenden Hinweis auf Fake-News!

Ist doch sowieso alles erfunden.

Und die am lautesten schreien, behalten ja auch Recht.

Bis zum bitteren Ende, klar.

19 Sep.

Europa – Meditation # 464

Wie kann das sein? Diese Gleichzeitigkeiten!

In Osteuropa Flutwellen, zerstörte Häuser, ertrunkene Menschen, verzweifelte Familien, leere Kassen, im Nahen Osten explodierende Mordinstrumente, die heimtückisch Menschen aus dem Leben reißen oder zu Invaliden machen, in Übersee ein Tumbethor und Trampel, der über alle Medien seine kleinen verqueren Geschichtchen ausposaunen kann und gute Chancen hat, bald wieder auch am Knopf eines atomaren Armageddon spielen zu dürfen, als ginge es um Klickern kleiner Jungen, die kichernd kurz mal die Welt aus den Angeln heben wollen, nur kurz und einfach so. Spaß muss sein!

Und im Libanon, wo Millionen geflüchteter Syrer und Palästinenser in ihrer Angst, Wut und Zorn nicht mehr wissen, ob sie am nächsten Tag noch leben werden oder von Drohnen ausgelöscht sind. Und in den wohlstandsverwöhnten Breiten Mitteleuropas nichts als besserwisserische Pharisäer, die sich wegen Wärmepumpen echauffieren und ihre Mitverantwortung im Gemeinschaftsprojekt Demokratie gerne anderen überlassen, denn das Ringen um Lösungen finden sie natürlich öde, unter ihrer Würde, wissen sie doch immer schon, was richtig wäre, nur die da oben streiten sich, als lägen die notwendigen Veränderungsprojekte nicht längst in den Schubladen – wie 1932/33, als man auch die notwendigen Investitionen nicht tätigte – der Staat hätte investieren müssen, Schulden machen müssen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, stattdessen sparte man sich kaputt, sodass ein Schreihals – wie der Rattenfänger von Hameln – leichtes Spiel mit den arbeitslosen Menschen hatte. In Scharen rannten sie nun auch schreiend hinter ihm her, der „Schuldige“ war natürlich auch gleich gefunden und die Straße in den fürchterlichen Untergang geebnet.

Das Mittelmeer um 9° zu warm, die Feuchtigkeit regnet sich wie aus einem Schwamm gewrungen bräsigst über den Alpen und drum herum langsam und genüsslich ab und die betroffenen Menschen tun so, als wäre es Gottes Strafe oder Zufall oder Routine, ist es doch einfach nur e i n e von vielen Möglichkeiten, wie die Natur mit dem CO² – Ballast umgeht. Sie lässt sich nicht betrügen, vertrösten oder bestechen. Sie ist immer bei sich selbst. Zwar kann der Mensch mit seinen Wissenschaften vieles in Zahlen darstellen und erklären, aber die notwendigen, radikalen Kehrtwenden kann er sich seiner Bequemlichkeit und seiner Verwöhnung und Dienstleistungsmentalitiät einfach nicht abringen.

Also sollte er nicht so tun, als durchschaue er den Lügner in Übersee, sei ein Durchblicker sondergleichen, wo er sich doch mit gleicher Münze einen in die Tasche lügt, wenn es um die anstehenden Ausstiegsszenarien geht, um zumindest das Tempo der Erderwärmung abzubremsen. Statt dessen stellt sich ein stattliches Mannsbild stolz vor die Kamera und verkündet lautstark: „Selbstverständlich werden wir den Verbrenner-Motor weiter favorisieren, selbstverständlich!“ Und die Medien schicken die Botschaft brav wie jede andere auch in den Äther, als ginge es bloß um eine Stefan-Raab-Show!

Das Zeitalter der Aufklärung steht den Europäern wohl erst bevor.