03 Nov.

Europa – Meditation # 421

Der gemeinsame Nenner der Gewalt gegen Frauen.

Die besten Verbündeten des Patriarchats sind scheinbar die Frauen. Voller Eifersucht klammern sie sich an ihre Männer und Kinder, als wären es Waren, die man besitzen könnte und im Kleiderschrank aufbewahren. Monogamie und Eigentum . Und mit Hilfe des Monotheismus und den Kirchen, bzw. den Koranschulen und der Thora hat sich im Laufe der Jahrtausende in Europa und dann in der kolonialisierten und missionierten Welt ein Denken verfestigt, dass zwar frei erfunden bleibt, aber sich als Glaube und direkte Offenbarung der Götter an begnadete Propheten so verselbstständigte, dass kein Mann mehr heutzutage und weltweit seine Gewalt- und Machtansprüche der Frau gegenüber rechtfertigen muss. Aber das beinharte Glaubensgerüst erweist sich als nachhaltig defizitär: Wie in einem Brennglas starrt die Weltöffentlichkeit auf die Gewalt gegen Frauen in Afghanistan, in Palästina, im Iran, in Kolumbien, um nur einige Hotspots zu nennen – sie alle spiegeln das Patriarchat in seiner ganzen Anmaßung wider, genauso wie im Alltag in den USA, der BRD, Syrien, Türkei, Russland und Irland (es müssen hier nicht 180 weitere Staaten genannt werden!) – die videos der Hamas-Monstermänner sind nur das vorläufig letzte Bespiel dieser Tag und Nacht weltweit stattfindenden Missbrauchs-agenda der Männer. Denn neben dem Missbrauch von Männern der katholischen Kirchen ist ja auch der Missbrauch in verwandtschaftlichen Familienverhältnissen so alltäglich wie furchtbar, zumal allzuoft diese erbärmlichen Täter auch noch von ihren Frauen gedeckt werden. Von den Femiziden und den Geschichten, die in den Frauenhäusern erzählt werden, ganz zu schweigen. Und sind nicht auch die Schlächtereien in der Ukraine und in Palästina bloß weitere Beispiele der unseligen Kette von Gewaltinszenierungen von Männern in der Geschichte Europas, für die Krieg eine scheinbar natürliche Form der Berufsausübung „richtiger Männer“ darstellt, in dem immer auch Frauen vergewaltigt werden, denn die Macht der Männer muss immer wieder machtvoll in Angstfeldzügen gegen die Frauen vorgeführt werden, damit sie selbst auch weiter daran glauben können.

„…Die sexualisierte Gewalt, die diesen Frauen angetan wird, ist Gewalt v o n Männern. Sie ist aber auch Gewalt f ü r Männer. Männer als Täter. Männer, die Frauen als Bedrohung empfinden, als Publikum, als Agitationsgegenstand. Frauen als Schlachtfeld männlicher Machtdemonstration. Entmenschlichung von Frauen als Werbebotschaft an andere Männer…“ (Zitat aus der SZ vom 2. November, S. 9, J. Biazza)

31 Okt.

Europa – Meditation # 420

„Mentalitätswechsel, kriegstüchtig, wehrhaft“

Der Zeitgeist geht um, der Zeitgeist treibt die Menschen vor sich her – schon immer. Da passt Halloween voll ins Blitzlichtgewitter der Medienwelten: Nur nicht zu lange an einem Bild hängen bleiben! In dunklen Winkeln lauert mies grinsend die Langeweile. Fratzen, Ungeheuer, Teufel, Skelette sorgen für höheren Puls. Süßigkeiten stimulieren obendrein.

Und unser Hofbäcker – lat. pistor – backt uns gerade neues Brot: drei Sorten bietet er an:

duftender „Mentalitätswechsel“,

kerniges „Kriegstüchtig“

und weiches „Wehrhaft“

alle drei Sorten unwiderstehlich frisch, knusprig kross und langlebig dazu.

Dabei hatten sich die westlichen Demokratien doch gerade erst an das neue, feine „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) gewöhnen wollen: sozusagen als das neue Einheitsbrot für alle, das versprach, allen zu schmecken, weil der Westen es erfunden hatte.

Das war 1989.

Aber es verschwand blitzschnell wieder aus den Regalen. Keiner wollte es kaufen. Ein völliger Rohrkrepierer.

Doch die Weltkundschaft wollte neues Brot, neue Sorten, neues Kraftfutter.

1991 war es dann so weit: (Samuel P. Huntington) – natürlich musste es gleich ein Knaller sein: „Kampf der Kulturen“ – also eine Wendung um mindestens 380°: der Clash of Civilizations zwischen dem alt und müde gewordenen Westen, China, Indien und dem islamischen Kulturraum läuft sich gerade in der Ukraine und in Palästina warm. Da kommt der „Mentalitätswechsel“ gerade recht. Nach „Nie wieder Krieg!“ und dem Ladenhüter „Entspannungspolitik“ und „Wandel durch Annäherung“ endlich wieder Vollkornbrot!

Es ist schon atemberaubend, wie leicht vor einem Wald von Mikrofonen dieser Wechsel im Denken und Handel auf der internationalen Bühne angeboten werden kann. Niemand wird blass oder rot, die meisten nicken besorgt: Was will man machen? Umdenken, klar. Dem „Ende der Geschichte“ von 1989 und dem „Kampf der Kulturen“ 1993 folgt nun – quasi wie von selbst – der Mentalitätswechsel hin zu „Nur wer wehrhafter Krieger ist in diesen Tagen, wird den nächsten Morgen sehen“!

30 Okt.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 166

Die Irrfahrt des Floßes der Boreia.

Ihr Floß schwankt von einem Wellenberg zum nächsten. Europa, ihre beiden Söhne und Athanama halten sich an den Planken fest, so gut es geht. Die Angst hält sie wach, in dieser Nacht. Der Sturm ist zu einem starken Wind geschrumpft, und die Schiffbrüchigen phantasieren bereits ihr Ende. Kein Wasser, nichts zu essen und kein Land in Sicht. Nur Chaturo ist wild entschlossen, nicht aufzugeben.

„Wenn die Strömung uns weiter so trägt, schaffen wir es vielleicht bis zum nächsten Abend an die Küste Phönizien!“ sagt er nun schon zum zehnten Mal. Aber keiner glaubt ihm. Europa betet im Stillen zu ihrer Göttin. Es kann doch einfach nicht sein, dass sie und ihre beiden Söhne so enden. Nein, nein!

„Bitte, große Göttin, erhöre mein Flehen, rette uns, rette uns!“ so betet sie. Und wenn Chaturo wieder seinen Satz von ihrer Rettung wiederholt, nickt sie tapfer dazu. Athanama geht es sehr schlecht. Sie muss sich immer wieder übergeben. Wir werden alle hier auf dem Wasser sterben. Da ist sie sich ganz sicher. Auch wenn ihre Freundin, Europa, sie zum Durchhalten überreden will, sie hat den Glauben daran verloren. Und Chaturo, ihr Chaturo, mit dem sie so wunderbar auf Kreta verbunden war, muss seinen Verstand verloren haben. Wie könnte er sonst in dieser ausweglosen Lage immer wieder sagen, dass sie es zur Küste schaffen werden? Jetzt hat auch noch der Wind nachgelassen. Wie sollen sie denn da voran kommen?

Das Floß der Boreia – von oben betrachtet, vom Olymp zum Beispiel – mit den verzweifelten Menschen darauf – sieht aus wie ein kleines Stück Treibholz mit winzigen Stoffknäueln beladen.

„Eine große Welle und alle werden vom Floß herunter gewischt!“ geht es Zeus da oben durch den Kopf, als er am frühen Morgen gähnend auf die Erde und sein Meer herab schaut. Es kribbelt ihn in seinen Fingern. Dann wäre er sie endlich los.

„Was ist mit dir, bist du krank oder warum schon so früh auf den Beinen und starrst so nach da unten?“

Heras Stimme geht ihm durch Mark und Bein. Sie hat wirklich eine besonders glückliche Art, immer gerade dann zu erscheinen, wenn er sie überhaupt nicht sehen will, tobt es in ihm.

„Ich? Och, ich habe nur schlecht geschlafen und überlege gerade, ob ich meinen Bruder Poseidon da unten heute besuchen soll.“

„Den? Sag mal, wie vergesslich bist du denn eigentlich? Dein Bruder ist seit gestern unterwegs nach Hesperien, Äpfel zählen!“

Das ist Zeus nun wirklich echt peinlich.

„Stimmt, stimmt, liebe Gemahlin“, säuselt er, so gut er kann, „sollte wohl besser noch mal schlafen gehen!“

Hera kann nur den Kopf schütteln. Und Zeus ärgert sich, dass er das mit der Welle und dem Floß nun doch nicht machen kann. Mist!

Und während oben im Olymp dieses Frühmorgengespräch über die Bühne geht, schrabbt unten auf dem Meer das Floß der Borea gerade über ein Riff und bleibt ächzend daran hängen. Die übermüdeten und durstenden Menschen an Bord des Floßes rutschen – völlig unvorbereitet auf dieses plötzliche Anhalten – purzelnd ins Wasser. Schreie. Todesängste. Keiner von ihnen kann schwimmen. Als letzter rutscht Chaturo, der Kapitän der Borea, ins kalte Nass. Taumelnd gehen Europa, Athanama, Sadamanthys und Parsephon unter, schlucken salziges Wasser, fuchteln mit den Armen verzweifelt hin und her, strampeln mit ihren Beinen, als ihre Füße auf Felsbrocken stoßen. „Sadamanthys, Parsephon!“ schreit Europa verzweifelt, als sie sich schwankend aufzurichten sucht, Luft schnappt, sich umschaut und es nicht fassen kann, denn auch die anderen tauchen neben und vor ihr wild prustend wieder auf, rutschen wieder ab, gehen unter, tauchen wieder auf und gelangen so, ohne dass sie wissen, dass sie genau in die richtige Richtung torkeln, schreiend, japsend, spuckend. Selbst Chaturo schafft es, Luft zu holen, hinterher zu waten, wieder hinzufallen, auszurutschen, unterzugehen, wieder aufzutauchen, Salzwasser zu spucken.

Später, als sie alle schwer atmend am Ufer liegen, wissen sie wirklich nicht, ob das alles nur ein schöner Traum ist – im letzten Augenblick, bevor sie ertrinken und sterben werden – da geht im Osten auch noch die Sonne auf und Chaturo, dessen Augen brennen von dem vielen Salzwasser, das darüber geflossen war in den letzten Stunden, flüstert erneut die letzten Worte seines Satzes: „…die Küste Phöniziens, die Küste Phöniziens…“ Es ist dann Europa, die sich als erste schwer atmend erhebt, in die Knie geht und zitternd betet: „Große Göttin, du hast uns gerettet. Wir danken dir.“

Dann schlafen sie alle vor Erschöpfung einfach ein.

„Thalia, schau mal, da liegen ja Menschen am Strand!“ Es ist Kimeéa, die sie entdeckt hat. Sie wollten den Aufgang der Morgensonne hier am Strand erleben, jetzt nähern sie sich vorsichtig den Fremden, den schlafenden.